"Falter"-Chefredakteur Florian Klenk (hier im Juni) hat sich strafrechtlich gegen "Krone"-Mitarbeiter Michael Jeannée nicht rechtskräftig durchgesetzt.

Foto: Christian Fischer

Wien – Darf man Florian Klenk, Chefredakteur des "Falter", in der "Kronen Zeitung" vorwerfen, ein "gefährlicher Diffamierer" zu sein, ein "Verbreiter von Halbwahrheiten, Dreistigkeiten, Unwahrheiten", ein "Schmutzkübel und Anpatzerchef"? Darf man nicht, wie "Krone"-Kolumnist Michael Jeannée nun feststellen muss. Richter Stefan Romstorfer verurteilte den unbescholtenen 77-Jährigen am Dienstag wegen übler Nachrede und Beleidigung nicht rechtskräftig zu 14.400 Euro Geldstrafe, die Hälfte davon unbedingt. Weitere 6.000 Euro muss die "Kronen Zeitung" an Klenk zahlen.

Das Verfahren läuft einigermaßen ungewöhnlich ab, da Jeannée die Möglichkeit wahrnimmt, als Angeklagter in einem Privatanklageverfahren nicht zu erscheinen und sich als Person von seiner Verteidigerin vertreten lässt. "Alle Beteiligten müssen sich jetzt mich als den Herrn Jeannée vorstellen. Ich weiß, dass das schwierig ist", stellt die Verteidigerin daher zu Beginn fest.

Verteidigerin ist gleichzeitig Angeklagter

Auch für den Richter ist die Situation ungewohnt: "Die Frage an den Angeklagten, also die Vertreterin des Angeklagten: Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig?" Die Antwort lautet "nicht schuldig". Die Jeannée-Seite ist überzeugt, dass in der "Post von Jeannée" in der Abendausgabe des 11. Septembers beziehungsweise der Ausgabe des 12. Septembers 2019 mit den eingangs erwähnten Beschreibungen keine üble Nachrede verübt worden sei.

Inhaltlich geht es darum: Der "Falter" hatte Buchhaltungsunterlagen der ÖVP veröffentlicht und spekuliert, dass die Partei im Nationalratswahlkampf 2019 die gesetzliche Kostenobergrenze überschreiten würde. Die ÖVP widersprach, Jeannée warf sich für die Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei in die mediale Bresche und attackierte den "Falter"-Chefredakteur. Ohne bei ihm oder irgendwem anderen zu recherchieren.

Klenk will "keine Eitelkeitsshow"

Für Klenk, der als Zeuge auftritt, und seinen Anwalt Klaus Keider ein Unding, wie sie ausführen. "Ich bin sonst kein Prozesshansl", erklärt Klenk dem Richter. Aber der Vorwurf, Unwahrheiten zu verbreiten und zu insinuieren, er habe Material manipuliert, sei der schwerste, dem man einem Qualitätsjournalisten öffentlich machen könne. "Ich will da jetzt keine Eitelkeitsshow machen, aber ich habe viele Journalistenpreise gewonnen", hält er fest und betont, den "Falter" seit Jahren eben als Gegenpol zu Fake-News zu positionieren.

Dazu komme, dass er in die Entstehung der ÖVP-Geschichte gar nicht involviert gewesen sei, da er auf Urlaub war. Und: Man habe am Abend des 11. Septembers die "Kronen Zeitung" kontaktiert und auf den bedenklichen Inhalt hingewiesen. Einzige Folge: Die "Post von Jeannée" wanderte von der Seite zwei am Abend auf die Seite 24 am Morgen.

Die Verteidigerin versucht herauszuarbeiten, ob in der "Falter"-Geschichte tatsächlich Fehler gewesen sind – und wird immer wieder vom emotionalen Anwalt Klenks unterbrochen, bis Romstorfer eingreift. Schließlich habe Klenk selbst auf Twitter berichtet, die ÖVP moniere "drei kleine Fehlerchen". Selbst wenn das so wäre, würde es ja gerade demonstrieren, dass der "Falter" Fehler öffentlich richtigstellt und Jeannées Vorwürfe, er manipuliere, daher widerlegen.

Auf "Bolschewistenblattl" angesprochen

Schwerer tut sich der Chefredakteur mit der Begründung konkreter Nachteile, denn aus der Journalistenbranche habe er einhellige Unterstützung erhalten. Aber: Die "Kronen Zeitung" sei das reichweitenstärkste Printmedium des Landes, er habe sich von "Krone"-Lesern in seinem Heimatort durchaus auf sein "Bolschewistenblattl" ansprechen lassen müssen.

Richter Romstorfer kann den Prozessparteien noch berichten, dass eine Verurteilung Jeannées durch das Handelsgericht Wien in der Causa mittlerweile vom Oberlandesgericht bestätigt und damit rechtskräftig geworden sei. Er selbst verurteilt Jeannée zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 120 Euro, die Hälfte davon bedingt. Ersatzweise bedeutet das zwei Monate Freiheitsstrafe. Die "Kronen Zeitung" muss Klenk für die Abendausgabe 2.000 und die Ausgabe des 12. Septembers 4.000 Euro zahlen, die er an ein Kinderhospiz spenden will.

Fraglos Wertungsexzess

"Das Ganze ist üble Nachrede, gar keine Frage", stellt Romstorfer in seiner Begründung klar. "Das müssen Sie sich auf jeden Fall nicht gefallen lassen", es sei ein Wertungsexzess. Da der Angeklagte aber unbescholten sei und der Strafrahmen bis zu einem Jahr betrage, sei er mit der Geldstrafe im unteren Drittel geblieben, da ein konkreter Nachteil für Klenk schwierig zu beurteilen sei. "Man weiß, von wem es kommt", meint der Richter.

Da beide Streitparteien Bedenkzeit nehmen, ist die Entscheidung nicht rechtskräftig. Sie führt allerdings zu einer etwas skurrilen Situation: Im März hatte Richter Hartwig Handsur Jeannée zu einer Geldstrafe von 9.000 Euro verurteilt, allerdings lediglich wegen Beleidigung für den Ausdruck "verderbte Figur". Der Chefredakteur berief erfolgreich dagegen und gewann nun vorerst, allerdings sank die Strafe. (Michael Möseneder, 26.11.2020)