Ein knappes halbes Jahr ist seit Ende des ersten Lockdowns vergangen. Damals im März wurden wir in allen Lebensbereichen überrumpelt. Auch in der Schule fehlte es an vielem: Vorbereitungszeit, technischer Ausstattung und Know-how. Es war für alle Beteiligten ein Sprung ins kalte Wasser. Anders als damals kam der zweite Lockdown und die damit einhergehenden Schulschließungen für die meisten nicht wirklich überraschend. Doch was haben Schulen und Lehrkräfte wirklich dazugelernt, wie wurden Kinder auf das Homeschooling vorbereitet, welche Baustellen bestehen nach wie vor und wie steht es um die Arbeitsmotivation im zweiten Lockdown? Wir haben uns unter Lehrkräften umgehört. So viel können wir schon verraten: Wieder ist das Gelingen vor allem dem Einsatz einzelner Lehrkräfte und Schulleitungen zu verdanken, strukturelle Unterstützung “von oben” gibt es nach wie vor kaum.

Was unterscheidet für dich den zweiten vom ersten Lockdown? Was hat deine Schule aus dem ersten Lockdown gelernt?

Alice K.: Seit dem ersten Lockdown wurde bei uns an der Schule viel umgestellt. Wir hatten dank des letzten Lockdowns endlich einen Digitalisierungsschub und jede Klasse hat jeweils drei Laptops und einen Beamer erhalten. Zusätzlich haben wir uns auf eine E-Learning-Plattform einheitlich geeinigt – alle (sollten) Google Classroom verwenden. Jede Schülerin, jeder Schüler hat zu Schulanfang auch eine eigene Schul-Email-Adresse erhalten. Während einige Lehrkräfte ab Schulanfang die meisten Hausübungen, Aufgaben und Benotungen nur noch über Google Classroom gemacht haben, wurden andere von diesem zweiten Lockdown komplett überrascht und sind gerade erst dabei den Kindern (und sich selbst) beizubringen, wie man sich jetzt eigentlich anmeldet. Hier hätte meiner Meinung nach die Direktion mehr dahinter sein müssen! In meiner Klasse haben wir in allen Fächern alle Aufgaben und Benotungen seit Schulanfang nur noch über Classroom gemacht, sowie auch die Abgabe der Hausübungen online ermöglicht. Für meine Kinder ändert sich die Arbeitsweise nicht, sondern nur noch, dass die Input- und Fragestunden online stattfinden. Die meisten andere Routinen, sowie Arbeitsweisen wie Wochenpläne, können weitergeführt werden wie bisher. Es gibt bei uns einen täglichen Login um 9 Uhr in einem Videocall, wo sich alle Schülerinnen und Schüler einloggen und der Tagesplan besprochen wird. Zusätzlich gibt es Check-in-Stunden in allen Fächern, wo die jeweiligen Fachlehrer und Fachlehrerinnen für Fragen online immer zur Verfügung stehen.

Pia P.: Der Lockdown zwei war sehr gut vorbereitet an unserer Schule. Bereits zu Schulbeginn haben wir uns für die Lernplattform entschieden, die digitale Kommunikation für die Eltern eingerichtet und etabliert. In den letzten zwei Wochen liefen meine Aufgabenstellungen, Abgaben und Korrekturen online ab. Die Schülerinnen und Schüler konnten sich an die Form der Zusammenarbeit gewöhnen und Probleme haben wir vorab gelöst. In meinen Klassen richteten wir bereits im ersten Lockdown vor Ostern eine Lernplattform und Videounterricht ein, jedoch war es sehr kompliziert die individuellen technischen Probleme, das Kennenlernen und das Verständnis für die Technik von zu Hause aus zu lösen. Beim ersten Lockdown haben wir für die Schülerinnen und Schüler ohne Endgerät Handys organisiert. Diesmal sind die Schülerinnen und Schüler schon besser vorbereitet und nur wenige brauchen ein zusätzliches Endgerät. Die gesamte Schule arbeitet jetzt über eine Plattform, das macht es Kolleginnen und Kollegen, die in allen Stufen arbeiten, leicht. Unsere Direktorin hat den finanziellen Schritt gewagt, Endgeräte für alle Kolleginnen und Kollegen, die eines benötigen, zu besorgen und das trotz der geringen finanziellen Mittel.

Fabian G.: Was auffällt ist, dass alle Schülerinnen und Schüler nun auf einer Plattform (Moodle) Zugänge haben und eingeschult sind, weil dies schon vorab im Unterricht eingeübt wurde. Es gibt Klassenkurse, von denen die einzelnen Fachkurse zu erreichen sind und zudem die Videostunden koordiniert, sowie Streaminglinks angelegt sind. Zudem haben die Schülerinnen und Schüler dort einen Überblick, was bis wann in welchem Fach zu erledigen ist. Die Kommunikation läuft auch über Moodle. Da alle auch die App am Handy haben, können die Lehrfilme direkt dort angeschaut werden und die Arbeitszeit am Computer und Laptop somit verringert werden, dies war ja im ersten Lockdown auch eine Engstelle. Auch die Lehrkräfte sind organisierter mit Moodle, jeder hatte zuvor eine Einschulung erhalten. Zudem wurde jede zweite Klasse mit Webcams ausgestattet, sodass ein Unterrichts-Live-Streaming möglich ist. Die Hauptgegenstände müssen mindestens einmal pro Woche eine Onlinestunde anbieten. Das aufgestockte vierköpfige IT-Team unterstützt dabei kompetent die anderen Lehrenden.

Laura O. und Barbara V.: Nach dem Ende des letzten Lockdowns war bei einigen Lehrenden unserer Schule die Motivation, den Unterricht generell digitaler zu gestalten, groß. Doch sehr schnell hat sich wieder die althergebrachte analoge Routine eingeschlichen. Eine schulinterne Lehrerfortbildung zum Programm MS Teams vor einigen Wochen hat einigen diesen Vorsatz wieder in Erinnerung gerufen. Im Unterschied zum ersten Lockdown sind viele Lehrkräfte-Teams diesmal strukturierter und besser vernetzt. Es wird nun auch darauf geachtet, den Gesamtaufwand der Schülerinnen und Schüler im Blick zu behalten, indem sich die einzelnen Fachlehrkräfte besser austauschen. Außerdem löst MS Teams schrittweise die Kommunikation via WhatsApp ab. Während wir für unsere Klasse im ersten Lockdown tägliche Zoom-Unterrichtsstunden gehalten haben, haben wir uns dieses Mal dafür entschieden, die Möglichkeit der “Lerngruppen” vor Ort zu nutzen. In Kleinstgruppen kommt nun jedes Kind einmal pro Woche für drei Stunden (Englisch, Mathematik und Deutsch) in die Schule. Einerseits ist das für die Kinder eine willkommene Abwechslung und andererseits stellen wir fest, dass der Lerneffekt und die Nachhaltigkeit einer Stunde realen Unterrichts wesentlich größer ist als online. Für die übrigen Schultage haben die Kinder einen Arbeitsplan, der Aufgaben für alle Fächer enthält, die innerhalb einer Woche abgegeben werden müssen.

Dominik E.: Im Vergleich zum Frühjahr ging unsere Schule fast entspannt in den Lockdown. Einige Lehrende nutzten die Zeit seit Schulbeginn, um die Google Suite for Education (und damit Google Classroom, einheitliche Email-Adressen für Schülerinnen und Schüler, Chat-Funktionen, et cetera) und SchoolFox für die digitale Kommunikation mit den Eltern zu ermöglichen. Die Kollegschaft wurde bereits im Vorfeld eingeschult, erstellen nun eigenständig Aufgaben über Google Classroom oder halten ihre Stunden zum Teil mit großer Begeisterung online ab.

Lukas Z.: Der primäre Unterschied zum ersten Lockdown im März besteht an unserer kleinen, feinen Landschule (der nördlichsten Mittelschule Österreichs) darin, dass sich auch die letzten Arbeitsblattfanatikerinnen und -fanatiker mittlerweile tränennassen Auges – und sich leise seufzend in Resignation hüllend – mit der ausschließlich digitalen Kommunikation zwischen ihrer (Lehr-)Person und den Schülerinnen und Schüler abgefunden haben. Als neues Selbstverwirklichungsfeld wurde nun die Videokonferenz via MS Teams entdeckt. Dass diese Vorliebe allerdings zu Spitzenzeiten die Internetverbindung unserer Schule (in der allerdings ohnehin nur etwa 15 Prozent der Kinder anwesend sind) zum Schwächeln oder kompletten Erliegen bringt, sei hier lediglich als Randnotiz vermerkt.

Viele Kinder haben zuhause keinen Rückzugsort, wo sie in Ruhe lernen können.
Foto: REUTERS/Lindsey Wasson

Johannes M.: Im Vergleich zu Lockdown eins waren wir diesmal einfach viel besser vorbereitet. Im Prinzip haben wir unsere Kinder schon seit September auf diesen Fall vorbereitet. Im September ist unsere ganze Jahrgangsstufe mit Laptops ausgestattet worden und wir sind darauf übergegangen, Hausaufgaben digital zu verschicken und anzunehmen. Auch im Unterricht haben wir die Laptops der Kinder verstärkt eingesetzt. Deshalb waren die ganzen technischen Schwierigkeiten oder unzulängliche Ausstattung (mit Ausnahme des Wlan) diesmal kein Thema. Dazu haben wir mit den Kindern schon sehr früh besprochen, dass, sollte ein zweiter Lockdown kommen, sie nach Stundenplan arbeiten müssen. Wir schauen diesmal sehr genau darauf, dass die Kinder wirklich schon ab 8 Uhr an ihren Geräten arbeiten. Mathe, Deutsch und Englisch unterrichten wir jeweils viermal die Woche pro Klasse online, wobei für alle Anwesenheitspflicht gilt. Die Aufgaben in den Nebenfächern sollen sie nach Möglichkeit auch in den nach Stundenplan dafür vorgesehenen Stunden erledigen.

Susanne B. : Ich habe mich beim zweiten Lockdown bewusst für die Betreuung an der Schule entschieden. Ich verbringe die Zeit mit den Schülerinnen und Schüler, die spätestens seit dem ersten Lockdown wissen, dass es ihnen vor Ort besser geht. Manche wären den ganzen Tag alleine zuhause, weil ihre Eltern arbeiten müssen. Andere brauchen unsere Unterstützung und ein paar wenige sind auf Empfehlung ihrer Lehrerinnen und Lehrer da. Seit dem Lockdown waren immer zwischen 20 und 30 Schülerinnen und Schüler anwesend. Deutlich mehr als im Frühjahr, wo maximal zehn zur gleichen Zeit in der Schule waren. Wobei damals, zumindest am Anfang des Lockdowns, nur jene Schülerinnen und Schüler kommen sollten, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten. Im ersten Lockdown habe ich die Schülerinnen und Schüler nahezu ausschließlich von zuhause betreut. Klar, ich habe viele von ihnen erreicht. Dennoch hatte ich das Gefühl unendlich weit weg von der Schule zu sein.

Reza D.: Das Schuljahr startete bei uns schon mit der Vorkehrung für ein erneutes Distance Learning. So wurde geschaut, dass sich alle (neuen) Schülerinnen und Schüler mit Microsoft Teams vertraut machen und über entsprechende Gerätschaften wie Kameras oder Mikrofone verfügen. Darüber hinaus wurde versucht, Leihgeräte für jene zu organisieren beziehungsweise zu beschaffen, die zu Hause über gar keine oder zu wenige verfügten. Und vor den Herbstferien waren alle aufgefordert, ihre Schul- und Arbeitssachen mitzunehmen. Denn die Möglichkeit eines erneuten Lockdowns wurde greifbar. Nach den Herbstferien setzte in allen Oberstufen das Home-Learning ein.

Im Vergleich zum ersten Mal mache ich zwei Unterschiede fest. Erstens: Lag im Frühjahr die Wahl der Plattform bei den Lehrkräften, müssen diesmal alle mit Teams arbeiten. Hier fand somit eine Vereinheitlichung statt. Die, wie alles, Vor- und Nachteile besitzt. Ich persönlich arbeite in weiten Teilen sehr gerne mit Teams und würde allein bei den Telefonkonferenzen gerne auf Zoom ausweichen. Zweitens: Richteten sich im Frühjahr die Aufgaben an die Wochenstunden, aber nicht selbst an den Stundenplan, müssen wir diesmal minutiös nach diesem unseren Online-Unterricht halten. Der Vorteil: Es wird ein enger Kontakt mit den Schülerinnen und Schüler gepflegt und sie erhalten eine Tagesstruktur. Mich persönlich beschäftigt am meisten die Raumsituation vieler meiner Schülerinnen und Schüler. Gerade in den Telefonkonferenzen höre ich alltäglich, dass viele keinen Rückzugsort haben, wo sie in Ruhe und im Privaten arbeiten können. Umso perfider klingt die Anmerkung des Bildungsministers, man soll Spiel- und Arbeitsbereich trennen. Zu guter Letzt ist im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen zu bemerken, dass vor allem die mangelnde Information der Regierung sowie der nicht vorhandene Mut seitens des Bildungsministeriums, innovative und neue Ideen/Projekte/Unterrichtsformen/Räume et cetera auszuprobieren, zur Weißglut treibt! Eine Pressekonferenz reiht die nächste, doch die Informationen und Lösungsansätze gehen über reinen Populismus nicht hinaus. Dabei gäbe es so viele kluge und gute Alternativen! Dazu müsste man aber zuhören wollen.

Lena L.: Man hat durchaus gemerkt, dass wir auf diesen Lockdown besser vorbereitet waren, als auf den letzten. Obwohl es für Landesschulen in Wien noch immer nicht flächendeckend Endgeräte für die Schülerinnen und Schüler gibt und das in unserer Brennpunktschule ein relativ großes Problem ist, konnten wir zumindest kurzfristig noch Laptops für die Schülerinnen und Schüler bestellen, die gar keinen anderen Zugang zu Internet haben. Diese wurden dann gleich geliefert und konnten von den betroffenen Schülerinnen und Schüler mit nach Hause genommen werden. Dadurch, dass diesmal oft betont – und so auch von den Medien kommuniziert wurde -, dass die Schulen diesmal „wirklich offen“ hätten, herrscht auch weniger Druck auf den Schülerinnen und Schüler und uns, weil wir wissen, wenn es ihnen zuhause schwer fällt zu arbeiten, können sie jederzeit problemlos in die Schule kommen und werden dort unterstützt. Die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen der Betreuung in der Schule und den Lehrenden, die von zuhause via Videokonferenz unterrichten, ist dieses Mal auf jeden Fall besser.

Sophia L.: Der erste Lockdown kam sehr überraschend und ohne jegliche Vorbereitung. Wir starteten in unserem Jahrgang mit Google Classroom, was wir während der Osterferien auf unsere gesamte Schule ausweiteten. Bereits seit des Schulstarts im September führt jede Klasse alle Aufgaben auch auf Google Classroom, die Schülerinnen und Schüler mussten somit täglich damit arbeiten und brauchten keine Einführung/Erklärung mehr. Nächste Woche holen wir jene Schülerinnen und Schüler in die Schule, die zu Hause die Aufgaben nicht (gut) bewältigen können, um sie zusätzlich zu unterstützen. Eine wichtige Maßnahme, die den zweiten Lockdown erheblich erleichtert. Dennoch stellt dieser uns vor neue Herausforderungen, die Müdigkeit ist deutlich zu spüren – und Fragen tauchen bei uns und vor allem bei den Kids auf: „Wie lange wird uns das noch begleiten?“ „Wird es nach dem Lockdown Sicherheitsvorkehrungen geben und wie werden diese kommuniziert?“ „Wann werden wir wieder normal Unterricht haben?“

(Alice K., Pia P., Fabian G., Laura O., Barbara V., Dominik E., Lukas Z., Johannes M., Susanne B., Reza D., Lena L., Sophia L.*, 26.11.2020)

Alice K., 28, unterrichtet seit 2 Jahren an einer MS in Wien

Pia P., 32, lehrt seit 4 Jahren an einer MS in Wien.

Fabian G., 44, unterrichtet seit 5 Jahren eine Unterstufe und einen Hort in Wien. 

Laura O., 30, und Barbara V., 31, unterrichten seit 5 Jahren an einer MS in Wien.

Dominik E., 29, unterrichtet seit 3 Jahren an einer MS in Niederösterreich.

Lukas Z., 54, ist seit 30 Jahren Lehrer und unterrichtet im Waldviertel an einer MS.

Johannes M., 39, unterrichtet seit 5 Jahren an einer MS in Wien. 

Susanne B., 58, lehrt seit 26 Jahren an einer MS in Wien. 

Reza D., 31, unterrichtet seit 2 Jahren an einer BHAK in Wien. 

Lena L., 25, ist seit 3 Jahren an einer MS in Wien. 

Sophia L., 27, und ist seit 4 Jahren Lehrerin an einer MS in Wien.

*Pseudonyme, Namen der Redaktion bekannt

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