Die Grünen-Politikerin Nadine Kasper im Zürser Zielbereich. Ihre Anfrage im Landtag brachte die Diskussion in Gang. Die Grünen waren gegen die Subvention (1,3 Millionen Euro), wurden aber von der ÖVP überstimmt.

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Für die Vorarlberger ist das ein Riesengeschäft." Also spricht Peter Schröcksnadel und meint die Weltcup-Parallelrennen, die am Donnerstag (Frauen) und Freitag (Männer) in Zürs am Arlberg über eine neue Bühne gehen. Die Errichtung dieser Bühne war freilich nicht billig, die Gesamtkosten wurden mit 2,7 Millionen Euro beziffert. Der Bau der Piste samt Flutlichtanlage kostet das Land Vorarlberg respektive die Vorarlberger Steuerzahler 1,3 Millionen Euro, die Gemeinde Lech-Zürs stellte 500.000 Euro zur Verfügung. Dazu kommt noch eine Veranstaltungsgebühr des Landes "in nicht genannter Höhe".

Zudem müssen künftig, wie der STANDARD berichtete, sowohl für jeden Mast, der im Herbst aufgebaut wird, drei Helikopterflüge stattfinden wie für den Abbau jedes Mastes im Frühjahr.

Bemerkenswert ist, dass die Bauarbeiten ohne die obligatorischen Genehmigungen begonnen wurden. Die Betreiber nahmen mehrere Anzeigen in Kauf, die bei der BH Bludenz anhängig sind. Sie müssen pro Verstoß mit einer Strafe von maximal 16.000 Euro rechnen, wobei diese "Höchststrafe" sehr selten verhängt wird.

Emsiger Bürgermeister

Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass der Bürgermeister von Lech, Stefan Jochum (Liste "Unser Dorf"), in dieser Geschichte gleich drei Rollen besetzt, nämlich auch jene des Obmanns der Sektion Lech im Skiclub Arlberg und vor allem jene des Geschäftsführers der Sportstätte Lech Zürs Gmbh. (Anm.: Bürgermeister ließ am Mittwoch, 25. 11., übermitteln, dass er nicht mehr Geschäftsführer der Sportstätten Lech Zürs Gmbh ist.)

Stefan Jochum ist Bürgermeister und Multifunktionär in Lech-Zürs.
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Ein Großteil der Gesamtkosten und also der öffentlichen Förderung geht in der teuren Flutlichtanlage auf, für die allein deshalb siebenstellig kalkuliert werden muss, damit eine TV-Übertragung der zwei Rennen möglich wird. "Dazu kann ich nichts sagen", sagt Schröcksnadel dem STANDARD. "Der Skiverband war in die Errichtung der Anlage nicht involviert."

Nur wenige Kilometer von Zürs entfernt, in St. Anton, gibt es bereits seit der WM 2001 eine Flutlichtpiste. Auf diesem Hang könnten nach wie vor Rennen stattfinden, lautet die Auskunft aus St. Anton. Das Problem? St. Anton liegt nicht in Vorarlberg, sondern in Tirol. Derselbe Skiclub zwar, aber doch eine andere Welt. In Tirol (Kitzbühel!) finden regelmäßig Weltcuprennen statt, in Vorarlberg hingegen gastierte der Weltcup zum letzten Mal vor 26 Jahren. Dazu sagt Schröcksnadel: "Jeder Landesverband hat das Recht auf ein Weltcuprennen." Der ÖSV sei wie das Fußballteam, er trete in dem Stadion an, das man ihm zur Verfügung stelle.

Behaupteter Werbewert

Dem Vorwurf, dass aus dem Zürser Fördersumpf allein der ÖSV schneeweiß, nämlich als großer Gewinner, hervorgehe, tritt der 79-jährige Tiroler, der 2021 als ÖSV-Präsident abdanken will, entgegen. "Solche Rennen sind eine Werbung. Was man da investiert, kommt hundertfach zurück."

Die Wissenschaft bezweifelt den behaupteten Werbeeffekt durch Sportevents. Oliver Fritz, Ökonom des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), erklärt: "In der empirischen Literatur findet sich kein Beleg dafür. Der Tourismus überschätzt den Werbewert solcher Veranstaltungen." Schon bei der WM in Schladming hatte der ÖSV die Werbung für den Ort betont. Doch die in Auftrag gegebenen Studien, die das im Nachhinein belegen sollten, sind laut Fritz "methodischer Schrott". In Zeiten des Klimabewusstseins würden Bilder wie jene vom weißen Band in der braunen Wiese in Zürs vielmehr gegenteilige Effekte zeitigen, glaubt der Ökonom. "Das kann nach hinten losgehen."

Es ist jedenfalls der Skiverband, der Sponsorgelder und Einnahmen vor allem aus dem Verkauf von TV-Rechten lukriert. Wie hoch die Einnahmen sind? Schröcksnadel kann und/oder will es nicht beziffern. "Weil der ÖSV die TV-Rechte an den Veranstaltungen im Gesamtpaket verkauft." Auch seitens des ORF gibt es dazu keine Auskunft. In welchen Ländern die Zürser Rennen zu sehen sind? "Überall", sagt Schröcksnadel, "sicher auch im ZDF oder im ARD. Ob live, das kann ich nicht sagen." Schließlich habe der ÖSV nicht nur dem ORF, sondern auch der EBU (European Broadcasting Union) Rechte verkauft. Im Programm der deutschen Sender finden sich die Zürs-Rennen freilich gar nicht, und selbst Eurosport überträgt nur das Männerrennen am Freitag.

Lob des Sportministers

Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne) hatte vor einer Woche die Arbeit seiner Vorarlberger Parteikollegen gelobt. "Sie haben das getan, was in einer solchen Situation zu tun ist. Aufdecken, aufmerksam machen, Konsequenzen aufzeigen." Die grüne Abgeordnete Nadine Kasper hatte mit einer Anfrage im Landtag die Diskussion in Gang gebracht, am Ende stimmten die Grünen gegen die Landesförderung von 1,3 Millionen Euro, wurden aber vom Regierungspartner ÖVP überstimmt. Die Förderung soll, sobald alle Bewilligungen – nachträglich – vorliegen, in vier Tranchen ausbezahlt werden, auch wenn Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne) sagt: "Wir bleiben der Meinung, dass dafür kein Steuergeld fließen darf. Schon gar nicht in Zeiten wie diesen."

Als die Welt noch in Ordnung war. ÖSV-Chef Schröcksnadel und Vizekanzler Kogler im Februar beim Kombi-Weltcup in Seefeld.
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Es ist nicht auszuschließen, dass Kogler bereits am Donnerstag im Sportausschuss des Parlaments mit der Causa Zürs befasst wird. SPÖ-Sportsprecher Maximilian Köllner will "versuchen, ein Statement von Kogler zu bekommen". Zudem kündigte er eine parlamentarische Anfrage an Kogler an. Zürs tangiere nicht nur das Land Vorarlberg, sondern sehr wohl auch den Bund – schließlich finanziert sich der ÖSV zu einem Teil aus Bundesfördermitteln, also aus Steuergeld.

Der ÖSV-Präsident betont lieber noch ein weiteres Mal "das Riesengeschäft für die Vorarlberger". Für welche Vorarlberger genau, das sagt Peter Schröcksnadel nicht. (Steffen Arora, Fritz Neumann, 24.11.2020)