Die Medien gelten als die informelle vierte Macht im Staat. Sie besitzen zwar keine eigene Gewalt zur Änderung der Politik oder zur Ahndung von Machtmissbrauch. Das politische Geschehen wird aber sehr wohl durch Berichterstattung und öffentliche Diskussion beeinflusst. Umgekehrt ist es für Politiker wichtig, ihrerseits die Berichterstattung – Stichwort Message Control – zu ihren Gunsten zu gestalten.

Einer der ersten Politiker in Österreich, der die Bedeutung der Medien nicht nur erkannte, sondern auch systematisch und strategisch für sich zu nutzen wusste, war Bruno Kreisky, Österreichs sozialdemokratischer Bundeskanzler von 1970 bis 1983. Entsprechend richtete die SPÖ unter Kreiskys Führung 1973 eine eigene Stelle für Medienbeobachtung und Medienauswertung ein, um besser über die öffentliche Meinungsbildung informiert zu sein und um gegensteuern zu können.

Insgesamt 600.000 Datensätze

Im Laufe der 23 Jahre ihrer Existenz wuchs diese Datenbank auf 600.000 Datensätze an. Beobachtet und archiviert wurden dabei nicht nur Berichte in den gängigen und bekannten Printmedien inklusive der Regionalpresse, sondern auch Partei-Pressedienste oder Parlamentskorrespondenzen sowie Sendungen des ORF. Insgesamt wurden rund 30 Quellen regelmäßig ausgewertet.

Dieses ziemlich einzigartige Archiv der österreichischen Berichterstattung, das früh mikroverfilmt wurde, ist ab sofort auch der interessierten Öffentlichkeit unter dem Titel "Austro-Dok" zumindest teilweise online zugänglich: Die Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte und das Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien haben die Metadaten der gesammelten Berichte digitalisiert. Die dazugehörige Datenbank kann also für Online-Stichwortsuchen genützt werden.

Leider nur Referenzdaten

Die in der Referenzdatenbank ausgewerteten Medienberichte sind online freilich nicht zugänglich. Die liegen leider nur in Form von Mikrofiches (etwa 10.000 Stück, mit weit über 400.000 Einzelbildern) vor, die in der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte eingesehen werden können. Ein ebenso zur "Austro-Dok" gehörender Audio- bzw. Film- und Videobestand wurde der Österreichische Mediathek bzw. dem ORF-Archiv übergeben. Eine kleine Auswahl steht digitalisiert an der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte zur Verfügung.

Damit schließt "Austro-Dok" eine wichtige Lücke für Medienrecherchen zur Politik und Zeitgeschichte im 20. Jahrhundert. Denn Anno, der großartige digitale Zeitungs- und Zeitschriftenlesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek, endet aktuell 1949 (wegen der 70-jährigen Sperrfrist) und die Suchmöglichkeiten in digitalisierten Medienarchive gehen nur in Ausnahmefällen bis ins 20. Jahrhundert zurück. (tasch, 24.11.2020)