Eine Menge Fichten ist nicht unbedingt das Gleiche wie ein richtiger Wald.
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Österreich mag gemäß Donald Trumps Expertise ein Land sein, dessen Bewohner im Wald leben und dort ganze Waldstädte errichtet haben. Die Wirklichkeit weicht von diesem Bild elbischer Harmonie mit der Natur "überraschenderweise" dann aber doch etwas ab. Das zeigt ein aktueller Bericht, den der WWF beim E.C.O. Institut für Ökologie in Kärnten in Auftrag gegeben hat. Demzufolge sind nur etwa elf Prozent der heimischen Wälder in sehr gutem Zustand, also natürlich oder zumindest sehr naturnah. Und nur 0,8 Prozent stünden unter effektivem Schutz.

Sorge um die Gesundheit der Wälder

Dieser "erste unabhängige Waldbericht für Österreich 2020" trägt denn auch den Titel "Wald in der Krise". Intensive Bewirtschaftung wird darin als Hauptfaktor genannt, warum artenreiche und naturnahe Wälder in der Minderheit sind. Monokulturen, übermäßige Entnahmen, Forststraßenbau und zu große Wildbestände seien nicht zuletzt auch Ursachen für die Schädlingsanfälligkeit der Wälder.

Es geht dabei nicht um Naturromantik, sondern darum, den Lebensraum Wald gegenüber Umweltschäden – und nicht zuletzt dem Klimawandel – fit zu halten. "Übernutzte Wälder sind weder für die Artenvielfalt noch im Kampf gegen die Klimakrise eine große Hilfe", warnt WWF-Waldexpertin Karin Enzenhofer. Auch die Autoren des rund 100-seitigen Berichts sehen für die genannten Herausforderungen gesunde und vitale Wälder "als eine notwendige und unabdingbare Basis".

Maßnahmen

Ein Problem zu erkennen und benennen ist aber bereits der erste Schritt, es auch zu lösen. Und so beinhaltet der Bericht eine Reihe von Vorschlägen, wie sich der Zustand der heimischen Wälder verbessern ließe. Einfach nur weniger Holz zu nutzen, als nachwächst, sei nicht die alleinige Lösung – die Waldfläche (gegenwärtig bei 48 Prozent) sei ohnehin am Steigen. Wichtiger sei ein Fokus auf die Qualität der Wälder, die auf dieser Fläche wachsen.

Eine Maßnahme wäre die Schaffung effektiver Anreizsysteme, "um den Laubholzanteil deutlich zu steigern und den Fichtenanteil stark zu reduzieren", so die Autoren. Ausreichend Totholz, das Vorhandensein verschiedener Baumarten unterschiedlichen Alters und ein gesunder Waldboden müssten ebenfalls garantiert sein: "Struktur- und Artenvielfalt sind jene Faktoren, die unsere Wälder zukunftsfit machen und sie gegen die Auswirkungen der Klimakrise wappnen."

Auch auf eine faire Entlohnung für die Besitzer der Wälder dürfe nicht vergessen werden. Nachdem die Forstwirtschaft durch fallende Preise und Borkenkäferbefall unter Druck steht, fordern die Autoren des Berichts die Entwicklung von Einkommensmöglichkeiten in neuen Leistungsbereichen, indem etwa Biodiversitäts- und Artenschutz oder Kohlenstoffspeicherung forciert werden.

Beispiel für Renaturierung

Dass solche Maßnahmen tatsächlich greifen, können die Autoren anhand eines Beispiels belegen, wie sich Wälder nach Einstellung der Intensivbewirtschaftung von selbst wieder erholen: Im Gebiet des heutigen Nationalparks Kalkalpen in Oberösterreich wurde bereits um das Jahr 1500 der Wald mittels Kahlschlägen genutzt, berichten die Autoren. "Bis zur Gründung des Nationalpark Kalkalpen setzten sich die Wälder des Hintergebirges zu rund zwei Dritteln aus Nadelhölzern zusammen. Neben Tanne, Lärche und Kiefer war die Fichte die dominierende Hauptbaumart."

1997 wurde dann der Nationalpark mit einer Fläche von rund 21.000 Hektar gegründet, und es setzte ein Wandel zurück zu dem, was die natürliche Vegetationsform wäre, ein: Der Anteil der Buchen an der Waldfläche vergrößerte sich um 22 Prozent, der der Fichten ging um zehn Prozent zurück – und der Holzvorrat stieg um zwölf Prozent.

Der WWF fordert daher eine allgemeine Trendwende in der Waldbewirtschaftung: "Damit unser Wald seine Funktion als Klimaanlage, Kohlenstoffspeicher und Lebensraum für unzählige Organismen wieder voll und ganz ausüben kann, braucht es ein auf Ökologie ausgerichtetes Fördersystem und einen effektiven Schutz für die letzten Naturwälder", sagt Enzenhofer. Würde auf das Gleichgewicht geachtet, stünden die Nutzung von Naturräumen und der Erhalt der Artenvielfalt nicht in Widerspruch zueinander. (red, 27. 11. 2020)