Auch via Telefon und Dienste wie Skype standen die Ärzte ihren Patienten zur Verfügung. 9,7 Tage dauerte im Schnitt ein Krankenstand im Jahr 2019.

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Ein Besuch beim Arzt ist eigentlich eine leichte Sache. Entweder man macht einen Termin aus, oder man schaut spontan vorbei. Doch die Pandemie hat hier gehörig für Unruhe gesorgt. Angst vor Ansteckungen im Wartezimmer oder lange Warteschlangen vor der Ordination haben viele Menschen davon abgeschreckt, den Arzt ihres Vertrauens aufzusuchen.

Reagiert wurde schnell. So wurde rasch die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung eingeführt. Ein Anruf reicht, und man wird krankgeschrieben. Klingt verlockend – ausgenutzt wurde das System laut Österreichischer Ärztekammer ÖÄK jedoch nicht. Es habe keinen Missbrauch gegeben, teilte ÖÄK-Vizepräsident Johannes Steinhart mit.

Die Zahl der Krankenstände ist nicht gestiegen, sondern gesunken. Auch die Möglichkeit, dass der Arzt ein Rezept automatisch zur Apotheke schickt und Patienten das Medikament direkt von dort abholen können, hat die medizinische Versorgung erleichtert. Auch via Telefon und Dienste wie Skype standen die Ärzte ihren Patienten zur Verfügung.

Dass die Medizin digitaler werden kann, hat die Pandemie also gezeigt. Für Heike Dorninger, Partnerin bei der Boston Consulting Group (BCG), ist das ein Schritt in die richtige Richtung. "Vor allem in abgelegeneren Gebieten, wo längere Anfahrtswege nicht selten sind, kann es die medizinische Vorsorge stärken, wenn mit einem Facharzt geskypt werden kann, um eine erste Einschätzung zu treffen", sagt die BCG-Expertin für Krankenkassen und Gesundheitssysteme.

Die Option zu haben, den Arzt digital zu konsultieren, könnte laut Dorninger auch helfen, dass mehr Menschen medizinischen Rat in Anspruch nehmen, weil eine Erstabklärung etwa via Skype oder die Entscheidung, doch einen Facharzt aufsuchen zu müssen, in den beruflichen Alltag in vielen Fällen einfacher eingebaut werden kann.

Viel Luft nach oben

Dorninger kann sich auch vorstellen, dass Patienten Bilder, etwa von Hautausschlägen, an ihren Arzt schicken, der via Erkennungssoftware eine erste Diagnose stellen kann. In Israel gebe es diesbezüglich schon erste Projekte. In Deutschland hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor wenigen Wochen die Möglichkeit geschaffen, dass bestimmte Gesundheits-Apps von Ärzten verschrieben werden können.

Die Kosten übernimmt die Krankenversicherung. "Diese Apps sind eine zusätzliche Therapieform", erklärt Dorninger. Es gehe hierbei um digitales Coaching, einen Austausch mit anderen Betroffenen oder einfach um die Erinnerung an die Einnahme wichtiger Medikamente.

Bereits zugelassen hat das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Apps Kalmeda und Velibra. Kalmeda verspricht, bei Tinnitus zu helfen, Velibra ist eine Therapie gegen Angststörungen.

Trotz aller neuen Möglichkeiten rät die Ärztekammer dazu, nicht aus Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 auf einen Arztbesuch zu verzichten. Das gelte besonders für Vorsorge- und Routineuntersuchungen. Denn es bestehe das Risiko, dass Krankheiten nicht diagnostiziert werden und damit eine erforderliche Behandlung verschleppt wird. Solchen möglichen Kollateralschäden muss vorgebeugt werden. (Bettina Pfluger, Magazin "Portfolio", 3.12.2020)