Die Gründe, warum Frauen eine Schwangerschaft abbrechen, sind in Fachkreisen bereits weitgehend bekannt. Die Debatte, ob es auch genaue Zahlen über Abtreibung geben muss, besteht seit Jahrzehnten.

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Die Forderung ist nicht neu, hat aber über die Jahre nichts an Brisanz verloren: Braucht es in Österreich eine anonymisierte Statistik über Schwangerschaftsabbrüche und eine anonyme Erforschung der Motive, aus denen Frauen abtreiben? Wieder angefacht wurde die Debatte durch eine Bürgerinitiative unter dem Titel "Leben fördern. Fakten helfen", die der Verein Aktion Leben initiiert hat. Befürworterinnen eines möglichst niederschwelligen Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch kritisieren diese Forderung ebenso wie deren Hintergrund: "Aktion Leben" startete 1975 eine Volksabstimmung gegen die Fristenregelung. Heute ist der Verein nach eigenen Angaben nicht mehr gegen die Fristenregelung.

Dieser Hintergrund tat dem Zuspruch auf politischer Seite keinen Abbruch. Im Vorfeld des nächsten Petitionsausschusses am 3. Dezember, in dem die Initiative behandelt wird, haben nun die ÖVP-Ministerinnen Susanne Raab (Frauen und Integration) und Christine Aschbacher (Arbeit, Familie und Jugend) bekundet, die Forderung nach einer Statistik klar zu unterstützen.

Verhütung schützt besser

Entschieden anders sieht man dies auf grüner Regierungsseite. So sprach sich Meri Disoski, Frauensprecherin der Grünen, unmittelbar nach den positiven Stellungnahmen der Ministerinnen deutlich gegen eine Statistik aus. Wenn man Abtreibungen reduzieren wolle, müsse man auf Prävention setzen, auf eine zeitgemäße Sexualpädagogik und kostenlose Verhütung, wie es sie in anderen Ländern Europas gibt, so Disoki gegenüber dem STANDARD.

Rückendeckung für eine Statistik kommt hingegen von der ehemaligen ÖVP-Generalsekretärin, Volksanwältin und aktuellen Seniorenbund-Vorsitzenden Ingrid Korosec im STANDARD-Gespräch: "Diese Forderung gibt es bereits seit 20 Jahren. Es wäre für mich eine Selbstverständlichkeit, und ich kann überhaupt nicht verstehen, dass jemand gegen eine anonyme Statistik über Schwangerschaftsabbrüche sein kann." In vielen anderen medizinischen Bereichen seien solche Statistiken etwas völlig Normales. Korosec: "Etwa bei Krebserkrankungen. Es geht ja primär darum, die Motive zu erkennen, um Betroffenen entsprechend helfen zu können."

Und die Gründe, aus denen sich Frauen für den Abbruch einer Schwangerschaft entscheiden, seien eben sehr unterschiedlich. Korosec: "Wenn eine Frau sagt, sie will keine Kinder, dann wird es schwierig. Aber wenn eine Frau angibt, sie könne sich ein Kind aus finanzieller Sicht nicht leisten, dann sind wir als Gesellschaft sehr wohl gefordert."

Gründe sind bereits bekannt

Ähnlich äußert sich auch die ehemalige Frauenministerin Maria Rauch-Kallat: "Ich verstehe die Aufregung überhaupt nicht. Und zwar seit 1978 schon nicht." Es gehe ja nicht darum, jemanden auch nur ansatzweise in seiner Selbstbestimmung einzuschränken, "sondern entsprechende Hilfen anzubieten", sagt Rauch-Kallat.

Elke Graf, Geschäftsführerin des Ambulatoriums "Pro:Woman" in Wien, in dem auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, sieht keinen Sinn in einer Statistik. Stattdessen müsse in Prävention und kostenlose Verhütungsmittel investiert werden. "Was würden wir machen, wenn wir exakt die Zahlen kennen würden?", fragt Graf, die die Gefahr sieht, dass Frauen stigmatisiert würden. Und die Motive kenne sie bereits aus dem Ambulatorium, außerdem gäbe es dazu auch Studien. Die häufigsten Gründe sind: keine stabile Partnerschaft, die wirtschaftliche Situation und fehlende Zukunftsperspektiven hinsichtlich eines oder weiterer Kinder. Oft sind es auch mehrere Gründe, die sich in der aktuellen Lebenssituation der Frau überlagern. (Beate Hausbichler, Markus Rohrhofer, 25.11.2020)