Leicht als Archivbild zu erkennen, die Corona-Masken fehlen: einer der häufigen Besuche von US-Außenminister Mike Pompeo beim saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

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In Israel offiziell halb bestätigt, halb unkommentiert, in Saudi-Arabien offiziell dementiert – und überall inoffiziell bestätigt: Man kann sich’s aussuchen, was man über den mutmaßlichen Besuch von Israels Premier Benjamin Netanjahu in Saudi-Arabien, wo er den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman getroffen haben soll, denken will. Und wenn das Treffen denn stattgefunden hat: Gab es vor diesem – mit Sicherheit bewusst – geleakten schon vorher welche? Und war US-Außenminister Mike Pompeo, der sich am Wochenende in Saudi-Arabien aufhielt, dabei – oder doch nicht, wie das Wall Street Journal von saudischen Offiziellen wissen will?

Laut Saudis hat nur Pompeo Neom – wo der geheime israelisch-saudische Minigipfel stattgefunden haben soll – besucht. Neom ist das futuristische Großprojekt des MbS genannten Kronprinzen, eine Planstadt plus riesigen Technologiepark am Golf von Aqaba; nahe dem, wenn man so will, indirekten Vierländereck Saudi-Arabien, Ägypten, Israel und Jordanien. Dort ist am Sonntagabend ein israelischer Privatjet angekommen und später wieder weggeflogen, den Netanjahu bereits wiederholt benützt hat. Mit an Bord soll Geheimdienstchef Yossi Cohen gewesen sein.

Während aus dem Umfeld Netanjahus die Bedeutung des Treffens betont wurde, kommt dem saudischen Außenminister wie so oft die Rolle des Status-quo-Bewahrers zu: Es habe kein Treffen stattgefunden, sagte Prinz Faisal bin Farhan in einem Interview mit Reuters. Saudi-Arabien unterstütze jedoch die Normalisierung mit Israel seit langer Zeit, "aber eine wichtige Sache muss vorher passieren: ein ständiger und voller Friedensvertrag zwischen Israel und Palästinensern".

Nur mehr "Friedensvertrag"?

Wobei man diese Formulierung schon wieder als leichtes Abgehen von der früheren Sprachregelung interpretieren könnte, als Saudi-Arabien als Bedingung für die Normalisierung mit Israel noch einen Palästinenserstaat in den bis zum Sechs-Tage-Krieg von 1967 geltenden "Grenzen" forderte.

Ob die Saudis dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump den Wunsch erfüllen, in seiner Amtszeit noch diese Normalisierung mit Israel zu vollziehen – und damit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und (angekündigt) dem Sudan zu folgen –, ist fraglich. Die US-Regierung legt im Moment jedoch einen attraktiven Köder aus, nämlich könnten die jemenitischen Huthis, die vom Iran unterstützt werden und fünfeinhalb Jahre nach der saudischen militärischen Intervention im Jemen noch immer die Hauptstadt Sanaa kontrollieren, auf die US-Liste von Terrororganisationen gesetzt werden. Das ist nicht unproblematisch, denn um den Jemen zu befrieden, wird immer wieder mit den Huthis verhandelt, auch von Saudi-Arabien selbst.

Das Königreich ist in Bezug auf Israel in einer heiklen Position: Auf seinem Territorium befinden sich die heiligsten Stätten des Islam, es tut sich schwer, über die öffentliche Meinung in der islamischen Welt drüberzufahren – zumindest solange MbS’ Vater, König Salman, noch lebt. Saudi-Arabien engagiert sich aber, die Normalisierung zu normalisieren und ermutigt andere Staaten dazu.

Druck auf Pakistan

Vergangene Woche gab der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan ein TV-Interview, in dem er offen ansprach, dass vonseiten der USA Druck komme, Israel anzuerkennen. Einer Frage, ob auch ein "brüderliches muslimisches Land" seinen Einfluss in Pakistan dahingehend verwende, wich Khan aus, aber ohne wirklich zu dementieren. Damit war die Kuh aus dem Stall: Jeder wusste, dass Saudi-Arabien gemeint war. Am Ende dementierte die pakistanische Regierung alles, auch den US-Druck – obwohl das Khan-Interview noch immer abrufbar ist.

Am Dienstag gab Netanjahu bekannt, eine Einladung Bahrains für einen Besuch angenommen zu haben, er werde "in naher Zukunft" hinfahren. Kritiker Netanjahus sehen das und auch das mutmaßliche Treffen mit MbS als einen Versuch, von seinen neuerlichen innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken: Während Gantz – gemeint ist Koalitionspartner Benny Gantz, der einen Korruptionsverdacht beim Kauf deutscher U-Boote untersuchen lassen will – politisches Kleingeld mache, mache Netanjahu Frieden, twitterte ein Mitarbeiter des Premiers, Topaz Luk.

In der arabischen Welt ist die öffentliche Meinung geteilt, was Netanjahus Besuch in Saudi-Arabien anbelangt – wobei man auf den Social Media nie so recht weiß, was gelenkte Meinungsmache und was "echt" ist. Aber der Versuchsballon, wie das Publikum das aufnimmt, ist in der Luft. (Gudrun Harrer, 25.11.2020)