Wenige Mails verschickt, selten an Team-Chats teilgenommen: Microsoft zeigt derartige Informationen Arbeitgebern auf Wunsch nun an.

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Der Schreibtisch daheim ist immer häufiger der tägliche Arbeitsplatz, weswegen Microsoft Arbeitgebern nun ein Tool zur Verfügung stellt, das die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter überwacht. Dabei können Manager anhand einer prozentuellen Angabe sehen, wie "produktiv" die einzelnen Angestellten laut der Berechnung sind. Als Basis dienen Aktivitäten im Paket Office 365 – angefangen von der Bearbeitung von Mails bis hin zu dem Zugriff im Netzwerk. Doch Chefs können auch einsehen, wer zum Beispiel wenige Mails verschickt, selten chattet oder in einem geteilten Dokument nicht partizipiert.

Umfassende Überwachung

Bei Datenschützern sorgt das nun für massive Kritik. "Es ist ein No-Go, dass Manager Mitarbeiterdaten auf individuellem Level verarbeiten", schreibt der Datenschützer Wolfie Christl in einem Twitter-Thread. "Esoterische" Metriken dieser Art seien bisher das Gebiet von unbekannten Anbietern am Rande des Software-Marktes gewesen, nun mache Microsoft mit – und verwandle damit Microsoft 365 zu einem ausgefeilten Überwachungsprogramm.

Die Informationen zu einzelnen Mitarbeitern könnten zwar deaktiviert werden, seien aber standardmäßig eingeschaltet. Zusätzlich sammelt Microsoft diese Informationen ja selbst – und hat dadurch einen Zugriff auf die umfassenden Daten anderer Organisationen. "Ich bin mir sicher, dass Arbeitgeber das in den meisten EU-Ländern nicht nutzen dürfen. Ich bin mir sicher, dass es in Österreich und Deutschland nicht rechtmäßig ist", sagt Christl.

Dem stimmt die Arbeiterkammer zu: Ohne Zustimmung des Betriebsrats oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung ist selbst das Mitlesen von Arbeitsmails unzulässig. Ein Mitlauschen bei Telefongesprächen oder eine Überwachung der Arbeitsleistung durch Videokameras ist grundsätzlich verboten.

Microsoft: Freiwilliges Werkzeug

Christl kritisiert zudem, dass das Unternehmen nun die Macht habe, anhand von arbiträren Metriken potenziell das tägliche Leben von Millionen Mitarbeitern zu beeinflussen – und womöglich auch zu verändern, wie der Ablauf in Unternehmen funktioniert. "Arbeitgeber missbrauchen vermehrt Metadaten, die von Software und Geräten aufgezeichnet werden, für Performance-Analysen und algorithmische Kontrolle", schreibt der Datenschützer. Microsoft biete nun die Werkzeuge dafür an.

Microsoft erklärte, wie der britische "Guardian" berichtet, dass die Produktivitätsbewertung eher ein freiwilliges Werkzeug sei, um IT-Administratoren Infos über die Verwendung der Technologie und Infrastruktur zu liefern. Auf diese Weise könnten Unternehmen das Beste aus den Tech-Investitionen, die sie getätigt haben, machen – und reguläre Probleme anpeilen, wie beispielsweise lange Ladezeiten, ineffiziente geteilte Dokumente oder schlechte Netzwerkverbindungen.

Nachfrage steigt

Dass die Infos auch über individuelle User geteilt werden, würde geschehen, damit IT-Administratoren technischen Support leisten könnten. Daher sei die Bewertung "kein Tool zur Überwachung in der Arbeit". "Es geht darum, neue Wege zu arbeiten zu finden, Mitarbeiter mit großartigen Kollaborations- und Technologieerfahrungen auszustatten", heißt es. Beispielsweise würden die Nutzerdaten nur in einem Zeitraum von 28 Tagen gesammelt werden.

Die Nachfrage nach Überwachungstools für Arbeitgeber ist seit Beginn der Pandemie massiv gestiegen. Beispielsweise verzehnfachten sich die Nutzungszahlen des Onlinedienstes "Sneek" innerhalb weniger Wochen – dieses zwingt Nutzer dazu, die Webcam dauerhaft eingeschaltet zu lassen. (muz, 27.11.2020)