Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bleibt dabei, dass der Rohrer-Bericht "kein Versagen" seiner Behörden festgestellt habe. Dennoch finden umfassende Reformen statt.

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Die Vorschläge der Tiroler Expertenkommission will das Gesundheitsministerium unter Rudolf Anschober (Grüne) erst nach der Corona-Pandemie im Detail umsetzen.

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"Wir sperren im Winter auf", gab Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Montag vergangener Woche bekannt. Selbst wenn die Infektionszahlen bald wieder im erträglichen Bereich sein sollten, stellt sich die Frage, wie Skifahren in Corona-Zeiten überhaupt möglich sein kann. Abstands- und Hygieneregeln bei Gedrängel vor und in den Liftanlagen stellen eine Herausforderung dar, wie Bilder im Oktober gezeigt haben. Aber konkret geht es auch um den Ernstfall: Was passiert, sollte es wieder zu lokalen Clustern in Skiorten wie etwa im März in Ischgl kommen und sollte ein ganzes Tal unter Quarantäne gestellt werden müssen?

Konkrete Vorschläge dafür gibt es, etwa von der Expertenkommission, die das Tiroler Krisenmanagement in der Corona-Krise und die Vorfälle in Ischgl untersucht hat. Insgesamt erarbeitete die Kommission 34 Empfehlungen an das Land und seine Behörden. Diese umfassen das Katastrophen- und Krisenmanagement, Änderungen für einen sichereren Wintertourismus und die innere Organisation des Landhauses. Die Umsetzung aller Empfehlungen hat das Land Tirol am Tag der Präsentation beschlossen, und zwar mit höchster Dringlichkeit. STANDARD-Recherchen zeigen, dass das Land Tirol knapp zwei Monate später wichtige Eckpunkte der angekündigten Reformen bereits eingeleitet hat, konkrete Schritte aber teils noch schuldig bleibt.

Katastrophenschutzzentrum

So etwa beim geplanten Krisen- und Katastrophenmanagementzentrum. Unter einem Dach sollen die Kompetenzen gebündelt und die Behörden für allerlei Krisenszenarien vorbereitet werden. Mittlerweile wurde auch eine Ausschreibung für dessen Leitung veröffentlicht, die mit 1. Februar ihre Arbeit beginnen soll.

Dies ist zwei Monate hinter jenem Zeitplan, den sich die Tiroler Landesregierung am Tag der Präsentation selbst gegeben hat. Im betreffenden Regierungsbeschluss steht, dass die Einrichtung des Zentrums mit Ende November abgeschlossen und ein neuer Landeskoordinator bestellt sein soll.

Neue Gesundheitsdirektion

Ähnlich bei der geplanten Landesdirektion für Gesundheit: Auch dort soll die Arbeit laut Ausschreibung erst mit Anfang Februar beginnen. Laut Regierungsbeschluss wäre diese Maßnahme allerdings auch bis Ende November umzusetzen.

Die neue Gesundheitsdirektion soll Kompetenzen zentral bündeln und die Landessanitätsdirektion sowie das Amtsarztwesen evaluieren. Die Expertenkommission kritisierte in ihrem Bericht, dass sich der Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber fälschlicherweise lediglich als Gutachter sah, die Amtsärzte seine Auskünfte aber richtigerweise als Anweisung verstanden haben. Damit hätten sich die Amtsärzte auf Katzgrabers "verhängnisvolle Aussagen" verlassen, wonach eine Ansteckung in Tirol im Allgemeinen und in einer Ischgler Bar im Speziellen "unwahrscheinlich" war.

Gut Ding braucht Weil

Spricht man mit Experten, die mit den Reformen vertraut sind, ist zu hören, dass derart umfassende Umstrukturierungen eben Zeit bräuchten und in Zeiten der zweiten Corona-Welle alles an Personal mit den täglichen Herausforderungen beschäftigt sei.

Im Detail wollte das Land Tirol auf Nachfrage nicht über die beschlossenen Schritte informieren. So stellt sich für die noch zu erwartenden Urlauber zumindest die Frage, ob etwa Evakuierungspläne für abgelegene Täler bereits erstellt wurden. Laut Regierungsbeschluss hätten Katastrophenschutzpläne auf Gemeinde- und Bezirksebene bis Ende November erweitert werden sollen.

Personalrochaden erwartet

Aus dem Landhaus ist allerdings zu hören, dass viele Empfehlungen der Rohrer-Kommission, etwa eine detailliertere Dokumentations- und Berichtspflicht, bereits in die Praxis umgesetzt wurden. Sobald mit Februar die neuen Strukturen greifen, soll es auch zu personellen Veränderungen innerhalb der neuen Abteilungen kommen. Katzgraber gilt als Ablösekandidat.

Offiziell will das Land Tirol aber keine personellen Konsequenzen ziehen. Nicht müde wird es aber zu betonen, dass es "kein Versagen der Tiroler Verwaltungsbehörden" gegeben habe. Die Rohrer-Kommission kritisierte allerdings, dass der Landesamtsdirektor mit Aufgaben "überfrachtet" wurde und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) seine politische Verantwortung nicht wahrnahm. Nicht nur das: Ohne Rechtsgrundlage delegierte er die Vollziehung des Epidemiegesetzes an den Landesamtsdirektor. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurde etwa das Paznauntal unter chaotischen Umständen unter Quarantäne gestellt.

Anschober wartet bis Ende der Krise

Auch das Gesundheitsministerium von Rudolf Anschober (Grüne) als oberste Vollzugsbehörde wurde im Expertenbericht aufgerufen, das Epidemiegesetz aus dem Jahr 1950 zu modernisieren und endlich einen aktualisierten Pandemieplan zur Verfügung zu stellen. Dies sei aus "politischen Gründen" noch nicht geschehen, sagte ein Verantwortlicher im Ministerium damals zur Rohrer-Kommission.

Diese politischen Gründe erklärt sich das Ministerium auf Nachfrage mit der "stetig wechselnden politischen Verantwortung" im Ressort durch Anschobers Vorgänger. Der grüne Minister will nach der Corona-Pandemie das Epidemiegesetz anpassen und den Pandemieplan, der bislang nur auf die Influenza ausgerichtet war, "auf völlig neue Beine stellen". Dieser sei in der Finalisierung, heißt es aus dem Ministerium. Konkreter wurde man aber auch hier nicht. (Laurin Lorenz, 30.11.2020)