Michael Flynn wird von den US-Behörden nicht mehr juristisch belangt: Donald Trump begnadigte ihn am Dienstag.

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Washington – US-Präsident Donald Trump hat seinen früheren Sicherheitsberater und engen Wahlkampfmitarbeiter von 2016, Ex-General Michael Flynn, begnadigt. Der US-Präsident bestätigte den Schritt, über den US-Medien schon seit einigen Tagen spekuliert hatten, am Dienstagabend via Twitter. Es sei ihm "eine große Ehre, bekanntzugeben, dass General Flynn eine vollständige Begnadigung erhält", teilte Trump mit.

Flynn war das erste ehemalige Mitglied der Trump-Regierung, das sich im Zuge der Nachforschungen zur etwaigen Einflussnahme Russlands auf die Präsidentenwahl 2016 zugunsten Trumps schuldig bekannt hatte. Er hatte gestanden, dass er über Gespräche mit dem damaligen russischen Botschafter in den USA, Sergej Kisljak, nur Wochen vor Trumps Amtsübernahme die Unwahrheit gesagt habe – und zwar gegenüber Ermittlern ebenso wie im Gespräch mit Vizepräsident Mike Pence.

Auch Lobbying für Erdoğan

Trump hat wiederholt gesagt, Flynn habe kein Gesetz gebrochen. In der Affäre geht es um den Verdacht, dass sich Mitarbeiter des Trump-Teams mit Moskau abgesprochen haben könnten. Flynn war deswegen zuletzt im Frühjahr vor Gericht gestanden. Das Justizministerium hatte damals in letzter Minute eine Klage gegen Flynn zurückgezogen, was die zuständigen Staatsanwälte – wegen des massiven politischen Einflusses – zum Rückzug vom Fall veranlasste. Auch die zuständige Richterin hatte den Rückzug der Klage zunächst nicht angenommen und eine neue Prüfung des Falles verlangt.

Neben den Lügen über Gespräche mit Kisljak war Flynn auch verbotenes Lobbying für die Türkei vorgeworfen worden. Er hatte schon kurz nach der Wahl 2016 einen Artikel in der Online-Zeitung "The Hill" publiziert, in dem die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan massiv gelobt wurde. Erst später wurde klar, dass Flynn dies im Auftrag der Türkei getan hatte. Als Lobbyist eines ausländischen Staates hatte er sich aber nie registrieren lassen, obwohl das in diesem Fall vorgeschrieben gewesen wäre.

Flynn war im Wahlkampf 2016 häufig gemeinsam mit Trump auf der Bühne gestanden. Vor allem fiel er dabei mit hasserfüllter Rhetorik gegenüber dem Islam auf, den er unter anderem als "bösartiges Krebsgeschwür" bezeichnete. Außerdem hatte er gesagt, Angst vor Muslimen zu haben sei "rational". Auf der Bühne hatte der einstige Leiter des Militärgeheimdienstes DIA häufig in die "Lock her up!"-Chöre eingestimmt, mit denen Trump und seine Anhänger die Inhaftierung seiner damaligen Gegnerin Hillary Clinton forderten, ohne aber konkrete juristische Vorwürfe gegen sie nennen oder gar belegen zu können.

Vor Gericht war er später unter anderem von Sidney Powell vertreten worden. Das ist jene Anwältin, von der sich Trump vor wenigen Tagen trennte, nachdem sie Verschwörungstheorien über angeblichen Betrug bei der US-Wahl verbreitete, die offenbar sogar dem Präsidenten zu weit hergeholt erschienen.

Die ersten Reaktionen der Demokraten auf Flynns Begnadigung fielen erwartungsgemäß kritisch aus. Adam Schiff, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, der maßgeblich am Impeachment gegen Trump beteiligt war, sprach auf Twitter von neuerlichem Amtsmissbrauch. Es sei keine Überraschung, dass Trump sein Amt verlasse, so wie er es betreten hatte: "korrupt". Jerrold Nadler, Schiffs demokratischer Kollege an der Spitze des Justizausschusses, teilte mit, die Begnadigung sei "unverdient, prinzipienlos und ein weiterer Fleck im schnell dahinschmelzenden Vermächtnis des Donald Trump".

Beobachter machten indes deutlich, dass noch völlig unklar sei, für welche Anklagen die Begnadigung überhaupt gelte. Flynns Lügen beim FBI und seine nicht registrierte Lobby-Tätigkeit seien zwei unterschiedliche Belange. Zudem sei möglich, dass die zuständige Richterin in seinem Prozess ihn noch wegen Verstoßes gegen Gerichtsvorgaben belangen wolle.

Flynn selbst äußerte sich zunächst nur in kryptischer Form zur Angelegenheit. Er twitterte kurz vor Bekanntwerden der Begnadigung die Worte "Jeremiah 1:19" und eine US-Flagge. Das ist ein Verweis auf das Buch Jeremia in der Bibel. In der Einheitsübersetzung lautet die entsprechende Passage: "Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des Herrn."

Auch Begnadigung für Trump selbst?

Es wird davon ausgegangen, dass die Begnadigung Flynns nicht die letzte eines ehemaligen Trump-Mitarbeiters bleiben wird, bevor der Präsident am 20. Jänner aus dem Amt scheidet und durch seinen bereits gewählten Nachfolger Joe Biden ersetzt wird. ABC News berichtete unter Berufung auf Trump-Mitarbeiter, von weiteren Schulderlässen in regelmäßigen Abständen werde nun ausgegangen. Mehrere ehemalige Mitarbeiter des Präsidenten sind, vor allem durch die Nachforschungen von Sonderermittler Robert Mueller, ins Fadenkreuz der Justizbehörden gelangt. Seinen Vertrauten Roger Stone hatte Trump schon im Juli unter heftiger Kritik der Opposition einen Großteil seiner Strafe erlassen.

Auch Trump selbst könnten nach Ende seiner Tätigkeit im Weißen Haus Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und möglicher Steuervergehen drohen. Es wird daher darüber spekuliert, dass er sich selbst begnadigen könnte. Weil aber rechtlich umstritten ist, ob ein amtierender Präsident dies insbesondere ohne vorheriges Schuldeingeständnis tun kann, kursiert in Washington auch eine andere Variante: Trump könnte kurz vor Ende seiner Amtszeit zurücktreten und sich von Vize Mike Pence von aller Schuld freisprechen lassen. (Manuel Escher, 25.11.2020)