Mit "viel Lärm um nichts" könnte man den Einsatz am Donnerstagabend zusammenfassen. Denn die Mitglieder des Akademikerbundes konnten ihr Treffen ohne Einschränkung fertig abhalten.

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Für einiges Aufsehen sorgte am Donnerstagabend ein Polizeieinsatz im achten Wiener Gemeindebezirk. 60 bis 70 Personen hatten sich im Kellerlokal des Wiener Akademikerbundes zusammengefunden – mitten im Lockdown. Draußen wurden Straßenzüge abgesperrt, mehrere Mannschaftswägen und teils schwer bewaffnete Polizisten wurden in Stellung gebracht. Unten im Keller bekam man davon angeblich nichts mit.

Der Wiener Akademikerbund war einst eine Art Vorfeldorganisation der ÖVP, allerdings wurden der damalige Obmann Josef Müller und Christian Zeitz aus der ÖVP ausgeschlossen, nachdem Müller in einem Brief an Politiker die Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes, die Streichung des Gleichbehandlungsgesetzes und die Zurücknahme der Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen vorgeschlagen hatte.

Seither machte man mit guten Kontakten zu rechts außen, zu Burschenschaften und regelmäßigen Veranstaltungen mit Gastvorträgen ohne ÖVP weiter. Ein Gastvortrag war auch Teil der Zusammenkunft am Donnerstag, die Obmann Zeitz dem STANDARD als "außerordentliche Generalversammlung" beschreibt. Der Molekularbiologe Jaroslav Belsky war gekommen, um den Anwesenden etwas über Corona zu erzählen. Zudem habe man "dringliche juristische und politische Dinge zu beratschlagen gehabt", sagt Zeitz.

"Nicht ganz geheuer"

Bewohnern des Hauses war das Treiben nicht ganz geheuer, wie sie dem STANDARD erzählen, zumal niemand einen Mund-Nasen-Schutz trug. Die Polizei rückte zunächst mit drei Beamten an. Diese verließen aber nach einem Gespräch, das laut Zeitz höchstens 15 Minuten gedauert hatte, den Keller wieder. Er habe ihnen gesagt, dass die Versammlung laut Paragraf 12 in der am 15. November ausgegebenen Covid-19-Notmaßnahmenverordnung rechtens sei. Dort steht unter Paragraf 12, Absatz 5, dass "unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist", zu den Ausnahmen der Verordnung zählen.

Auf die STANDARD-Frage, ob man sich nicht, wie andere auch, digital versammeln könnte, sagt Zeitz: "Nein, das ist in unseren Statuten gar nicht vorgesehen." Die drei Beamten schickte Zeitz jedenfalls mit dieser Auskunft zu ihrem Vorgesetzten zurück. "Wir konnten unsere Veranstaltung planmäßig mit allen Nachfragen und Beratungen nach ungefähr eineinhalb Stunden beenden", sagt Zeitz zufrieden. Nachsatz: "Der Polizeijurist hat das wohl so gesehen wie wir."

Unbehelligt im Keller

Eine Frau, die auch zur Versammlung wollte und spät dran war, sah dann etwa eine Stunde später das Polizeiaufgebot, das freilich auch Anrainern aufgefallen war. Sie wurde nicht mehr durchgelassen. Im Keller blieb man davon unbehelligt.

Die Landespolizeidirektion Wien ließ den STANDARD auf genaue Nachfrage über den Ablauf des Einsatzes lediglich wissen, dass es einen Einsatz der "Wiener Polizei und der Magistratsdirektion der Stadt Wien" gab: "Im Zuge einer nicht angezeigten Versammlung in Wien 8 haben sich circa 60–70 Personen in einem geschlossenen Raum versammelt. Der Veranstalter (Privatperson) wurde nach dem Versammlungsgesetz und dem Epidemiegesetz angezeigt: Unterlassen der Versammlungsanzeige, Veranstaltung ohne zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze, Veranstaltung mit mehr als sechs Personen, Nichteinhalten des Mindestabstandes, fehlender Mund-Nasen-Schutz", heißt es in der schriftlichen Antwort.

Zeitz geht davon aus, dass er die angezeigte Person ist, da sonst von niemandem die Personalien aufgenommen wurden. Abgesehen von den ersten drei Beamten habe sich niemand in den Keller begeben.

"Große Gelassenheit"

"Ich sehe der Anzeige mit großer Gelassenheit entgegen, ich würde mich sogar freuen, sie bis zum Obersten Gerichtshof durchzukämpfen", meint Zeitz. Man werde sich auch weiter "intensiv mit dem Corona-Regime der Bundesregierung, das unsere Verfassung zerstört, beschäftigen". In welchem Rahmen man das mache, wisse er nicht: "Eine für 1. Dezember geplante Veranstaltung, die unter diesem Maßnahmenregime nicht möglich wäre, werden wir verschieben."

Verzerrung der Wahrheit

Ob Zeitz die Pandemie nicht ernst nehme? "Ich bin nicht der Meinung, dass das keine Krankheit ist und dass es nicht zu gefährlichen Verläufen kommen kann, aber es ist nicht weit von einer herkömmlichen Influenza entfernt. Was behauptet wird, ist eine Verzerrung der Wirklichkeit." Es gebe auch genug Betten in Spitälern. Gefragt, ob er selbst Mediziner sei, verneint Zeitz, er habe aber einst seinen schwer kranken Vater gepflegt und daher "Einblick in die Intensivmedizin".

Anrainer des Lokals des Akademikerbundes sehen das Kommen und Gehen, das auch im Lockdown dort herrscht, jedenfalls mit Besorgnis. "Für die müssen doch die Gesetze genauso gelten wie für alle anderen", so ein Nachbar zum STANDARD. (Colette M. Schmidt, 23.11.2020)