Die scheidende Vizebürgermeisterin Birgit Hebein wurde von der grünen Basis bis Ende 2021 zur Parteichefin gewählt. Eine frühere Übergabe ist denkbar, das Prozedere aber offen.

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Die grüne Parteichefin Birgit Hebein ortet nach ihrer Demontage einen "Riss in der Partei". Das sagte sie am Samstag bei der Landesversammlung, nachdem sie im grünen Klub keine Führungsposition mehr erhalten hatte. Ein Ausschuss der Wiener Grünen soll nun die Geschehnisse aufarbeiten. Hebein sagte auch zu, dass ihre Nachfolge als Parteichefin "klar geregelt wird". Gewählt ist Hebein bis Ende 2021, sie deutete aber eine frühere Übergabe an. Vom neuen Führungstrio der Grünen – David Ellensohn, Judith Pühringer und Peter Kraus – peilen wohl nicht alle den Chefposten an.

David Ellensohn

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Er gilt als grünes Urgestein in Wien: Ellensohn saß 2001 das erste Mal im Gemeinderat, war bereits sechs Jahre lang nicht amtsführender Stadtrat und ist seit zehn Jahren Klubchef. Zum Frontmann bei den Grünen hat es Ellensohn – geboren in London, aufgewachsen in Vorarlberg – bisher aber noch nicht geschafft: Zunächst war für ihn eine Rolle hinter Maria Vassilakou vorgesehen. Und vor zwei Jahren, als er den Sprung in die erste Reihe versuchte, unterlag er bei der Abstimmung der grünen Basis Birgit Hebein. Auch Peter Kraus, der ebenfalls kandidierte, hatte mehr Stimmen erreicht.

Ellensohn und Hebein gelten beide als dem linken Flügel der Grünen zugehörig. Das Arbeitsverhältnis soll nicht frei von Komplikationen gewesen sein, wie Insider berichten. Nach dem Rauswurf der Grünen aus der Wiener Stadtregierung nutzte Ellensohn seine Hausmacht im grünen Rathausklub und wies Hebein in die Schranken: Die Abstimmung unter den grünen Mandatarinnen und Mandataren um die künftige Führung des Klubs ging vergangenen Montag deutlich für Ellensohn aus. Der Posten als Klubchef ist gerade für Oppositionsparteien wichtig, um aufzuzeigen. Ellensohn dürfte sich aber nicht als künftiger Parteichef und Hebein-Nachfolger in Stellung bringen. Dem Vernehmen nach soll er das intern bereits angedeutet haben. Das wurde dem STANDARD aus grünen Kreisen bestätigt.


Judith Pühringer

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Die Quereinsteigerin hat sich Anfang des Jahres dazu entschieden, in die Politik zu wechseln. Damals war sie noch gar kein Mitglied der Grünen. Zum Mitmachen eingeladen habe sie just Birgit Hebein, bestätigte Pühringer. Bei der Wien-Wahl kandidierte sie dann auf dem dritten Listenplatz – hinter Hebein und Planungssprecher Peter Kraus. Ab Dienstag ist die 44-jährige Wienerin nicht amtsführende Stadträtin der Grünen. Bei der Wahl im Klub setzte sie sich gegen Hebein mit 10:6 durch.

Für ihre politische Karriere hat Judith Pühringer ihren Job als Geschäftsführerin von Arbeit plus, einem Netzwerk von rund 200 sozialen und gemeinnützigen Projekten in Österreich, nach 15 Jahren zurückgelegt. Außerdem engagierte sie sich in der Armutskonferenz. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit bleibt soziale Arbeitsmarktpolitik: Im Wahlkampf machte sie sich etwa für eine 35-Stunden-Woche für alle 65.000 Beschäftigten der Stadt stark. Das sei ein Bereich, wo Wien selbst handeln könne, meinte Pühringer. Durch diese Arbeitszeitreduktion könnten zusätzliche 7.000 Arbeitsplätze mitten in der Corona-Krise geschaffen werden. Der Wechsel von der Regierungs- in die Oppositionsrolle sei für die Grünen eine "große Zäsur", sagte sie. Diesen Wechsel will Pühringer prägen. Ob sie auch die Führungsposition anstrebt, ist offen. Eher ist vorerst eine Doppelrolle mit Kraus denkbar, der politisch weit besser vernetzt ist.


Peter Kraus

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Vor fünf Jahren hat Peter Kraus als Jugendkandidat der Wiener Grünen den Sprung in das Rathaus geschafft. 2018 fühlte er sich bereits dazu bereit, die Partei als Vorsitzender zu übernehmen und die Nachfolge von Maria Vassilakou anzutreten. Kraus, der von 2010 bis 2015 auch stellvertretender Leiter im Büro von Vizebürgermeisterin Vassilakou war, hatte in der ehemaligen Verkehrsstadträtin eine Fürsprecherin. Zudem gehört er dem Realo-Flügel der Partei an. Bei der Wahl zum Spitzenkandidaten der Partei vor zwei Jahren zog der favorisierte Kraus aber gegenüber Hebein den Kürzeren.

Nach der parteiinternen Demontage von Parteichefin Hebein stehen die Vorzeichen aber völlig anders. Der 33-Jährige, der sich vergangenen Montag bei der Wahl um einen nicht amtsführenden Stadtratsposten klar gegen Hebein durchgesetzt hat, kann auf Unterstützung des grünen Klubs bauen. Er gilt in der Partei als hervorragend vernetzt und ist auch Sprecher der Grünen Andersrum.

Offen ist aber, ob sein Standing bei der grünen Basis durch den Umgang mit der Noch-Parteichefin gelitten hat. Bei der Wahl 2018 musste er sich erst im letzten Auszählungsdurchgang Hebein geschlagen geben. Noch nicht geklärt ist außerdem das genaue Prozedere, wie der oder die Nachfolgerin von Hebein gewählt wird – und zu welchem Zeitpunkt. Kraus wird jedenfalls vonseiten der Partei mehr Verantwortung zugetraut. (David Krutzler, 23.11.2020)