Ludwig Laher, "Schauplatzwunden. Über zwölf ungewollt verknüpfte Leben". 20,– Euro / 192 Seiten. Czernin, 2020

Cover: Czernin

Als der Soldat Josef Mayer zu Weihnachten 1940 auf Fronturlaub heim ins oberösterreichische Neukirchen darf, hat er sicher anderes im Sinn. Doch findet er seine Frau im Bett mit dem Bürgermeister. Es kommt zum Zwist mit dem Ortsobersten. Am nächsten Morgen wird der Betrogene festgenommen und ins Arbeitserziehungslager Weyer transportiert. Es folgen vier Tage voll Misshandlung, dann erliegt er seinen Verletzungen.

Bereits 2001 recherchierte Ludwig Laher für Herzfleischentartung zum Wüten des Nationalsozialismus. In Schauplatzwunden zeichnet er nun zwölf tatsächliche Biografien literarisch nach. Die Personen verbindet, dass sie 1940 und 1941 im Arbeitserziehungslager in Weyer-Sankt Pantaleon inhaftiert oder tätig waren.

Darunter auch Alois Auleitner: Er ist 24, als er 1940 zum Kriegsdienst nach Lothringen versetzt wird, anreist, aber am Tag vor Dienstantritt wieder kehrtmacht. Ist es Heimweh? Jedenfalls wird das dem Burschen zum Verhängnis, und er wird als asozial interniert. Er hat es vergleichsweise gut erwischt, wird überleben, aber danach wieder in den Krieg eingezogen und fallen.

Opferschicksale

Aufgrund von Dokumenten und Gesprächen mit Zeugen und Nachkommen zeichnet Laher Opferschicksale nach. Im Zuge der "Behebung der Zigeunerplage" kommt etwa Marie Haas ins Lager, wo sie bald ein Kind zur Welt bringt. Dem Bub Rudolf ist nur ein kurzes Leben von vier Wochen beschieden, ehe er an "Lebensschwäche" verstirbt.

Aufseiten der Täterklüngel heftet der Autor sich hingegen an die Spuren des stellvertretenden Lagerchefs Gottfried Hamberger, dem Fanatiker ist dank des Regimes der Aufstieg vom Maurer möglich geworden. Die menschenverachtenden Umstände in seinem Lager sind bald bekannt.

Die Staatsanwaltschaft untersucht schon 1940 Fälle von Umgekommenen, doch auch nach dem Krieg kommt der Verantwortliche glimpflich davon. Laher schildert, wie wenige nicht auf Linie gebrachte Staatsanwälte wie Josef Neuwirth vergebens versuchen, den Rechtsstaat im Unrechtsregime zu wahren. Erschütternde Berichte. (Michael Wurmitzer, 12.12.2020)