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Es rennt nicht optimal für Michael van Gerwen.

Foto: AP/Paston

Michael van Gerwen schüttelte fassungslos den Kopf, presste die Lippen zusammen und stampfte völlig entnervt davon. Der Niederländer, der die Darts-Szene über Jahre dominierte und seine Gegner zur Verzweiflung trieb, verzweifelt immer mehr an sich selbst – weil der Seriensieger das Siegen verlernt hat und Niederlagen zur Gewohnheit werden. Drei Wochen vor dem geplanten Start der WM steckt die Nummer eins der Welt in der Krise.

"Ich habe die Schnauze voll", schimpfte der dreimalige Weltmeister beim niederländischen TV-Sender RTL 7, nachdem er die nächste schmerzhafte Pleite bei einem Major-Turnier kassiert hatte. Beim Grand Slam of Darts scheiterte er schon im Viertelfinale mit 15:16 am Australier Simon Whitlock – auch, weil van Gerwen trotz einer ansonsten guten Leistung acht (!) Matchdarts nicht nutzen konnte.

"Unglaublicher Depp"

"Wenn du so viele Matchdarts hast, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen", zeterte van Gerwen: "Wenn es doch schiefgeht, bist du ein unglaublicher Depp. Punkt." Die "Green Machine", wie der Niederländer ehrfurchtsvoll genannt wird, ist gehörig ins Stottern geraten. Der unwiderstehliche Killerinstinkt, der ihm eine Aura der Unbesiegbarkeit verlieh, ist weg.

Außer den UK Open im März hat der einstige Seriensieger in diesem Jahr kein großes Turnier gewonnen. Beim World Matchplay und bei der EM verlor der 31-Jährige jeweils bereits in der zweiten Runde, beim World Grand Prix war im Viertelfinale Schluss. Im September hatte er zudem zum ersten Mal in seiner Karriere den Play-off-Einzug in der Premier League verpasst.

"Keine Chance"

Auch seinen Widersachern ist die ungewohnte Schwäche van Gerwens, der seit Januar 2014 die Weltrangliste anführt und im April zum zweiten Mal Vater wurde, natürlich nicht verborgen geblieben. "Er hat keine Chance", antwortete Weltmeister Peter Wright zuletzt auf die Frage, ob ihm van Gerwen bei seiner Titelverteidigung im Dezember gefährlich werden könne – und damit ist er nicht allein.

"Man sieht, dass er Nerven zeigt. Es fehlt ihm an der Gelassenheit, Spiele nach Hause zu bringen, das ist ihm vorher noch nie passiert", sagte der viermalige WM-Halbfinalist Wayne Mardle als Experte von Sky Sports. Noch im vergangenen Jahr hatte "Mighty Mike" alleine sieben der zwölf Major-Turniere gewonnen – von dieser Gala-Form ist er derzeit weit entfernt.

"Wenn es jetzt wichtig wird, wankt er fast jedes Mal", urteilte Mardle und befand: "Das ist nicht Michael van Gerwen." Viel Zeit bis zur WM bleibt nicht mehr, um wieder zu dem Michael van Gerwen zu werden, der die Darts-Welt das Fürchten lehrt. (sid, 23.11.2020)