Biden ernennt Kerry zum Klimabeauftragten.

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Im Bundesstaat Wisconsin werden die Stimmen noch einmal gezählt. Dass sich am Wahlsieg Joe Bidens etwas ändert, gilt als ausgeschlossen.

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Der Wahlsieg des US-Demokraten Joe Biden im Bundesstaat Michigan ist offiziell bestätigt worden. Nach Tagen der Unruhe zertifizierte das Wahlgremium am Montag den Sieg des 78-Jährigen über Präsident Donald Trump in dem Bundesstaat im Mittleren Westen. Trump prangert seit Wochen angeblichen Wahlbetrug in Michigan und anderen Bundesstaaten an – ohne dafür Beweise vorzulegen. Biden gewann in Michigan mit mehr als 150.000 Stimmen Vorsprung. Trumps Anwälte kündigten aber bereits an, den Rechtsstreit fortzusetzen.

Trump hatte am Wochenende via Twitter die republikanisch geführten Parlamente mehrerer Bundesstaaten dazu aufgefordert, angesichts der angeblichen Fälschungen einzugreifen und ihm entgegen dem Wahlausgang den Sieg und die Wahlleute in ihren Bundesstaaten zuzusprechen. In Michigan hatte einer von zwei zuständigen Republikanern noch angekündigt, das Resultat womöglich nicht beglaubigen zu wollen.

In Pennsylvania, wo kaum Hindernisse erwartet wurden, steht die offizielle Beglaubigung auch noch an. Trumps Anwälte haben ein Berufungsgericht dazu aufgerufen, die Offiziellen in Pennsylvania davon abzuhalten, Biden offiziell als Sieger zu erklären. Die Justiz müsse zuvor "ernste und gut begründete" Betrugsvorwürfe untersuchen.

Kerry im Biden-Team

Indes hat Biden erste Personalentscheidungen bekanntgegeben: Er will den erfahrenen Diplomaten Antony Blinken (Kopf des Tages) zum Außenminister und den früheren Außenminister John Kerry zu seinem Klima-Beauftragten machen. Das teilte Bidens Übergangsteam am Montag mit. Mit Alejandro Mayorkas soll zudem künftig erstmals ein Hispano das Heimatschutzministerium leiten, das unter anderem für Einwanderung zuständig ist.

Die frühere Vizechefin des Geheimdienstes CIA, Avril Haines, soll zudem als erste Frau der US-Geschichte Geheimdienstdirektorin werden, wie Bidens Übergangsteam mitteilte. Sie soll damit künftig die Arbeit aller US-Geheimdienste koordinieren.

Bidens Übergangsteam bestätigte am Montag zudem, dass der 43-jährige Jake Sullivan Bidens Nationaler Sicherheitsberater werden soll. Sullivan war bereits Bidens Sicherheitsberater in dessen Zeit als Vizepräsident. Die Karrierediplomatin Linda Thomas-Greenfield soll Botschafterin ihres Landes bei den Vereinten Nationen werden. US-Medien hatten bereits über die Personalien Blinken, Sullivan und Thomas-Greenfield berichtet.

Laut "Wall Street Journal" soll die ehemalige US-Notenbank-Chefin Janet Yellen als Finanzministerin fungieren. Neben Yellen galten zuletzte auch Fed-Direktorin Lael Brainard, der Chef der Notenbank von Atlanta, Raphael Bostic, und die ehemalige Fed-Direktorin Sarah Bloom Raskin als Anwärter auf den Schlüsselposten.

Erderwärmung ein "dringliches Thema"

Eine Überraschung ist die Ernennung des früheren Chefdiplomaten Kerry zum Klima-Sondergesandten. Der 76-Jährige, der zwischen 2013 und 2017 unter Präsident Barack Obama US-Außenminister war, wird in dieser Funktion dem Nationalen Sicherheitsrat angehören.

"Das ist das erste Mal, dass dem Nationalen Sicherheitsrat ein eigens für den Klimawandel zuständiger Vertreter angehören wird", erklärte Bidens Übergangsteam. Damit bringe der gewählte Präsident zum Ausdruck, dass die Erderwärmung als "dringliches Thema der Nationalen Sicherheit" angesehen werde.

Wer sind die Neuen?

Der 60-jährige Mayorkas wurde auf Kuba geboren. Seine Eltern verließen das Land wenig später nach der Machtübernahme durch Fidel Castro. Er war unter anderem Staatsanwalt in Kalifornien und war bereits stellvertretender Heimatschutzminister in der zweiten Amtszeit von Barack Obama.

Die 68 Jahre alte Diplomatin Linda Thomas-Greenfield war 35 Jahre lang im Außenministerium tätig, zuletzt von 2013 bis 2017 als Afrika-Ministerin. Zudem soll Avril Haines als erste Frau an der Spitze der Nachrichtendienste (Director of National Intelligence, DNI) die verschiedenen US-Geheimdienste koordinieren.

Nicht allen westlichen Diplomaten am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York war Linda Thomas-Greenfield beim Aufkommen der ersten Gerüchte ein Begriff. Aus Kreisen des Sicherheitsrates kamen jedoch erste positive Signale: Die 68-Jährige sei eine erfahrene Berufsdiplomatin mit langjähriger Expertise auch mit den Vereinten Nationen und speziellem Fokus auf Afrika. Dies mache sie bei einer Berufung sofort einsatzfähig.

Mit dem Golfen aufhören?

Während Biden Personalentscheidungen trifft, weigert sich Amtsinhaber Donald Trump weiterhin, seine Niederlage anzuerkennen. Die Übertragung der Amtsgeschäfte wird von ihm boykottiert. Zuletzt wurden jedoch republikanische Stimmen lauter, die Trump zu einer geordneten Amtsübergabe auffordern. Nach elf republikanischen Senatorinnen und Senatoren, die Bidens Wahlsieg anerkannt haben, meldete sich der gemäßigte republikanische Gouverneur von Maryland, Larry Hogan, zu Wort: Er forderte Trump dazu auf, "mit dem Golfen aufzuhören und seine Niederlage einzuräumen". New Jerseys Ex-Gouverneur Chris Christie, der Trump im Wahlkampf noch beraten hatte, bezeichnete Trumps Rechtsberater als "nationale Peinlichkeit". Wenn sie Belege für Wahlbetrug hätten, sollten sie diese präsentieren.

Trump selbst blieb vorerst bei seiner Behauptung, es habe eine "massive Zahl an betrügerischen Stimmen" gegeben, ohne Beweise vorzulegen. Gerichte in mehreren Bundesstaaten haben bereits mehrere Klagen dazu zurückgewiesen. Bei einer Neuauszählung der Stimmen in Georgia wurde Bidens Sieg bestätigt. Und im Bundesstaat Wisconsin, wo ebenfalls noch neu ausgezählt wird, ist nicht mit einer Änderung des Resultats zu rechnen – auch wenn die anwesenden republikanischen Wahlbeobachter laut Medienberichten fast jeden Wahlzettel beeinspruchen und so für viele Verzögerungen sorgen.

Ein lügenhafter, korrupter Drecksack

In Trumps Juristenteam gibt es wohl auch daher immer mehr Unstimmigkeiten. Trump hat erst vor einer Woche seinen Vertrauten, den New Yorker Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani, und die Anwältinnen Jenna Ellis und Sidney Powell damit betraut, nachdem mehrere Kanzleien ihre Arbeit im Auftrag des Präsidenten ruhend gestellt hatten.

Powell ist nun seit Sonntagabend aber schon wieder "nicht mehr im Team des Präsidenten", wie Giuliani via Twitter mitteilte. Zuvor hatte sie auf einer Pressekonferenz unter anderem Venezuelas vor sieben Jahren verstorbenen linken Präsidenten Hugo Chávez als Mitglied einer Verschwörung um Wahlmaschinen genannt, die Stimmen von Trump zu Biden umgeändert hätten. Ellis ist dagegen weiter dabei – obwohl mittlerweile Aussagen aus den Jahren 2015 und 2016 bekannt sind, in denen sie Trump unter anderem als "Faschisten" und als "unethisch, korrupt, lügenhaft, kriminell" sowie als "Drecksack" bezeichnet hatte. (Noura Maan, Manuel Escher, red, APA, Reuters, 24.11.2020)