Lernen im Lockdown ist schwer, Unterricht in Covid-Zeiten ebenso sehr.

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"Unsere Schule hat schon kapituliert", berichten Eltern der Volksschule im Salzburger Stadtteil Gnigl. Obwohl sich Kinder wie Eltern auf Onlineunterricht eingestellt hätten, ist dieser an einer der größten Volksschulen des Bundeslandes seit Wochenbeginn de facto ausgesetzt.

Die Zahl der zu betreuenden Kinder sei zu hoch, zusätzlich befänden sich auch Lehrerinnen und Lehrer im Krankenstand, heißt es in einem Schreiben an die Eltern. Die Rede ist von rund einem Drittel der Schülerinnen und Schüler, die nach wie vor kommen – macht 150 junge Menschen im Gebäude. Zusätzlich würden die Gruppengrößen nach den Corona-Bestimmungen die Lage erschweren. "Dadurch können wir uns nicht auf den Onlineunterricht konzentrieren, sondern müssen Betreuungsdienst leisten", heißt es in dem Schreiben weiter.

Lernpaket statt Unterricht

Nun gibt es eben wieder paketweise Lern- und Übungsmaterial zu Wochenbeginn, "es ist wie im ersten Lockdown im Frühjahr", berichtet eine Mutter. Statt des zugesagten Unterrichts hätten die Kinder nur noch in der Früh Gelegenheit, ihren Lehrkräften Fragen zu stellen.

Der Salzburger Bildungsdirektor Rudolf Mair – zuständig für insgesamt 360 Schulen – kennt den konkreten Fall zwar nicht, bestätigt aber, dass die Kombination von "Betreuung in der Schule und Distance-Learning für die Lehrer und Lehrerinnen eine besonders fordernde sei. Für kommende Woche hätte sich Salzburg-weit bereits rund ein Drittel aller Schüler der Grund- und Sekundarstufe angemeldet. Mair: "Der Bedarf steigt."

Ein Viertel der Volksschulkinder in Betreuung

Immer mehr Kinder und Jugendliche gehen also trotz Lockdown in die Schule – und das nicht nur in Salzburg. Jeden Donnerstag melden die Bildungsdirektionen den voraussichtlichen Betreuungsbedarf für die Folgewoche an das Ministerium. Die Prognose für kommende Woche: Österreich-weit werden rund 16,8 Prozent der Lernenden aus dem Pflichtschulbereich zur Betreuung an den Schulen erwartet. Für die laufende Woche wurde mit 14,6 Prozent der Volksschüler, Mittelschülerinnen und Jugendlichen aus der AHS-Unterstufe gerechnet. Wie viele tatsächlich gekommen sind, wird immer freitags auf den neuesten Stand gebracht. Den größten Betreuungsbedarf gibt es bei den Kleinsten – laut Planung werden kommende Woche österreichweit rund 25,9 Prozent der Volksschulkinder zur Schule gehen.

Was auffällt: Anders als beim ersten Lockdown (mit drei bis fünf Prozent vor Ort) wird jetzt ein großer Teil der Kinder explizit an die Schulen geholt. Quer über Österreich verteilt betrifft das 17.106 Schülerinnen und Schüler, die unter dem Stichwort "angeordnete Anwesenheiten" geführt werden – macht 14 Prozent. Doch die Bundesländer machen von der Möglichkeit, speziell förderbedürftige Kinder trotz Distance-Learning zum Schulbesuch zu verpflichten, ganz unterschiedlich Gebrauch: Während man es im Burgenland, in Kärnten und in Salzburg bei Empfehlungen belässt, wollen Niederösterreichische und Wiener Lehrkräfte rund 21 Prozent aller Pflichtschülerinnen und Pflichtschüler per formale Anordnung nicht aus den Augen verlieren.

Auf Stand-by

Die Bildungsdirektionen sind in der Zwischenzeit mit der Vorbereitung auf das mögliche Ende des Schul-Lockdowns beschäftigt. Wenn am Wochenende des 5. und 6. Dezember wie geplant tausende Lehrerinnen und Lehrer zum Covid-Massentest antreten, muss tags darauf, wenn laut Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) der Unterricht an den Schulen wieder aufgenommen werden soll, trotzdem ausreichend Personal bereitstehen. Weil aber anzunehmen ist, dass ein bestimmter Prozentsatz der Pädagoginnen und Pädagogen mit positivem Testergebnis nicht einsatzfähig sein wird, soll der Pool an Notlehrkräften aktiviert werden. Das sind Lehramtsstudierende, die sich zum Corona-Einsatz gemeldet haben – 1.800 laut Auskunft des Bildungsressorts. Auch sie können sich übrigens freiwillig zum Corona-Massentest melden.

Im Burgenland gibt es ganze sechs Studierende, die sich ein solches Spontanmanöver vorstellen können. Wenn mehr Lehrkräfte ausfallen sollten, gilt es, kreativ zu werden: Da könnten Kolleginnen und Kollegen ersucht werden, mehr Stunden zu übernehmen, oder es könnten jene mit halben Lehrverpflichtungen ihre Stunden aufstocken. Ähnliches planen die Behörden in den anderen Bundesländern. In Kärnten und Tirol gibt es gar eine Corona-bedingte Lehrkraftreserve, die bereits vor dem Lockdown immer dort eingesprungen ist, wo es Ausfälle gab.

Mehr Platz

Der Bildungsminister wendet sich in der Zwischenzeit mit einer anderen Bitte an die Schulen und Gemeinden: Sie mögen sich umschauen, wo es zusätzliche Räume gibt, in denen der Unterricht künftig stattfinden kann. In dem gemeinsam mit Gemeindebundpräsident Alfred Riedl verfassten Schreiben denkt Faßmann etwa an Festsäle, Mehrzweckhallen oder Schulungsräume, die von Pflichtschulen genutzt werden könnten. Sinn und Zweck der Übung: Es gilt ja nach wie vor, dass möglichst wenige Menschen auf möglichst viel Raum zusammentreffen sollen. Am besten wandern also ganze Klassen vorübergehend aus. Dass es demnächst so weit sein wird, daran hat der Minister anscheinend keinen Zweifel: "Mit Montag, dem 7. Dezember 2020, werden alle Schulen wieder in den Präsenzbetrieb wechseln", schreibt er. (Thomas Neuhold, Karin Riss, 27.11.2020)