Lynn Conway steuerte auch nach ihrer Entlassung bei IBM wichtige Erfindungen zur Computertechnologie bei.

Foto: University of Michigan

Kein Fortschritt der Welt könne gutmachen, was ihr angetan wurde. Das sagte Diane Gherson, Vizepersonalchefin des Computerriesen IBM, im vergangenen Monat bei einem virtuellen Meeting zu der Transfrau Lynn Conway. Vor 52 Jahren hatte das Unternehmen Conway entlassen, nachdem sie sich als transsexuell geoutet hatte.

Dabei hatte es einst gar nicht so ausgesehen, als würde die damalige Bekanntgabe, dass sich die als biologischer Mann Geborene geschlechtsanpassenden Maßnahmen unterziehen wolle, ihren unfreiwilligen Abschied einleiten, berichtet die "New York Times". Denn ihr Vorgesetzter, Gene Amdahl, zeigte sich ihr gegenüber unterstützend.

Pionierarbeit auch nach der Entlassung

Nicht so aber Thomas Watson Jr., der Chef von IBM. Er bestand darauf, dass die heute 82-Jährige entlassen werde. Ein Unrecht, das man seitens des Unternehmens heute sehr bedauert. Mittlerweile unterstütze man Mitarbeiter, die sich ihrem nicht angeborenen Geschlecht zugehörig fühlten.

Conway erhielt auch eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk. Denn trotz des jähen Endes ihrer Karriere bei IBM arbeitete sie danach noch viele Jahre weiter erfolgreich in der Branche. Bei IBM hatte sie an den ACS-Computern mitgewirkt, die als die ersten "superskalaren" Geräte ihrer Art gelten.

Xerox, DARPA, MIT

Zu ihren weiteren Stationen gehören die Xerox-Parc-Labore, wo sie die Entwicklung von Chips mit mehreren Stromkreisen auf einer Platine startete, was eine günstigere und schnellere Produktion ermöglichte. Gemeinsam mit Carver Mead von der kalifornischen Technik-Universität Caltech kreierte sie das "Very Large Scale Integration"-(VLSI-)Verfahren, das die Grundlage der Entwicklung komplexer Halbleiterprodukte wie Speicherchips und Prozessoren bildete.

Sie trat eine Gastprofessur am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) an und wechselte schließlich von Xerox zur DARPA, wo sie auch an Waffentechnologien arbeitete. Am Ende ihrer Karriere unterrichtete sie 13 Jahre lang, von 1985 bis 1998, an der University of Michigan, wo sie auch emeritierte.

Symbolträchtiger Schritt

Für LGBTQ-Personen ist der Schritt von IBM durchaus bedeutsam, zumal auch erst am Freitag der jährliche "Transgender Remembrance Day" begangen wurde, an dem der Transfrau Rita Hester gedacht wird, die 1998 mutmaßlich aufgrund ihrer Transsexualität erstochen wurde.

Auch Conways Entlassung im Jahr 1968 zeige, warum man sich an solche Fälle erinnern müsse und Transpersonen dabei stärken will, zu sich selbst zu stehen, so die National Organization of Gay and Lesbian Scientists and Technical Professionals. Erst in diesem Juni hat das US-Höchstgericht mit sechs zu drei Stimmen entschieden, dass zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz auch für homosexuelle und Transmenschen gilt, die daher nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung entlassen werden dürfen. (gpi, 23.11.2020)