Es ist eine Kapitulation ohne Kapitulationsurkunde: Donald Trump hat die Niederlage eingeräumt – ohne zuzugeben, dass er verloren hat. Dem Sieger Joe Biden zu gratulieren, den eigenen Misserfolg einzugestehen, das lässt sein überlebensgroßes Ego offensichtlich nicht zu.

Eigentlich müsste der Unterlegene wenigstens jetzt – genau drei Wochen nach dem Votum vom 3. November – eine "Concession Speech" halten. Eigentlich gehört eine solche Rede, kurz und demütig, zum Pflichtprogramm einer geschlagenen amerikanischen Präsidentschaftswahl. Ob Trump sich noch dazu durchringen kann, bevor er am 20. Jänner 2021 endgültig aus dem Weißen Haus auszieht, das steht in den Sternen. Symbolisch wäre eine solche Geste wichtig, praktisch spielt es keine Rolle mehr.

Donald Trump hat seine Niederlage eingeräumt.
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Was zählt, ist das grüne Licht, das der 45. Präsident der Vereinigten Staaten gab, um mit der geordneten Übergabe der Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger zu beginnen. Die Tweets, in denen er weiterzukämpfen verspricht, kann man getrost ignorieren. Im Grunde sind es Appelle an seine Anhänger, ihm die Treue zu halten – auch dann noch, wenn er das Weiße Haus verlassen haben wird. Die Würfel sind gefallen, spätestens in dem Moment, als die zuständige Wahlkommission in Michigan bestätigte, dass Biden den Bundesstaat mit 155.000 Stimmen Vorsprung gewonnen hat.

Trumps Versuch, republikanische Lokalpolitiker unter Druck zu setzen, damit sie die Beglaubigung des Ergebnisses verweigern, war damit gescheitert. Ohne zertifiziertes Resultat hätte zumindest theoretisch die Möglichkeit bestanden, dass das Parlament von Michigan, beherrscht von den Konservativen, den Amtsinhaber doch noch zum Sieger in dem hart umkämpften Swing-State erklärt. Nun ist auch das vom Tisch.

Schon gehört?

Peinliches Schweigen

Der Putschversuch, nichts anderes wäre es gewesen, ist abgeblasen. Seine juristischen Optionen hat der scheidende Amtsinhaber so gut wie ausgeschöpft, nachdem seine Anwälte vor keinem Gericht Beweise für Wahlbetrug großen Stils vorlegen konnten. Und der Druck aus den eigenen Reihen, kombiniert mit dem Druck der Geschäftswelt, ist so groß geworden, dass Trump kaum etwas anderes übrig blieb, als sich diesem zu beugen.

Dass sich immer mehr Senatoren der Grand Old Party aus der Deckung wagten und ihr peinliches Schweigen brachen, hat einen einfachen Grund. Indem die Juristen des Präsidenten die Rechtmäßigkeit der Wahl anzweifelten, ohne Belege zu liefern, stellten sie ein Wahlsystem infrage, das eben auch konservative Politiker reihenweise siegen lässt.

Letztlich dürfte Trump bei aller Protestrhetorik eine rationale Entscheidung getroffen haben – und zwar eine Entscheidung im eigenen Interesse, langfristig gesehen. Nur einmal angenommen, er spielt ernsthaft mit dem Gedanken, 2024 erneut für die Präsidentschaft zu kandidieren: Hätte er an seiner Blockade festgehalten, hätte seine Marke Schaden, womöglich irreparablen Schaden, genommen. Er hätte nur noch ausgesehen wie ein schlechter Verlierer.

Wahrscheinlich stimmt, was ihm sein Parteifreund Lamar Alexander, ein Senator aus Tennessee, kurz vor der Entscheidung zurief: Wenn sich jemand für ein öffentliches Amt bewirbt, erinnern sich die Wähler zuerst daran, was er als Letztes getan hat. (Frank Herrmann, 24.11.2020)