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Diamanten sind die begehrteste Form des Kohlenstoffs. Um einen davon dreht sich ein Betrugsverfahren im Wiener Landesgericht für Strafsachen.

Foto: Reuters/Siphiwe Sibeko

Wien – Diamanten sind laut Ian Fleming für immer und gemäß Marilyn Monroe und Carol Channing die besten Freunde einer jungen Frau. Wie sich bei einem Schöffenprozess unter Vorsitz von Eva Brandstetter herausstellt, übt die teure Erscheinungsform des Kohlenstoffs aber auch auf manche Fischhändler eine Anziehungskraft aus. Angeklagter Abraham Y. soll im Juni 2016 einem in dieser Branche tätigen Wiener Unternehmer um 101.000 Euro einen Diamanten verkauft haben, der nur 47.000 Euro wert war.

Die Anklage wegen schweren Betrugs weisen der 51-Jährige und sein Verteidiger Philip Marsch zurück: Der Fischhändler habe Y. den Stein in Kommission zum Verkauf gegeben, der Angeklagte sei selbst überrascht gewesen, dass ein dazugehöriges Zertifikat gefälscht gewesen sei. Das habe er erst erfahren, als er den Stein 2015 einem deutschen Juwelier verkauft hatte und dieser ein Gutachten in Auftrag gab. Dem Deutschen habe er den Kaufpreis erstattet und dem Fischhändler den Stein zurückgegeben, argumentiert der Angeklagte.

Drei Gutachten und kein Stein

Die Sachlage ist einigermaßen komplex, wie auch Vorsitzende Brandstetter leicht verzweifelt feststellt: "Es gibt drei Gutachten und null Steine!" Das kommt so: 2015 legte Y. beim Deal mit dem Deutschen ein sogenanntes GIA-Zertifikat vor – das sich im Nachhinein als Fälschung herausstellte. Wie der Juwelier als Zeuge aussagt, hätten Größe und Gewicht des als Typ IIa klassifizierten Diamanten laut Waage und mechanischer Messung zwar mit dem GIA-Zertifikat übereingestimmt. Da er mit dem vorbestraften Angeklagten, der keine Gewerbeberichtigung hat, schon öfters Geschäfte gemacht habe, habe er sich nicht die Mühe gemacht, das GIA-Zertifikat im Internet zu überprüfen. Y. habe ihm damals gesagt, er habe den Stein in Belgien gekauft. Erst bei einer Überprüfung im Gemmologischen Labor Austria (GLA) sei ihm gesagt worden, dass der Stein mittels "High pressure, high temperature"-Verfahren farblich verbessert worden und also weniger wert sei.

Ob Y. das zu diesem Zeitpunkt schon wusste, kann der Zeuge nicht beantworten. "Er hat zumindest überrascht getan", sagt er. "Er wäre ja selbst Opfer, wenn er einen verfälschten Diamanten gekauft hätte", merkt die Vorsitzende an. "Das hat er wohl gedacht", stimmt der Juwelier zu. Ein eigenes GLA-Gutachten habe er damals aber nicht bekommen, er habe nur die Rechnung für die Überprüfung bezahlt.

Viel Vertrauen im Edelsteinhandel

Im Juni 2016 soll Y. dann denselben Stein dem Fischhändler verkauft haben. Offenbar herrscht beim Diamantenhandel trotz erheblicher Preise der Grundsatz von Treu und Glauben vor, denn erst im März 2017 ließ der Fischhändler ein GLA-Gutachten anfertigen – das zum Ergebnis kam, es sei ein HPHT-behandelter Stein.

Verteidiger Marsch weist im Prozess aber darauf hin, dass sich Maße und Gewicht des im gefälschten GIA-Zertifikat beschriebenen Diamanten und jene im GLA-Gutachten des Fischhändlers unterscheiden. "Das ist mir auch aufgefallen", stimmt Vorsitzende Brandstetter zu, die deshalb das dritte Gutachten bei einer gerichtlichen Sachverständigen in Auftrag gegeben hat. Nur: Die sah den Stein nie, da der Fischhändler ihn mittlerweile um 20.000 Euro weiterverkauft hatte und sich seine Spur in Israel verliert.

Es sei aber nicht undenkbar, dass sich Unterschiede bei der zweiten Nachkommastelle ergeben, meint die Sachverständige. Und da solch HPHT-behandelte Diamanten sehr selten seien, geht sie tendenziell davon aus, dass es sich um ein und dasselbe Juwel gehandelt haben muss.

Eigenartige Kaufbestätigung

Eine weitere Seltsamkeit im Verfahren ist, dass der Fischhändler erst im Dezember 2019 die Kopie einer angeblichen Kaufbestätigung vorlegte, wonach Y. ihm den Diamanten für 101.000 Euro verkauft habe. Auf dem Zettel befindet sich links unten in Blockbuchstaben der Name von Y. und eine Paraphe.

Mit großem Abstand ist am oberen Ende des Zettels der Vertragstext zu finden. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung wollten prüfen lassen, ob alles zur selben Zeit verfasst wurde – allerdings sei das Original nicht mehr auffindbar, bedauert der Fischhändler. Laut Verteidiger Marsch habe – wie erwähnt, man scheint sich im Edelsteinhandel zu vertrauen – der Fischhändler aber Zettel mit Blankounterschriften von Y. gehabt, da man öfters miteinander handelte.

Auch der Staatsanwalt konzediert am Ende, dass Aussage gegen Aussage stehe. Er hält die Aussage des Fischhändlers aber für glaubwürdig, auch wenn er den Eindruck gewonnen hatte, dass dieser bei der Geschäftsbeziehung naiv gewesen sei. Dass der Stein mit einem Verlust von 81.000 Euro weiterverkauft wurde, könne damit zu tun haben, dass der Fischhändler gewöhnt sei, mit größeren Geldbeträgen zu hantieren und er den Verlust schon abgeschrieben hatte. Der Verteidiger verweist in seinem Schlussplädoyer dagegen auf die diversen Unstimmigkeiten und vermutet einen Racheakt.

Steine als Wertanlage

Das Gericht folgt der Anklage und verurteilt Y. wegen schweren Betrugs und eines nicht mit der Causa zusammenhängenden Widerstands gegen einen Parksheriff nicht rechtskräftig zu zwölf Monaten bedingter Haft. "Es geht um die Frage, ob Sie oder der Fischhändler den Diamanten als Erstes hatten", begründet Brandstetter die Entscheidung. "Für uns war es glaubwürdig, dass der Fischhändler die Steine als Wertanlage hatte und nicht selbst damit handelte. Schließlich hat er sie auch nicht einzeln verwertet, sondern alle gemeinsam verkauft." Dass es trotz der verwirrenden Gutachten immer um denselben Stein ging, schließt die Vorsitzende aus der Tatsache, dass Y. das selbst sagte.

Privatbeteiligtenvertreterin Petra Laback, die für ihren Mandanten 54.000 Euro Schadenersatz zugesprochen bekommt (101.000 Euro minus des Werts von 47.000 Euro laut Gerichtsgutachten) verrät noch, dass der Fischhändler mittlerweile eher seinem Branchenkollegen Verleihnix nacheifert. Der hatte schließlich in der Nähe von Carnac ein Grundstück, für das er noch etwas zur Ausgestaltung benötigte – und auch der Wiener investiert mittlerweile nicht mehr in Diamanten, sondern in Immobilien. (Michael Möseneder, 25.11.2020)