Dass den Krater Gale einst ein großer See bedeckte, wird schon länger angenommen. Sedimente weisen nun auf eine regelrechte Sintflut hin.
Illustr.: Kevin Gill

Über die Existenz von Wasser auf dem Mars wird seit Jahrhunderten spekuliert. Frühe Beobachtungen mit Teleskopen lieferten Hinweise auf Eiskappen an den Polen des Roten Planeten, die sich letztlich auch als real herausstellen sollten. Die erstmals 1877 vom italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli vermeintlich wahrgenommenen Marskanäle entpuppten sich hingegen als optische Täuschungen. Nichtsdestotrotz haben in den letzten zwei Jahrzehnten die Rover Sojourner, Spirit, Opportunity und Curiosity sowie zahlreiche Sonden wie Mars Express, Mars Reconnaissance Orbiter oder Mars Odyssey wertvolle Daten geliefert, die tatsächlich auf vergangenes oder sogar heute noch vorhandenes flüssiges Wasser schließen lassen.

Marssedimente im Fokus

Vor allem Curiosity hat seit der Landung im August 2012 auf seiner bisher rund 20 Kilometer langen Fahrt durch den Krater Gale viele Indizien für frühere Gewässer gesammelt. Eine besondere Rolle spielen dabei die etwa 400 Meter Sedimentgestein, die der Rover in den vergangenen acht Jahren näher in Augenschein genommen hat. Einige davon reichen in jene Ära vor 3,7 bis 4,1 Milliarden Jahre zurück, in der der Mars noch über eine dichtere Atmosphäre und ein feuchtes Klima verfügt hat.

Im Krater Gale haben vor Milliarden Jahren Sturzfluten gewütet, schlossen Geologen aus Sedimentformationen, die Curiosity abgelichtet hat. Die schwarze Ellipse zeigt die Landezone des Nasa-Rovers an.
Foto: NASA/JPL-Caltech/ESA/DLR/FU Berlin/MSSS

Ein Forscherteam um Ezat Heydari von der Jackson State University in Jackson, Mississippi, hat Aufnahmen von diesen Sediment untersucht, um mehr über die geologischen Prozesse zu erfahren, die diese Gesteine vor Milliarden von Jahren geformt haben. Dabei identifizierten die Forscher vier Zonen, die unterschiedliche Ablagerungsarten repräsentieren, aber allesamt auf Einflüsse durch Wasser zurückzuführen sind. Einer dieser Sedimentbereiche, von den Nasa-Wissenschafter "Hummocky Plain Unit" bezeichnet, besteht aus einem Konglomerat aus Körnern und rund geschliffenen Steinen, die Durchmesser von bis zu 20 Zentimetern erreichen.

Von Strömen geformt

Die Curiosity-Bilder zeigen darüber hinaus riesige wellenförmige Strukturen in den Sedimentschichten des Gale-Kraters. Höheninformationen, die ein topografisches Profil der Oberfläche erlauben, weisen auf vielfach asymmetrische Grate und Ablagerungen hin. "All das spricht dafür, dass diese Sedimente von in eine Richtung fließenden Strömen geformt worden sind", sagt Heydari. Mehr noch: Die Kräfte, die dabei am Werk waren, dürften nach Meinung der Wissenschafter gewaltig gewesen sein. Offensichtlich habe man es hier mit den Spuren enormer Sturzfluten zu tun.

Eine geologische Karte der Landezone von Curiosity. Jene Gesteine, die die Forscher "Hummocky Plains" getauft haben, weisen auf heftige Überflutungen hin.
Grafik: Nasa/Geological Society of America

Parallelen zur Erde

"Wir glauben, dass wir damit erstmals Spuren von 'Megafluten' auf dem Mars identifiziert haben", erläutert Alberto G. Fairén, Koautor der im Fachjournal "Scientific Reports" erschienenen Studie." Derartige Ablagerungen von riesigen Fluten haben wir in den Daten der Mars-Orbiter bislang noch nicht gesehen", so der Astrobiologe von der Cornell University weiter. Heydari und seine Kollegen sehen hier frappierende Ähnlichkeiten mit Strukturen auf der Erde, die von schmelzendem Eis verursacht wurden, etwa den Channeled Scablands im US-Bundesstaat Washington. Diese Landschaft entstand am Ende der letzten Kaltzeit vor rund 15.000 Jahren durch die sogenannten Missoula-Fluten, großflächigen Überflutungen als Folge des wiederholten, katastrophalen Abflusses einer Reihe von Eisstauseen.

Anhand der Gegenüberstellung von diesen und anderen terrestrischen Formationen und den entsprechenden Ablagerungen im Gale-Krater müssen die Flüsse, die diese Sedimente geschaffen haben, mindestens zehn bis 20 Meter tief gewesen sein, schätzen die Wissenschafter. "Das ist einer der Gründe, warum ich sicher bin, dass diese Ablagerungen eher mit großen Überschwemmungen als mit einem kleinen Fluss zusammenhängen", sagt Heydari.

Die Ähnlichkeiten zwischen terrestrischen (rechts) und marsianischen Gesteinsablagerungen, die mit Wasser in Zusammenhang stehen, sind augenfällig.
Foto: Nasa

Aber wie ist es zu diesen katastrophalen Fluten gekommen? Auch dazu haben die Forscher eine Theorie. Sie vermuten, dass Asteroideneinschläge das unter der Marsoberfläche gebundenes Eis aufschmolzen und so die Sturzfluten ins Innere des Gale-Kraters verursacht haben. Die Einschläge dürften wohl auch Kohlendioxid und Methan aus den gefrorenen Reservoiren des Mars freigesetzt haben. Diese Gase könnten dann gemeinsam mit größeren Mengen an Wasserdampf zu jenen kurzen Perioden warmer und feuchter Bedingungen auf dem Mars geführt haben, die schon seit längerem angenommen werden, so die Wissenschafter.

Enorme Wassermassen

Die dichten Wolken, die sich aus dem kondensierten Wasserdampf bildeten, verursachten schließlich womöglich sogar planetenweite schwere Regenfälle, die die Wasserfluten zusätzlich verstärkten. "Das Wasser, das durch die Kraterwände in den Gale-Krater einbrach, kombiniert mit den Regenwassermassen, die vom Zentralberg des Kraters herabschwemmten, führte am Kraterboden zu enormen Sturzfluten, deren Spuren wir heute noch im Gale-Krater finden", sagt Heydari. Diese Parallelen zwischen dem damaligen Mars und der Erde während des Pleistozän könnten vor allem eines bedeuten: Dass potenzielles Leben auf unserem Nachbarplaneten zumindest vorübergehend gute Bedingungen vorgefunden hat. (tberg, 3.1.2021)