66 Seiten umfasst die Kundenliste für die Ausschreibung der Bundesbeschaffer. Auch das Burgtheater darf aus der Rahmenvereinbarung Beraterleistungen abrufen – so wie hunderte weitere öffentliche Einrichtungen.

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Die Republik Österreich wird nicht müde, Ausschreibungen zu machen – und gestaltet ihre Verträge dabei neu. Die Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) hat nun auch eine Rahmenvereinbarung ausgeschrieben für Beratungsdienstleistungen aller Art, die der Bund in Anspruch nehmen kann – aber nicht nur.

Auch sehr viele andere öffentliche Kunden werden Auftraggeber sein. Wer diese Kunden sind, erschließt sich aus der 66 Seiten langen Kundenliste, die den Ausschreibungsunterlagen der BBG beiliegt. Die Auftraggeber reichen von A wie Abfallbeseitigungsverband Westtirol über Fachhochschulen, FMA und zahlreichen Freiwilligen Feuerwehren bis hin zu Z wie Zentrale Arbeitsgemeinschaft österreichischer Rinderzüchter.

Beratungsdienstleistungen

Ausgeschrieben sind Beratungsdienstleistungen. Für zehn Lose werden jeweils sieben Bieter ausgesucht. Für wie viele Lose sie sich melden, bleibt ihnen überlassen. Worum es bei den einzelnen Losen beispielsweise geht: Konzern- und Abschlussprüfung, Buchhaltung, Steuerberatung, Risikoanalyse und Due Diligence, digitale Transformation oder Beratung und Auditierung von Umweltmanagementsystemen bis hin zu Beratung von "Green Events und Green Meetings".

Die potenziellen Auftragnehmer müssen bestimmte Umsätze nachweisen, das Rennen soll der Bestbieter machen, wobei der Preis mit 60 Prozent und die Qualität mit 40 Prozent gewichtet werden. Die Angebotsfrist läuft bis zum 11. Dezember. Abgeschlossen wird die Rahmenvereinbarung für fünf Jahre. Die maximalen Abrufwerte sind pro Los unterschiedlich und reichen von 10,97 Millionen Euro (fürs Los 4, also Managementberatung, Strategieentwicklung, Restrukturierung) bis hinunter zum Grünen Event, bei dem es um 40.000 Euro geht.

"Zuhältersystem"

Berater sehen in der geplanten Rahmenvereinbarung eine völlige Trendwende in der öffentlichen Beschaffung. Alle in der Liste genannten öffentlichen Einrichtungen können sich künftig aus dem Pool bedienen, weitere Ausschreibungen braucht es dafür nicht. Möglicherweise, so die Vermutung, könnten die potenziellen Kunden, so sie Förderungen bekommen, mit dem zarten Hinweis auf dieses Faktum dazu gebracht werden, auf die Pool-Beratungsgesellschaften zuzugreifen, als sich anderswo Berater zu suchen.

Das komme einem "Zuhältersystem" gleich, ätzt ein Berater, der nicht genannt werden will. Und, so glaubt er: Für jene kleinen, regionalen Beratungsunternehmen, die nicht zum Zug kommen, "könnte das den Tod bedeuten".

Keine Abrufpflicht

Bei der BBG hält man diese Befürchtung für unbegründet. Dass zehn Lose mit je sieben Anbietern ausgeschrieben sind, sorge dafür, dass bis zu 70 Betrieb den Zuschlag bekommen können. Es gehe um einen Service für die öffentliche Hand und darum, für Wettbewerb unter den Bietern zu sorgen, so ein BBG-Sprecher zum STANDARD.

Vergaberechtsexperte Martin Schiefer erinnert außerdem daran, dass eine Rahmenvereinbarung keine Abrufpflicht beinhaltet. Es gebe auch Unternehmen, die bei solchen Ausschreibungen deshalb oft gar nicht anbieten. Die öffentliche Hand darf trotzdem auch anderen Anbietern einkaufen. Da die BBG eine Bearbeitungsgebühr einhebt, könne es ab einem bestimmten Volumen günstiger sein, einen Auftrag selbst auszuschreiben, so Schiefer. (Renate Graber, Aloysius Widmann, 26.11.2020)