Wie viele Restaurants werden dauerhaft zusperren müssen?

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Es ist einer der bemerkenswertesten Aspekte der Krise. Obwohl die österreichische Wirtschaft durch Corona-Pandemie und Lockdowns schwer getroffen ist, gehen weniger Unternehmen pleite als in guten Wirtschaftsjahren. Laut Kreditschutzverband von 1870 gab es bis zum dritten Quartal 2020 um ein Drittel weniger Insolvenzen als im vergangenen Jahr zur selben Zeit.

Grund dafür sind die staatlichen Milliardenhilfen. Außerdem halten Finanzamt und Sozialversicherungsträger still und beantragen aktuell keine Insolvenzen.

Damit verbunden stellen sich zwei Fragen: Wie viel von den Hilfsgeldern ist beim Fenster hinausgeschmissenes Geld, weil es bei Betrieben landet, die ohnehin bald zusperren müssen? Und wie groß wird die Pleitewelle sein, die einsetzt, wenn die Hilfen auslaufen?

Auf letztere Frage versucht die Oesterreichische Nationalbank in einer Simulation Antworten zu geben. Experten der Bank haben versucht abzuschätzen, wie viele Unternehmen bis Ende 2022 in die Insolvenz schlittern werden. Sagen lässt sich: Die Pleitewelle wird hoch.

Wie wurde gerechnet? Die Notenbanker haben Informationen aus diversen Datenbanken ausgewertet. So konnten Eigenkapital, Cash-Reserven und Bankguthaben, aber auch das Vermögen und die Verschuldung der heimischen Unternehmen in die Analyse einbezogen werden. Interessant ist vor allem jene Rechnung, die auch den zweiten Lockdown berücksichtigt. In diesem Szenario wird ein Wirtschaftseinbruch von heuer 9,2 Prozent angenommen, im kommenden Jahr würde die Wirtschaft um 3,5 Prozent wachsen.

Dramatische Zahlen in Gastronomie, Kunst und Freizeitwirtschaft

Wie entwickeln sich die Insolvenzen? Im Zeitraum 2020 bis Ende 2022 würden insgesamt 9,7 Prozent der heimischen Unternehmen pleitegehen. Aktuell gibt es laut Kreditschutzverband von 1870 560.000 Unternehmen, etwa 56.000 Betrieben würde also die Luft ausgehen. Die Insolvenzwelle würde nach und nach höher werden. Während es 2020 noch kaum Firmenpleiten gibt, soll laut Rechnung der Notenbanker 2021 und 2022 die Zahl der Insolvenzen stark zunehmen.

Zum Vergleich: In den Jahren 2017 bis 2019 lag die Insolvenzquote im Durchschnitt bei knapp unter einem Prozent pro Jahr. Über den Dreijahreszeitraum würden also mehr als dreimal so viele Betriebe eingehen.

Beachtlich sind einige Detailzahlen: Demnach würden 29 Prozent der Unternehmen in der Sparte Hotellerie und Gastronomie vom Markt verschwinden. In der Kunst und Freizeitwirtschaft sind es kumuliert bis Ende 2022 sogar 31 Prozent. In der Industrie zehn Prozent.

Diese Simulation berücksichtigt die staatlichen Hilfen, wie etwa Kurzarbeitsgeld, Umsatzsteuersenkung für Gastronomie und Haftungsübernahmen. Die jüngsten Maßnahmen im Lockdown wie der Umsatzersatz in der Gastronomie und im Handel, der recht üppig ausfällt, sind aber nicht eingerechnet. Dass aktuell weder Finanz noch Sozialversicherung Insolvenzanträge gegen Unternehmen stellen, ist berücksichtigt, nicht aber, dass diese Maßnahmen verlängert wurden, zuletzt bis Ende März 2021.

Dafür sind die Annahmen für den zweiten Lockdown optimistisch, er soll nur drei Wochen dauern.

Eigene Zahlen zu pessimistisch?

Bei der Nationalbank schien man ob der eigenen Auswertung etwas überrascht zu sein, nach dem Motto: nur nicht zu viel schlechte Stimmung verbreiten. Vizegouverneur Gottfried Haber betonte bei der Präsentation vor Journalisten, die Zahlen seien nicht als Prognose zu verstehen, sondern als eine Simulation.

Zudem wurde darauf verwiesen, dass die Nationalbank trotz des Lockdowns die Entwicklung 2020 nicht so pessimistisch sieht und der Wirtschaftseinbruch weniger als 9,1 Prozent betragen soll. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hatte zuletzt im Falle eines zweiten Lockdowns einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von fast zehn Prozent vorhergesagt.

Zudem wurde von den Nationalbankern betont, dass viele der Betriebe vom Aufschwung 2021 profitieren werden – und einer Insolvenz entkommen könnten, auch wenn auf dem Papier Eigenkapitalquote und Liquidität schlecht aussehen.

Veröffentlicht wurde die Simulation im Rahmen des Financial Stability Report, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Die Nationalbank interessiert dabei vor allem, wie sehr ansteigende Unternehmenspleiten auf die österreichischen Banken durchschlagen werden. Tenor der Ergebnisse hier: Die Pleiten werden das Eigenkapital der Banken belasten, die Puffer sind aber ausreichend, etwa deutlich höher als in der Finanzkrise 2009.
(András Szigetvari, 26.11.2020)