Viel besser könnte es für Wiens Bürgermeister Michael Ludwig derzeit eigentlich kaum laufen. Anfang Oktober ging er deutlich gestärkt aus der Gemeinderatswahl hervor, mit einem Plus von mehr als zwei Prozentpunkten erreichte Ludwig das langersehnte Ergebnis mit einem Vierer vorne: 41,62 Prozent. Damit konnte er nicht nur aus dem Schatten seines Vorgängers Michael Häupl treten, sondern auch internen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Streitereien innerhalb der Wiener SPÖ, die es im Jahr 2018 bei Ludwigs Wahl zum Spitzenkandidaten noch gegeben hatte, sind – zumindest nach außen hin – beigelegt. Die für Ludwig wohl mühsamsten Gegenspieler, nämlich die eigenen Genossen, sind verstummt. Beide Parteiflügel geben sich zufrieden.

Für Wiens Bürgermeister Michael Ludwig läuft es gut.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Zu kritisieren gibt es aktuell tatsächlich wenig: Keine andere Partei hat es im Herbst bei der Wien-Wahl geschafft, stimmenmäßig auch nur annähernd an die SPÖ heranzukommen – die zweitplatzierte ÖVP erhielt weniger als die Hälfte der Prozente und Mandate Ludwigs. Daher konnte der rote Parteichef auch aus dem Vollen schöpfen, als es um eine Koalition ging. Alle im Gemeinderat vertretenen Parteien, denen Ludwig seine Tür öffnete, waren zu einer Zusammenarbeit bereit.

Entschieden hat sich der Bürgermeister für den kleinsten wie auch unerfahrensten Partner: Die Rathaus-SPÖ ist beinahe sechsmal so stark wie die Neos, wie Ludwig regelmäßig betont. Nur acht Gemeinderäte stellen die Pinken, 46 Ludwigs SPÖ-Klub. Weder im Bund noch in Wien haben die Neos rund um ihren Spitzenkandidaten, den designierten Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, bereits Regierungserfahrung sammeln können. Mit der übermächtigen Wiener SPÖ steht nun ein äußerst schwieriger Partner bereit.

Herausforderung

Die Neos werden in den kommenden Wochen erst einmal damit beschäftigt sein, sich in den Strukturen des Rathauses und der Dynamik der rot-pinken Koalition zurechtzufinden. Auch das erste pinke Stadtratsressort wird für Wiederkehr eine Herausforderung. Mit seiner Bestellung zum Bildungsstadtrat überließ die SPÖ den Neos deren Wunschressort. Doch bleibt Ludwig die Kontrolle über die Schulen und Kindergärten erhalten – nicht nur in seiner Rolle als Bürgermeister, sondern auch mittels der Wiener Bildungsdirektion, die mit Heinrich Himmer einen roten Direktor hat.

Besonders viel Gegenwind ist – zumindest in der nächsten Zeit – auch von der Opposition nicht zu erwarten. Tief sind die "Risse" bei den Grünen, sagt sogar Landesparteichefin Birgit Hebein. Nach dem Aus von Rot-Grün sind die Funktionäre derzeit eher mit parteiinternen Machtkämpfen beschäftigt als mit der angekündigten "kantigen" Oppositionsarbeit. Auch die Wiener ÖVP dürfte schon einmal geeinter dagestanden sein. Türkis macht momentan eher Schlagzeilen mit gebrochenen Abmachungen und der Suche nach abgetauchten Kandidatinnen als mit Kritik am Koalitionspakt. Und die FPÖ wird sich weiter mit der Frage beschäftigen, wie sie sich von dem Wahldebakel samt einem Minus von mehr als 20 Prozentpunkten erholen kann.

Ludwig hat dadurch in der Anfangsphase leichtes Spiel – mit einer übermächtigen, geeinten SPÖ, einem unerfahrenen Koalitionspartner und drei Oppositionsparteien, die sich erst einmal mit sich selbst beschäftigen werden. (Oona Kroisleitner, 23.11.2020)