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Auf Online-Plattformen formiert sich Widerstand gegen ungleiche Bezahlung, patriarchalische Steuergesetze, ökonomische Ungerechtigkeiten in Partnerschaft und Ehe und die gesellschaftlich hartnäckig verankerte Devise, dass Geld Männersache ist.

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Der britische Starkolumnist Giles Coren schrieb noch vor drei Jahren über seine eigene junge Tochter – "Für Mädchen ist die Ausbildung optional. Nachdem sie den Geschlechterkampf gewonnen haben, haben sie eine bisher nie für möglich gehaltene Position in unserer sozialen Evolution erreicht und haben die Wahl, entweder zu arbeiten oder einen Mann zu heiraten, der es tut."

Unglücklicherweise für Coren hatte das britische Chartered Insurance Institute (CII) in einem Report wenige Monate zuvor vor den finanziellen Risiken gewarnt, denen britische Frauen bis heute ausgesetzt sind. "Während Frauen zunehmend besser ausgebildet sind als Männer, verdienen sie weniger, fühlen sich finanziell weniger sicher, leisten den größten Teil der unbezahlten Pflege, haben kleinere Renten, sind im späteren Leben mit größeren Schwierigkeiten konfrontiert und haben Probleme, ihre eigene Altersversorgung zu bezahlen", hieß es in der Studie unmissverständlich.

Allgegenwärtige Warnungen

34 Prozent der Frauen zwischen 30 und 39 in Großbritannien gaben an, dass ihnen binnen einem Monat das Geld ausginge, sollten sie ihre Haupteinkommensquelle verlieren, während sich herausstellte, dass britische Männer im Durchschnitt fünfmal so große Rententöpfe haben wie die der britischen Durchschnittsfrau.

Huw Evans, Generaldirektor der Association of British Insurers, nannte den Bericht "wirklich schockierend" und rief die Regierung und den Finanzdienstleistungssektor dazu auf, "sinnvolle und dauerhafte Lösungen für die Herausforderungen zu finden, mit denen Frauen noch konfrontiert sind".

Veranstaltungen weisen jährlich auf den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen hin.
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Doch trotz quasi allgegenwärtiger Warnungen dieses Kalibers ist herzlich wenig geschehen. Weder in Großbritannien noch in der EU. Denn die Lage der Frauen sieht in jedem Land fast gleich dramatisch aus.

Ein EU-weiter Vergleich von Nettoeinkünften 2018 ergab, dass Männer ab 65 konsequent höhere Einkommen haben als Frauen ab 65, nach wie vor bedingt durch Karrierepausen und niedrigere Löhne, oftmals in Teilzeitjobs zwecks unbezahlter jahrelanger Pflegearbeit innerhalb der Familie.

Gender-Pay-Gap

Laut Eurostat haben Deutschland und Österreich nach wie vor mit die größten Gender-Pay-Gaps innerhalb der EU. Zwischen 2008 und 2018 sank die Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen in Österreich, gemessen an den mittleren Bruttojahreseinkommen, laut Lohnsteuerdaten von 40,9 Prozent auf 36,7 Prozent – ein spärlicher Fortschritt.

Der störrischen Mär von der guten Partie zum Trotz, bewahrt die Heirat mit gut verdienenden Männern Frauen keinesfalls vor finanzieller Abhängigkeit und Altersarmut, im Gegenteil. 19 Prozent der verheirateten Frauen in Deutschland hatten im Jahr 2017 überhaupt kein Einkommen, und 63 Prozent verdienten weniger als 1000 Euro im Monat.

In Österreich werden Statistiken über die Finanzen verheirateter Frauen leider nicht erhoben. Doch laut Statistik Austria belief sich die Median-Alterspension für Frauen in Österreich im Jahr 2018 auf 982 Euro brutto im Monat, in etwa halb so hoch wie jene der Männer (1953 Euro). Österreichs Armutsgrenze lag 2018 bei 1060 Euro.

Im gleichen Jahr war fast ein Fünftel (19,1 Prozent) der Frauen ab 75 Jahren in den EU-27 von Armut bedroht, 6,3 Prozentpunkte über der entsprechenden Quote für gleichaltrige Männer. Und so weiter und so fort.

Während die Corona-Krise sich als prächtig talentiert darin entpuppt hat, derartige Missstände nun auch noch nachhaltig zu verschlimmern, und Regierungen und Wirtschaft weiterhin auf Taten warten lassen, sprießen seit ein paar Jahren links und rechts neue Online-Plattformen aus dem virtuellen Nährboden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Laden aufzuräumen.

Neue Wege

Sie nennen sich Madame Moneypenny, FinMarie und Fortunalista und wollen Frauen fit in Sachen Finanzen machen.

Der deutschsprachige Finanzblog "Madame Moneypenny" allein hat eine gleichnamige Facebook-Community von mittlerweile fast 95.000 Mitgliedern. Die private Gruppe ist "für alle Frauen, die finanzielle Unabhängigkeit erreichen wollen. Es geht im Kern darum, Frauen dabei zu unterstützen, ihre Finanzen sowie ihren finanziellen Erfolg selbst in die Hand zu nehmen, anstatt die Verantwortung dafür beispielsweise ihren Männern, dem Staat oder Arbeitgebern zuzuschieben", heißt es.

Mitglieder aus ganz Deutschland und Österreich posten persönliche finanzielle Problematiken und bitten die Community um Tipps und Lösungsansätze – teils mit großem Erfolg. Es geht um alles Mögliche: Gehaltsverhandlungen, Sparverhalten und Wege, passives Einkommen aufzubauen, etwa durch Investitionen an der Börse.

Aber in einer Vielzahl der Beiträge dreht es sich um ganz andere Dinge: um sexistisches Mobbing von Chefs und Kollegen, um Frauen, die kein eigenes Bankkonto haben, um Ehemänner, die die Finanzen kontrollieren, um ungleiche Verteilung in Sachen Haushalt und Kinderbetreuung, um drohenden finanziellen Ruin nach der Scheidung.

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"Über geringe Ansprüche ärgern können sich alle, aber mehr arbeiten, nach fünf, sechs Jahren Mutterurlaub, das wollen viele nicht."
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Debatte ja, Rollenbild bleibt

Während die meisten Diskussionen friedlich und konstruktiv verlaufen, flammen immer wieder heftige Gesellschaftsdebatten auf, die moderiert werden müssen. Alle Mitglieder wollen finanziell besser dastehen, ein "money mindset" entwickeln. Doch von einer traditionellen Rollenverteilung verabschieden wollen sich viele der Frauen dennoch nicht, was sich auch in der Statistik widerspiegelt: 2019 waren 74,3 Prozent der Frauen in Österreich im Alter von 25 bis 49 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren teilzeitbeschäftigt (Männer 5,6 Prozent).

Das seit langem angebotene, nicht wirklich oft genutzte deutsche Ehegattensplitting – in Österreich bekannt unter Pensionssplitting – sorgt besonders oft für Furore in der Gruppe.

Anette Peters* (36) aus Graz, selbst Mitglied bei Madame Moneypenny, schätzt die Gruppe sehr, ist aber auch oft frustriert. "Ich habe viel gelernt von der Community und investiere seit dem Vorjahr in ETFs. Aber ich denke immer wieder, dass bei vielen Frauen Hopfen und Malz verloren ist. Über zu geringe Rentenansprüche ärgern können sich alle, aber mehr als ein paar Stunden die Woche arbeiten, nach fünf, sechs Jahren Mutterurlaub, das wollen viele nicht."

Christina (28) ist Angestellte und Doktorandin an der TU Wien und geht Vollzeit arbeiten, seit sie 23 ist. Von Finanzblogs für Frauen hat sie noch nie gehört, doch der Bausparer läuft, und es gibt eine Unfallversicherung, eine Excel-Tabelle verschafft einen Vermögensüberblick. Die eigenen Finanzen gut im Griff zu haben ist in ihren Augen ein politisches Thema. Schon häufiger habe sie mit Freundinnen oder Kolleginnen den Gender-Pay-Gap und die Kinderfrage diskutiert. "Ich würde auf jeden Fall nur mit jemandem ein Kind bekommen wollen, mit dem die Verpflichtungen zu 50 Prozent aufgeteilt werden", betont sie. "Nicht nur finanziell, sondern auch was das Kümmern angeht." (Jedidajah Otte, Magazin "Portfolio", 29.12.2020)