Sophie Scholl im Jahr 1941.

Foto: Imago/Sophie Scholl Privatarchiv

"Ja, hallo, ich bin Jana aus Kassel, und ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde." Mit diesen Worten stellte sich eine junge Frau am Samstag in Hannover auf einer Demo gegen die Pandemiemaßnahmen der deutschen Regierung vor. Sie sei im gleichen Alter wie die NS-Widerstandskämpferin, als sie 1943 von den Nazis festgenommen wurde.

Der Auftritt, der vereinzelt mit Applaus aus dem Publikum bedacht wurde, sorgte im Nachgang für heftige Kritik. Einen deutlichen Kontrapunkt setzte ein Ordner, der vor die Bühne trat und aus Protest gegen den Vergleich seinen Dienst für die Demonstration quittierte und der Rednerin sein Ordnerleibchen übergeben wollte, woraufhin diese schließlich weinend vom Podium stürmte. Später trat sie ein weitere Mal ans Mikrofon, äußerte Unverständnis über die Kritik und wiederholte den Vergleich.

Kritik im Netz und aus der Politik

Videos des Auftritts verbreiteten sich schnell auf sozialen Medien, insbesondere Twitter. In den Reaktionen wurde mit großer Mehrheit Kritik an dem Vergleich geübt. Die Verhältnisse im "Dritten Reich" und Ausgangsbeschränkungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie auf eine Stufe zu stellen sei absolut unangemessen.

Auch aus der Politik wurden die Aussagen mehrfach verurteilt. Der Vergleich zeige eine "unerträgliche Geschichtsvergessenheit", kommentierte etwa der deutsche Außenminister Heiko Maas. "Nichts verbindet Corona-Proteste mit [NS-]Widerstandskämpfer*Innen."

Aktiv für die Weiße Rose

Sophie Scholl ist eines der bekanntesten Mitglieder der Weißen Rose, einer Gruppe, die sich dem Naziregime und seiner Propaganda widersetzt hat. Die Studentin und ehemalige Kindergärtnerin war einst selbst Anhängerin der Nationalsozialisten und aktiv in der Jugendorganisation Bund Deutscher Mädel, begann aber, geprägt durch evangelische Schriften und andere Einflüsse, Anfang der 1940er, eine zunehmend kritische Haltung gegenüber der Ideologie zu entwickeln.

1942 gelangte sie in Kontakt mit der Widerstandsgruppe, für die sie Flugblätter verbreitete und später auch selbst an deren Erstellung mitwirkte. Am 18. Februar 1943 wurden Sophie und ihr Bruder Hans an der Kunstuniversität München von einem der SA zugehörigen Hörsaaldiener bei einer Aktion ertappt und gemeldet.

Von den Nazis hingerichtet

Vier Tage lang wurden die beiden verhört, wobei sie sich zum Schutz der anderen Mitglieder als Köpfe der Weißen Rose darstellten. Am 22. Februar wurden sie, gemeinsam mit einem weiteren Widerstandskämpfer namens Christoph Probst, wegen "Hochverrats und Feindbegünstigung" verurteilt und mit der Guillotine hingerichtet.

Briefe und Tagebuchaufzeichnungen von Sophie Scholl wurden nach dem Ende der Naziherrschaft bekannt. Nach ihr sind heute mehrere Schulen und Kindergärten und verschiedene Plätze benannt. In Wien wurde 2008 eine Gasse im 22. Gemeindebezirk zu ihren Ehren umbenannt. (gpi, 23.11.2020)