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Nicola Sturgeon will nach der Wahl einen neuen Anlauf zur Unabhängigkeit Schottlands wagen.

Foto: Reuters/Andy Buchanan

London/Edinburgh – Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon geht mit dem Versprechen eines baldigen Unabhängigkeitsreferendums in die Regionalwahl im Mai. "Das Referendum sollte aus verschiedensten Gründen zu Beginn der nächsten Legislaturperiode stattfinden", sagte Sturgeon am Freitag dem Sender BBC. Einen Sieg ihrer Schottischen Nationalpartei (SNP) sähe sie als Auftrag für ein neuerliches Votum.

Sturgeon argumentiert, dass sich der Status Schottlands durch den Brexit geändert habe. Im Jahr 2014 votierten die Schotten mit 55 Prozent für den Verbleib im Vereinigten Königreich. Zwei Jahre später wurden sie aber beim Brexit-Referendum überstimmt. Während sie sich klar für die EU-Mitgliedschaft aussprachen, gab es aufgrund der ablehnenden Haltung im bevölkerungsreicheren England eine Mehrheit für den Brexit. Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs wurde im Jänner formalisiert. Sturgeon hatte erfolglos gegen den Brexit gekämpft und strebt nun eine EU-Mitgliedschaft des unabhängigen Schottlands an.

Unabhängigkeitsbefürworter in Umfragen voran

Aktuelle Umfragen zeigen die Befürworter einer Unabhängigkeit Schottlands beständig voran, mit Werten von 51 bis 59 Prozent. Die konservative Zentralregierung in London lehnt eine neuerliche Volksabstimmung ab und sieht die Frage der schottischen Unabhängigkeit durch das Votum des Jahres 2014 als geklärt an. Schottland wird seit dem Jahr 1603 von London aus regiert, als der schottische König Jakob VI. auch zu König Jakob I. von England wurde. Formalisiert wurde die Union erst durch die Schaffung des Königreichs Großbritannien im Jahr 1707.

Der Konflikt um die schottische Unabhängigkeit schwelt bereits seit Jahrzehnten. Frühere sozialdemokratische Regierungen versuchten, ihm durch Autonomieregelungen die Spitze zu nehmen. So hat Schottland seit dem Jahr 1999 ein eigenes Parlament mit Regelungsbefugnissen, unter anderem auch in Steuerfragen. Dieses zunächst von der Labour Party dominierte Parlament ist aber in den vergangenen Jahren zur politischen Plattform der linksnationalistischen SNP geworden, die seit dem Jahr 2007 in Edinburgh regiert. Auch die überwältigende Mehrheit der schottischen Unterhausabgeordneten gehört mittlerweile der SNP an.

"Johnson Gefahr für Zusammenhalt"

Auch aus Wales kommt Kritik an der Regierung in London. Der walisische Regierungschef Mark Drakeford hat den britischen Premierminister Boris Johnson als Gefahr für den Zusammenhalt des Landes kritisiert. "Der Premierminister ist derjenige, der am meisten zum Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs beiträgt", sagte Drakeford der Deutschen Presse-Agentur. Die Haltung von Johnsons konservativer Regierung zu starken Landesparlamenten in Wales, Schottland und Nordirland sei "feindlich und unterminierend", so Drakeford weiter.

Der walisische Regierungschef Mark Drakeford war gegen den Brexit.
Foto: AFP

Der britische Premierminister Johnson hatte jüngst vor allem mit Blick auf die schottische Unabhängigkeitsbewegung gesagt, die Verlagerung wichtiger Rechte auf die Landesparlamente – die vor gut 20 Jahren eingeführte "Devolution" (Dezentralisierung) – sei ein "Unglück" und der "größte Fehler" von Ex-Premier Tony Blair (1997–2007) gewesen. Kritiker werfen Johnson vor, er wolle die Corona-Krise nutzen, um den Griff der Zentralregierung in London auf die Landesteile Schottland, Wales und Nordirland wieder zu stärken. Der größte Landesteil England hat kein separates Parlament.

Beim britischen Brexit-Referendum 2016 hatte eine knappe Mehrheit der Waliser für den Austritt aus der EU gestimmt. Drakeford betonte, dass die Regierung in Cardiff damals zum Verbleib in der Gemeinschaft geraten habe. "Und nichts, was ich seitdem erlebt habe, lässt mich glauben, dass das ein schlechter Rat war", sagte der Politiker der oppositionellen Labour Party. Drakeford betonte, dass es in Wales im Gegensatz zu Schottland keine nennenswerten Unabhängigkeitsbestrebungen gebe. (APA, red, 27.11.2020)