Ein Drittel aller Lebensmittel wird weltweit verschwendet. In Österreich sollen nun Maßnahmen gegen die Verschwendung ausgearbeitet werden. Auch ein Wegwerfverbot für den Handel ist in Planung.

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Magen oder Mistkübel? Lebensmittel gehören schon der Definition nach in Ersteren. Unzählige Tonnen an Essen landen dennoch Jahr für Jahr im Mistkübel. Türkis-Grün will nun etwas gegen Lebensmittelverschwendung unternehmen. Der Konsumentenschutzausschuss hat einen Entschließungsantrag angenommen, der von der Umweltministerin einem umfassenden Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung verlangt. Dass es einen solchen geben soll, steht ohnehin im Koalitionspakt.

Nun soll also der Stein ins Rollen kommen. Geplant sind noch wenig konkrete Maßnahmen, vielmehr sollen zunächst einmal bestehende Gesetze und Fördersysteme evaluiert und mögliche Stellschrauben gefunden werden. Auch soll es eine nationale Koordinierungsstelle und eine bessere Datenbasis über die Wertschöpfungskette geben. Aber der Entschließungsantrag sieht auch eine ganz konkrete Maßnahme im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung vor: Dem Lebensmittelhandel soll verboten werden, genusstaugliche Waren zu entsorgen.

Zwiegespaltener Handel

Beim Handelsverband signalisiert man zwar keine Ablehnung der Pläne, aber durchaus Skepsis. Der Anteil des Handels an den Lebensmittelabfällen in Österreich liege im niedrigen einstelligen Bereich. Außerdem müsse man auch an den gesetzlichen Rahmenbedingungen schrauben, damit die Maßnahme für den Handel nicht teuer wird, sagt Rainer Will, Geschäftsführer der Interessenvertretung. Er warnt: Verschenken Händler Lebensmittel, müssen sie Vorsteuer zahlen. Schreiben Händler die Ware ab, gilt sie als verdorben– und darf nicht mehr verkauft werden. Verdorbene Lebensmittel zu verschenken birgt für Händler Risiken, weil diese für die Qualität der Ware haften.

Dass es im Lebensmittelhandel auch bisher schon zu keinen Verschwendungsorgien kommt, wird in der Begründung zum Entschließungsantrag anerkannt. Durch Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung würden pro Jahr bereits 12.250 Tonnen genussfähige Lebensmittel an soziale Einrichtungen weitergegeben und 10.000 Tonnen nicht verkäufliche Lebensmittel zu Tierfutter weiterverarbeitet, heißt es in dem Antrag.

Zusammenarbeit aller Beteiligten

Es soll aber noch mehr getan werden, so die Parlamentarier. Der türkis-grüne Entschließungsantrag sieht allerdings nicht vor, dass Händler vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Die Maßnahmen sollen in enger Zusammenarbeit mit den österreichischen Handelsunternehmen, Produzenten und karitativen Organisationen ausgearbeitet werden. Welche Gesetzesänderungen für das Wegwerfverbot notwendig sind, solle im Rahmen der Evaluierung ausgelotet werden, so eine Sprecherin des Grünen Parlamentsklubs mit Blick auf die Sorgen der Händler.

Laut Fortschrittsbericht zum Bundesabfallwirtschaftsplan, landen alleine in österreichischen Haushalten rund 260.000 Tonnen Lebensmittel im Restmüll – 92,7 Prozent davon wären demnach vermeidbar.

Eine Schätzung der vermeidbaren Lebensmittelabfälle entlang der Wertschöpfungskette hat die Organisation WWF angestellt. Demnach fallen in Österreich vermeidbare Abfälle von 577.000 Tonnen pro Jahr entlang der ganzen Wertschöpfungskette an, exklusive der Mengen aus Landwirtschaft, Großhandel und bestimmten Entsorgungswegen im Haushalt (Gartenkompostierung, Kanal usw.).

Ein Drittel geht verloren

Laut Welternährungsorganisation gehen 14 Prozent der Lebensmittel auf ihrem Weg vom Feld in den Supermarkt verloren. Rechnet man jene Nahrungsmittel hinzu, die im Handel und in Privathaushalten weggeworfen werden, steigt die Summe Schätzungen zufolge auf rund ein Drittel. Anfang des Jahres erschien eine internationale Studie, die die weltweite Lebensmittelverschwendung deutlich höher einschätzt als bisher angenommen (DER STANDARD berichtete).

Wie es auch sei: Der Entschließungsantrag sieht auch eine Kampagne zur Bewusstseinsbildung für Konsumenten vor, um die Verschwendung in den Haushalten zu verringern. "Der zunehmende Anfall an Lebensmittelabfällen belastet unsere Umwelt und befeuert die Klimakrise. Abfälle zu vermeiden ist daher auch ein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz", erklärt Ulrike Fischer von den Grünen. (Aloysius Widmann, 27.11.2020)