Etwas Licht ins Operndunkel dieser Tage: Alfred Dorfer.

Foto: Ernesto Gelles

Wer es nicht für möglich hielt, dem blüht nun bald Gewissheit: Der Satiriker Alfred Dorfer empfindet Sympathie und Respekt für das Operngenre. Er war und ist ein passionierter Operngeher, wobei es Phasen gab, als "ich das Genre aus den Augen verlor. Die eine ist natürlich, wenn man Kinder hat. Zudem überschneiden sich die Vorstellungszeiten der Oper mit meinen." Gegenwärtig aber verbringt Dorfer zwecks Opernproben die meiste Zeit im Theater an der Wien. Am Sonntag wird auf ORF 3 seine erste Regiearbeit gezeigt. Sie setzt sich in Mozarts Le nozze di Figaro komödiantisch mit den Themen Macht und Liebe auseinander.

STANDARD: Als man Sie gefragt hat, Oper zu inszenieren, dachten Sie: Na ja, was der Christoph Waltz im Theater an der Wien mit Beethovens "Fidelio" konnte, kann ich mit Mozarts "Figaro" schon lange?

Dorfer: Nein! Ich wäre natürlich auch nie auf die Idee gekommen, jemanden zu fragen, ob ich nicht ein bisschen Opernregie machen könnte. In diesem Betrieb habe ich für mich keinen Platz gesehen – aus Respekt, nicht aus Desinteresse, vielleicht sogar aus zu großem Interesse. Das ist nämlich die Musik meines Lebens, ich höre sie seit Kindestagen, insofern hat der Figaro für mich einen Ehrenplatz. Als mich Intendant Roland Geyer fragte, ging meine erste Reaktion Richtung: "Ich kann das nicht." Nach längerem Nachdenken habe ich aber zugesagt. Nun wird sich weisen, ob ich übermütig war.

STANDARD: Musik Ihres Lebens? Das müssen Sie etwas näher erläutern.

Dorfer: Ich glaube, ich bin eine Klassik-Graugans, geprägt haben mich die vielen Geiger mütterlicherseits. Zudem kam die Musik, die bei uns per Schallplatte lief, fast ausschließlich aus dem Bereich der Klassik. Vor allem aus der Wiener Klassik, später kamen Monteverdi und Purcell. Ich bin erst kurz vor der Pubertät draufgekommen, dass andere Kinder andere Musik hören. Bei mir war Klassik nie mit einem Trauma behaftet. An sie knüpfen sich positive Erinnerungen.

STANDARD: Ihr Klassikkonsum?

Dorfer: Ich bin mit 13 dreimal in der Woche auf den Stehplatz der Wiener Staatsoper gegangen. Als ich Theaterwissenschaft und Philosophie studierte, besuchte ich das Theater täglich. Dreimal in der Woche Oper, dreimal Sprechtheater. Das waren meine Abendbeschäftigungen.

STANDARD: Aber die sechs Jahre Klavierunterricht, die Sie in Ihrer Jugend absolvieren mussten, waren kein Wunschprogramm?

Dorfer: Nein, das war nix für mich. Aber man kann zumindest Partituren lesen. Insofern hat sich spätestens jetzt die Mühe mit Johann Sebastian Bach gelohnt!

STANDARD: Zum Probenprozess: An "Figaro" als Regisseur zu arbeiten – war es letztlich so, wie Sie es sich vorgestellt hatten?

Dorfer: Ich habe in diesen zwei Monaten enorm viel gelernt. Für mich ist das die Königsdisziplin! Ich will nicht ins Schwärmen geraten, aber diese Komplexität eines Gemeinschaftsprojekts herzustellen, im Sinne eines – um ein großes Wort zu bemühen – Gesamtkunstwerks, ist schon etwas Besonderes. Es ist überraschend, dass so viele Produktionen überhaupt zustande kommen und so gut werden! Natürlich sind es nun spezielle Umstände: alle drei Tage ein PCR-Test, Proben mit Masken. Das ist wohl nicht die Regel.

STANDARD: Das Theater an der Wien hat Sie als Regisseur allerdings wohl nicht nur engagiert, damit Sie etwas lernen. Was konnten Sie persönlich einbringen?

Dorfer: Der Hintergedanke, mich zu fragen, war vermutlich mein Blick von außen. So wie eben bei Christoph Waltz und Filmregisseur Stefan Ruzowitzky, die auch am Theater an der Wien inszeniert haben. Das Hauptaugenmerk bei mir lag darauf, ausgezeichnete Darsteller und Darstellerinnen zu finden, damit das, was ich einzubringen habe, auch umgesetzt wird.

Da es beim Figaro teilweise auch um etwas – im besten Sinne – Komödiantisches geht, gibt es Punkte, an denen ich meine Erfahrungen einsetzen kann. Wiewohl ich sagen muss: Es gibt nichts, was von mir besonders gaghaft dazuerfunden wurde. Das verhindert mein Respekt.

STANDARD: Aber wie legen Sie das Stück an?

Dorfer: Da ist ein kleines Landschloss, eines jener, wie sie sehr zahlreich in Niederösterreich herumstehen. Der Adel ist ein Geldadel, und bei uns inszeniert der Raum mit, ist ständig veränderbar. Der Raum gestaltet also die Zustände mit, reagiert auf die Befindlichkeiten der Figuren. Hoffentlich sieht man die räumliche Dimension auch bei der TV-Version: Bei unserem Figaro geht es jedenfalls um die große Frage der Macht aus der Perspektive des Grafen Almaviva. Eine andere Ebene thematisiert die mannigfaltigen Ausformungen der Liebe, die Mozart mit seiner unglaublichen Weisheit dargestellt hat. Es endet bei uns natürlich nicht im Kitsch. Aber mehr möchte ich nicht verraten.

STANDARD: Sie haben eine gekürzte Fassung erstellt, die ohne Pause gespielt wird.

Dorfer: Die Fassung, die wir umsetzen, ist im besten Sinne eine Corona-Fassung … Es sollte keine Pause geben, der Chor darf nicht auftreten. Dieser Figaro dauert also zwei Stunden und 15 Minuten, was ziemliche Einschnitte vorausgesetzt hat. Das hinzubekommen, ohne die Geschichte zu verlieren, war die Sommerbeschäftigung von Dirigent Stefan Gottfried und mir. Extrakurz ist der dritte Akt geworden, die Hochzeit ist bei uns sehr, sehr knapp. Hätte es eine Anspielung auf unsere Zeit sein sollen, hätten wir die Hochzeit sogar absagen müssen. Aber Figaro ohne Hochzeit …

STANDARD: Wie arbeiten Sie mit den Sängern, haben Sie ihnen viel vorgespielt?

Dorfer: Ich kann leider nicht anders, als es vorzuspielen, da ich nicht sitzen bleiben kann! Das ist der Vor- und auch der Nachteil, wenn du jemanden engagierst, der gemeinhin auf der Bühne steht.

STANDARD: Haben die Sänger bei den Proben also erwartet, dass sie von Ihnen zwischendurch quasi kabarettistisch an das Rollenverständnis herangeführt werden?

Dorfer: Nein. Das Angenehme war, dass die Hälfte der Sänger und Sängerinnen mich gar nicht kannte.

STANDARD: Aber die Probenzeit fand durchaus unter seltsamen Rahmenbedingungen statt. Dann musste auch noch die Premiere abgesagt werden. Da galt es doch wohl für den Regisseur, die Stimmung einigermaßen hochzuhalten?

Dorfer: Ja, und dann kam noch der Terroranschlag, es war mental nicht leicht. Für mich war jedoch ab dem Zeitpunkt, da klar wurde, dass wir zumindest eine TV-Version finalisieren können, alles leichter. Wir hatten ein Ziel.

STANDARD: Ihr "Figaro" wurde Opfer des Lockdowns. Wo und wie haben Sie den Premierenabend am 12. November verbracht?

Dorfer: Ich habe die Premiere ganz allein im stillen Theater verbracht, ohne Publikum, mit dem Lichtmann. Ich habe an diesem Tag eine Lichtprobe gemacht. (Ljubiša Tošić, 25.11.2020)