Ludwig Hirschfeld, "Was nicht im Baedeker steht". 23,– Euro / 240 Seiten. Milena-Verlag, 2020

Cover: Milena

In Wien verschwinden laut Peter Altenberg nicht erst aktuell zunehmend die verruchten "Apachenkneipen" und Nachtcafés, in denen man zwar "gewurzt, aber nicht beraubt" wird. Überhaupt grassiere, so Altenberg, im Dienstleistungsgewerbe die Nachlässigkeit beziehungsweise die Unlust, seinen beruflichen Aufgaben nachzugehen. Dazu geselle sich auch noch der Trinkgeldunfug. Dies alles geschehe allerdings nun einmal in Wien.

Wir lassen uns unsere Stadt zwar nicht schönreden, das Schlechte aber sei hier grundsätzlich gut und lieb gemeint. Der Wiener jedenfalls ist laut dem Autor Ludwig Hirschfeld "auf die Dauer nicht sehr lustig und übermütig". Sicheres Zeichen dafür: Wenn der Wiener einen Sonntagsausflug mache, wirke er in seinem Grant so, als ob er es nicht mehr erwarten könne, endlich wieder "heimzukehren in den Wochentag".

Ludwig Hirschfeld veröffentlichte diese Zeilen im Jahr 1927. Seitdem hat sich in Wien zwar einiges verändert. Allerdings ist an manchen Klischees auch nicht mittels der etwaigen Erbringung von Gegenbeweisen zu rütteln. Dass der Wiener gern nörgelt und stänkert und das Leben insofern genießt, als er darauf wartet, dass dieses vorübergeht, ist ein Fakt. Dieser bahnt sich immer wieder auch in Hirschfelds jetzt wiederentdecktem Stadtporträt Wien. Was nicht im Baedeker steht seinen Weg.

Frohgemut und satirisch

Hirschfeld war im Wien der Zwischenkriegszeit ein beliebter Feuilletonist für leichte Themen. Er hatte eine heitere Kolumne im Radio und schrieb längst vergessene Boulevardkomödien. Möglicherweise aus Gründen der Ernährung seiner Familie nahm er widerwillig den Auftrag an, einen alternativen Reiseführer als Gegenpol zum seriösen Baedeker-Wien-Führer zu verfassen.

Er legte seine Arbeit frohgemut und satirisch an. So erfährt der Leser nicht nur von den strengen, aber unterwanderbaren Baderegeln auf dem Gänsehäufel, von längst vergessenen Restaurants, Bars und Kaffeehäusern als natürlichem Habitat Hirschfelds. Auch der Wurstelprater, der Fußballplatz, das Burgtheater oder das Kaufhaus Gerngroß finden Erwähnung.

Das Frauenbild Hirschfelds war der damaligen Zeit angemessen katastrophal. Siehe das Kapitel "Die Wienerin". Heilige, Hure, wenig dazwischen. Dies wird in Martin Amanshausers ausgezeichnetem Nachwort hinreichend erklärt. Hirschfelds Leben endete tragisch. Er wurde mit seiner Familie im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. (Christian Schachinger, 9.12.2020)