Jonas Jonasson (59) war Journalist, ehe er anfing, Bücher zu schreiben.

Foto: Sara Arnald

Rund 16 Millionen Bücher hat der Schwede Jonas Jonasson bisher verkauft. Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand machte ihn 2009 schlagartig berühmt. Darin kommt ein Rentner zufällig an einen Koffer voller Drogengeld. Im nächsten Buch stolperte eine minderjährige Latrinentonnenträgerin in das geheime südafrikanische Nuklearprogramm, im nächstfolgenden gründete der Mörder Anders mit einer Pfarrerin eine "Körperverletzungsagentur" – bis er plötzlich zu Gott fand. Im bisher letzten Buch landete der bereits bekannte, nun Hunderteinjährige auf einem nordkoreanischen Kriegsschiff und mitten in der angespannten Weltpolitik. Diese Bücher wurden in 45 Sprachen übersetzt.

Der Bedarf an leichter Unterhaltung ist also schon in ruhigeren Zeiten groß. Nun steht seit Wochen Jonassons neuestes Buch Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte auf der Bestsellerliste weit oben. Wovon handelt es?

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Am Anfang steht Victor. Ihn ärgert, dass der Kioskbesitzer Lasse seinen Laden an einen Araber verkauft hat. Victor mag Ausländer eben nicht, und auch die Gleichberechtigung der Frauen ist ihm suspekt. Deshalb will er in den Kunsthandel einsteigen, um neben reaktionärer Kunst auch seine "völkischen Ideale" direkt unter die Mächtigen zu bringen. Der Verweis auf einen erfolglosen Künstler Adolf aus Österreich fällt öfter. Vor großen Themen, verschnitten mit wahnwitzigen Handlungsverläufen, hat Jonasson bekanntlich keine Angst.

Kevin allein in der Savanne

Nur wenige Seiten, aber doch Jahre später hat Victor sich in der Galerie etabliert. Er will die Tochter des Hauses heiraten, um den Laden zu übernehmen und sie dann auszubooten. Von seinen Besuchen bei einer afrikanischen Prostituierten ist ihm aber ein Sohn entstanden. Das passt Victor gar nicht, weswegen er mit dem dunkelhäutigen Kevin, als er 18 wird, nach Kenia fliegt und ihn in der Savanne aussetzt. Die Löwen sollen den Rest erledigen, doch wird Kevin von dem Massai-Medizinmann Ole aufgelesen und erzogen. Als Kevin beschnitten werden soll, haut er aber ab und kehrt nach Stockholm heim. Er hat glücklicherweise noch den Schlüssel zu seiner ehemaligen Wohnung, wo er nun auf Jenny trifft, inzwischen die Ex-Frau seines leiblichen Vaters. Beide wollen es Victor heimzahlen.

Jonasson zieht keine Pointen unnötig in die Länge. Deshalb sind wir hier auch erst auf Seite 59 von 400.

Viel Platz, um die Handlung ein paarmal sich überschlagen zu lassen: Eine Racheagentur nimmt ihren Dienst gegen Victor auf, ein Kunstkrimi um Werke der realen südafrikanischen Künstlerin Irma Stern wird konstruiert, ein Mord mit einem Preiselbeerglas stellt einen Polizisten – mit den Gedanken schon im nahen Ruhestand – vor ein unlösbares Rätsel. Jonasson arbeitet nach dem Prinzip der Steigerung. Zufälle, Verwicklungen und überraschende Lösungen reichen sich die Hand. In der Fülle liegt die Kraft, es trägt das Buch aber manchmal aus der Spur.

Lieber eine Hütte zu viel

Dass Massai Ole in Schweden, wo er Kevin besucht, keine Rolltreppe kennt und sich mit der traditionellen Wurfkeule ungebührlich verhält, kann man als "Kulturverwirrung" durchgehen lassen. Mit einer in Zeiten von Debatten über politische Korrektheit selten gewordenen Flapsigkeit führt Jonasson aber auch in die Kultur der Massai ein: Im Idealfall hat ein Massaimann mehr Hütten als Frauen, damit er auch einen Schlafplatz hat, wenn die böse auf ihn sind. Massaifrauen wiederum gebären Kinder am laufenden Band. So werden aus Stereotypen einige hinsichtlich Rassismus und Sexismus fragwürdige Scherze.

Auch wenn Jonasson gern das Unwesen faschistischen Denkens und die Freiheit der Kunst als Motive des Buches betont, ist und bleibt es hochtouriger Klamauk. (Michael Wurmitzer, 26.11.2020)