Die 41-jährige Designerin Stella Jean gehört zu den treibenden Kräften der Black-Lives-Matter-Bewegung der italienischen Modeindustrie.

Foto: Stella Jean, Eugenio D’Orio

Volantröcke, Waxstoffe, flirrende Muster, die Mode der italienischen Designerin Stella Jean ist zugänglich und gut verkäuflich. Im vergangenen Jahr schrieben die Magazine allerdings weniger über Jeans Label als über ihr gesellschaftliches Engagement.

Die 41-jährige Tochter eines Italieners aus Turin und einer gebürtigen Haitianerin konfrontiert die italienische Modeindustrie mit unangenehmen Fragen, spätestens seit den weltweiten Black-Lives-Matter-Protesten ist auch die Modebranche gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen.

Warum bin ich eigentlich das einzige schwarze Mitglied der Camera della Moda, fragt Stella Jean zum Beispiel. "Mehr denn je werden die Laufstege und Werbestrecken heute mit schönen schwarzen Körpern und Models gefüllt, hinter den Kulissen aber sieht die Sache völlig anders aus", erklärt die Designerin.

"Hunderte Versprechungen" hätten die Modemarken im Sommer nach den Protesten gemacht. Doch wenn man mit italienischen Modehäusern darüber sprechen wolle, wie es um die Vielfalt der Belegschaft bestellt sei, dann wollten die nicht reden, erklärt sie.

Ihre Mode? Farbenfroh und unkompliziert.
Foto: Stella Jean, Eugenio D’Orio

Untypischer Werdegang

Die 41-Jährige sitzt mit Einwegmaske vor einem Laptop, sie promotet als Botschafterin den Lavazza-Kalender für 2021. Stella Jean, 1979 in Rom als Stella Novarino geboren, ist mittlerweile gut im Geschäft, ihr Label erwirtschaftet jährlich einen einstelligen Millionengewinn.

Ihr Werdegang? Untypisch. Die Italienerin ist Quereinsteigerin, allerdings eine mit den besten Voraussetzungen. Stella Jean studierte einige Semester Politikwissenschaft in Rom. Vater, ein Juwelier, und Mutter, Tochter eines haitianischen Botschafters in Rom, legten über den illustren Freundeskreis Kontakte in die Welt der Mode.

Während Stella Jean für den Modedesigner Egon von Fürstenberg, den Schweizer Ex-Mann von Diane von Fürstenberg, modelte, entschied sie: Ich will nicht mehr modeln, sondern Mode machen. In die Branche katapultierte sich die Selfmade-Designerin über einen Nachwuchspreis. Nach dem dritten Anlauf beim "Who Is On Next?"-Wettbewerb der italienischen Vogue waren ihre Entwürfe, ihr Mix aus "Wax und Stripes", aus afrikanischen Baumwollstoffen mit Batikdruck und italienischen Herrenhemdstreifen, erfolgreich.

Wenig später hatte die Designerin einen prominenten Unterstützer: Im Herbst 2013 zeigte sie ihre Mode in Giorgio Armanis Teatro. Für die Kollektion hatte sie sich mit lokalen Webereien und Stickereien aus Burkina Faso zusammengetan. Das kam in der Modewelt an. Modejournalistin Suzy Menkes, damals Mitglied der Jury, urteilte: "Ihre farbenfrohen Kleider sind von innen wie außen schön", damit spielte sie auf die Zusammenarbeit mit jenen Handwerksbetrieben aus aller Welt an, an denen Stella Jean bis heute festhält.

Erfahrung von Ausgrenzung

Die Designerin nimmt ihr Engagement ernst, trotz aller Privilegien habe sie als Kind immer wieder das Gefühl erfahren, nicht dazuzugehören, in den unterschiedlichsten Situationen die einzige Schwarze zu sein. Im Juni stand die Designerin während der Black-Lives-Matter-Proteste in Rom auf der Piazza del Popolo, heute gehört Stella Jean gemeinsam mit dem afro-amerikanischen Designer Edward Buchanan und Michelle Ngonmo, Gründerin der Afro Fashion Week in Mailand, zu den treibenden Kräften hinter der Black-Lives-Matter-Bewegung der italienischen Modeindustrie.

Erste Erfolge können verbucht werden. Im Herbst zeigten fünf Designer of Color unter dem Slogan "We Are Made in Italy" während der Mailänder Modewoche eine digitale Präsentation, Jean stieß einen Thinktank an, an dem große Marken wie Armani, Gucci, Prada und Valentino unter Ausschluss der Öffentlichkeit teilnahmen.

"Insbesondere italienische Modeunternehmen haben ein großes Problem mit kultureller Aneignung", erklärt sie. Und: Mit dem "Safari-Blick auf andere Kulturen" müsse Schluss sein: "Afrika ist kein Süßwarenladen, dessen man sich ohne weiteres bedienen kann."

Ob sie sich als "politische Designerin" versteht? Nein, nein, wehrt Stella Jean ab. "Ich setze mich für Bürgerrechte ein, bin aber ,apartitico‘, unparteiisch." Botschafterin trifft’s wahrscheinlich besser. (Anne Feldkamp, RONDO, 2.1.2020)