Diego Armando Maradona Franco (1960–2020).

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Buenos Aires – Die argentinische Fußball-Ikone Diego Maradona ist im Alter von 60 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Das bestätigte sein Sprecher Sebastian Sanchi am Mittwoch. Erst am 3. November hatte sich der Weltmeister von 1986 in einer Privatklinik in Buenos Aires wegen eines Blutgerinnsels einer Gehirnoperation unterzogen. Acht Tage später konnte er das Krankenhaus verlassen. Sein Leibarzt Leopoldo Luque bezeichnete die Entwicklung seines Zustandes zu diesem Zeitpunkt als "zufriedenstellend".

Maradona fungierte seit 2019 als Trainer der Vereins Gimnasia y Esgrima La Plata. Nach der Corona-Pause und vor seiner Operation erschien er aber nur einmal kurz im Stadion, um Glückwünsche und Geschenke nach seinem 60er am 30. Oktober entgegenzunehmen. Dabei musste er von zwei Begleitern gestützt werden. Das Match selbst verfolgte er auf Anraten seines Arztes von zuhause aus. In der Obhut seiner Familie sollte er sich erholen. Mit seiner Ex-Frau Claudia und drei weiteren Müttern seiner offiziell fünf Kinder, ja mit dem Nachwuchs selbst lag Maradona häufig im Clinch.

Schon gehört?

Seine Krankenakte war lang: Er erlitt mindestens zwei Herzinfarkte, erkrankte an Hepatitis, litt an Depressionen und ließ sich wegen Übergewichts einen Magen-Bypass legen. Zudem war Maradona mehrfach wegen Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs in Behandlung. Die Regierung in Buenos Aires rief am Mittwoch eine dreitägige Staatstrauer aus. Der Jahrhundertfußballer erhält ein Staatsbegräbnis.

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Maradona überspielt England – das Tor des Jahrhunderts fällt bei der WM 1986 in Mexiko.
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Das Tor des vergangenen Jahrhunderts kann man sich nicht oft genug anschauen. Es passiert am 22. Juni 1986 vor 114.580 Zuschauern im Aztekenstadion in Mexiko-Stadt. Diego Maradona bekommt in der eigenen Spielhälfte seinen besten Freund, den Ball. Rund 60 Meter sind es bis zum gegnerischen Tor. Dazwischen befindet sich die englische Mannschaft. Maradona überspielt einen nach dem anderen, und sein Tanz durch die Abwehr endet mit dem 2:0 für Argentinien.

Das Tor des vergangenen Jahrhunderts.
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Das erste Tor ist nicht minder berühmt, aber nicht der Ästhetik des Spiels wegen. Maradona erzielt es mit der Hand. Die TV-Bilder lassen keinen Zweifel. Die Engländer protestieren. Der tunesische Schiedsrichter Ali Ben Naceur sieht den Regelbruch nicht. Die Argentinier gewinnen das WM-Viertelfinale mit 2:1.

Nachher sagt Maradona: "Es war ein bisschen die Hand Gottes und ein bisschen Maradonas Kopf." Im Finale passen die Deutschen gut auf den genialsten Kicker seiner Zeit auf, der später gemeinsam mit seinem Vorgänger, dem großen Brasilianer Pelé, vom Weltverband zum Fußballer des 20. Jahrhunderts gewählt wird. Dennoch liefert Maradona den Pass zum entscheidenden 3:2 durch Jorge Burruchaga. Argentinien ist zum zweiten Mal nach 1978 Weltmeister.

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Maradona auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Mit dem 3:2-Finalsieg gegen Deutschland avancierte Argentinien 1986 zum Weltmeister.
Foto: AP/ Carlo Fumagalli

Bei der einschlägigen Premiere beim Heimturnier darf Maradona nicht mitwirken. Teamchef Cesar Luis Menotti hält den damals 17-Jährigen, der zwar bereits als 16-Jähriger im Nationalteam debütiert, für zu unreif. Diese Tatsache wiederum trägt wesentlich zur ungeheuerlichen Popularität Maradonas dabei. Schließlich wird der Titel 1978 unter der Militärdiktatur errungen, und Maradona siegt 1986 für das demokratische Argentinien.

Bei der WM 1982 in Spanien wird Maradona gnadenlos manngedeckt und geschnalzen und beim 1:3 gegen Brasilien in der Zwischenrunde nach einem Revanchefoul ausgeschlossen. 1990 in Italien verliert Maradona mit Argentinien das Finale gegen Deutschland mit 0:1.

Sein letztes Spiel für die Albiceleste

1994 in den USA nimmt Maradona zum vierten Mal an einer WM teil. Und stürzt vom ballesterischen Olymp in die Finsternis. Erst geigt er auf, schießt ein Tor zum 4:0 gegen Griechenland und trägt maßgeblich zum 2:1 gegen Nigeria bei. Es handelt sich um sein letztes Spiel für die Albiceleste. Nach der Partie liefert Maradona eine positive Dopingprobe ab – in seinem Urin befindet sich ein Drogencocktail, so etwa Ephedrin. Der Superstar behauptet, dass er unschuldig ist und von der Fifa verfolgt wird. Die freilich schließt ihn vom Turnier aus. Argentinien scheitert im Achtelfinale mit 2:3 an Rumänien.

In Neapel stieg Maradona in den Rang eines Heiligen auf.
Foto: Imago/Obuzzi

Es ist nicht das erste und noch lange nicht das letzte Mal, dass Maradona mit Drogenaffären schockt. 1991 wird er in Neapel positiv auf Kokain getestet. Und später in Abwesenheit wegen Kokainbesitzes zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt. Just dort, wo er als Spielmacher des SSC Napoli bei den Fans aufsteigt in den Rang eines Heiligen.

Schließlich beschert er den Süditalienern 1987 und 1990 die ersten Meistertitel ihrer Klubgeschichte, zudem gewinnt Napoli den italienischen Cup, den Supercup und den Uefa-Cup. Zuvor, bei seinem Gastspiel in Barcelona von 1982 bis 1984, kann er sich nicht durchsetzen. Dazu trägt auch ein Beinbruch nach einem brutalen Foul bei.

Turbulentes Leben

"Ich glaube, er hält sich für Gott. Und das ist der Grund für alles Schlechte in seinem Leben." Das sagt Hector Pezzella, einer der vielen Ärzte, die mit Diego Maradona zu tun hatten. Pezzella ist Leiter der psychiatrischen Klinik in Buenos Aires, in die Maradona 2007 nach exzessivem Alkoholkonsum eingeliefert wird. Anno 2000 wird er nach einer Überdosis Kokain in die Klinik eingeliefert.

Aufwärmen wie kein anderer.
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Bei seinem Freund Fidel Castro auf Kuba gibt er sich eine Entziehungskur. 2004 entgeht er nach einem Herzinfarkt dem Tod. 2005 ist er so dick, dass er sich in Kolumbien den Magen verkleinern lässt. Zudem wird er zum schlechtesten TV-Moderator Argentiniens gekürt. Bei der WM 2010 in Südafrika macht Argentiniens Nationalheld den Teamchef der Albiceleste. Die wird im Viertelfinale von Deutschland mit 4:0 gedemütigt.

Viertes von acht Kindern

Das bizarre Leben des Diego Armando Maradona beginnt am 30. Oktober 1960. Er kommt als viertes von acht Kindern eines Nachtwächters einer Mehlfabrik auf die Welt, verbringt seine Kindheit im Slum Villa Fiorito bei Buenos Aires. Wie Bruder Hugo, der sich freilich nicht einmal bei Rapid durchsetzen kann. Kickt wie kein anderer, erwirbt sich den Spitznamen Pibe de Oro (Goldbub), unterzeichnet bei den Argentinos Juniors mit 16 seinen ersten Profivertrag. "Damals habe ich erstmals den Himmel berührt", sagt er einmal. (Sigi Lützow, Benno Zelsacher, 25.11.2020)

Diego!
Foto: APA/dpa/Norbert Försterling