Die Software gleicht Bilder von Überwachungskameras oder anderen Quellen mit Fotodatenbanken der Polizei ab.

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Für den türkisen Innenminister Karl Nehammer ist der Fall klar. Der polizeiliche Einsatz der neuen Gesichtserkennungssoftware ist für ihn rechtlich völlig in Ordnung. Dieser sei durch das Sicherheitspolizeigesetz gedeckt, wie er aktuell in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage festhält. Dabei beruft er sich auf den Paragrafen 75 (Zentrale erkennungsdienstliche Evidenz), der es Sicherheitsbehörden erlaubt, "erkennungsdienstliche Daten" zu verarbeiten. Dies passiert in Sachen Gesichtserkennung auch beachtlich oft. Zwischen Dezember des vergangenen Jahres und 1. Oktober dieses Jahres kam sie 931-mal zum Einsatz, um 1.343 verdächtige Personen zu überprüfen. Überbordend, wie es in einer "Kurier"-Meldung dazu heißt.

Eigene rechtliche Grundlage nötig

Die Juristin und Links-Politikerin Angelika Adensamer sieht den Einsatz der Software als problematisch an. Sie widerspricht Innenminister Nehammer, da es keine explizite Rechtsgrundlage für Gesichtserkennung gebe. "Tiefgreifende Veränderungen in der Art der Datenverarbeitungen bedürfen einer eigenen rechtlichen Grundlage", sagt sie zum STANDARD. Die erkennungsdienstliche Evidenz wurde im Jahr 1991 im Gesetz verankert und wurde seither "nicht bezüglich der Art der Verarbeitung oder neuer Technologien geändert". Es ist also möglich, dass der Einsatz der Software zumindest auf wackligen Beinen steht und dieser von Gerichten geklärt werden muss.

Grüne: Kein Grund "für Alarmismus"

Der grüne Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr sieht hingegen keinen Grund "für Alarmismus". Da "die Software zur Gesichtserkennung nur unter sehr präzisen, eng gefassten Voraussetzungen eingesetzt wird", wie er in einer Aussendung schreibt. Auch sei die Software mit einem "Automaten vergleichbar, der Beamten dabei hilft, Fotos, die bei Straftaten angefertigt wurden, mit der Kartei jener Menschen abzugleichen, die schon einmal erkennungsdienstlich behandelt wurden".

Tatsächlich gleicht die Software Bilder von Überwachungskameras oder anderen Quellen mit Fotodatenbanken der Polizei ab. Etwa wenn jemand bei einem Einbruch von einer Kamera gefilmt wird. Ursprünglich hieß es seitens des Innenministeriums, die Software werde nur bei schweren Delikten eingesetzt. Daraus wurde nichts, sie kommt mittlerweile unter anderem bei Diebstahl oder Urkundenfälschung zum Einsatz.

"Details zum genauen Vorgehen werden hierzu nicht bekanntgegeben"

Ob die Software im Zuge der Ermittlungen nach dem islamistischen Terroranschlag in Wien eingesetzt wurde, wollte das Innenministerium nicht sagen. Auf die entsprechende Anfrage gab es folgende Antwort: "Es wird auf alle zur Verfügung stehenden Ressourcen zurückgegriffen, die nützlich erscheinen, um die Straftat aufzuklären. Dazu gehört eine Vielzahl an Ermittlungsschritten sowie die Verwendung verschiedener zweckmäßig erscheinender technischer Hilfsmittel. Details zum genauen Vorgehen werden hierzu nicht bekanntgegeben." (Markus Sulzbacher, 27.11.2020)