Eliot Weinberger, "Neulich in Amerika". Herausgegeben von Beatrice Faßbender. 16,50 Euro / 272 Seiten. Berenberg, 2020

Cover: Berenberg

Nach der US-Wahl kursierte ein Bilderwitz in sozialen Medien: Jack Nicholson sitzt in seiner berühmten Rolle aus Einer flog über Kuckucksnest neben Donald Trump in Zwangsjacke und meint zu ihm: "You still think you are president, don’t you?"

Freudianisch gedeutet, verschafft uns die Pointe Lustgewinn durch die Vorstellung, dass Trump endlich dort ist, wo er hingehört. Die Realität freilich sieht anders aus, und nicht nur wer daran zweifelt, sollte Eliot Weinberger Essaysammlung Neulich in Amerika lesen: kein Buch über Trump, sondern eine Anthologie des Wahnsinns, der seine Amtszeit definiert hat – und auch Joe Biden noch nachts wachhalten wird.

Der 71-jährige US-Autor, der in Zeitschriften wie The New York Review of Books publiziert, ist ein nüchterner Chronist, der sich an Fakten hält. Er sammelt Ereignisse, Zitate und "fait divers", die er zu Mosaiken montiert, in denen die Sollbruchstellen des Landes klarer zutage treten.

Weinberger hält fest, was man – so ungeheuerlich es auch ist – ansonsten schnell wieder vergisst. Statt der Abstumpfung, die beim medialen Alltagskonsum unweigerlich eintritt, wird einem beim Lesen nochmals die Monstrosität eines Regimes bewusst, das mit allen Traditionen gebrochen hat, nur nicht mit jener, die Interessen des Großkapitals zu bedienen.

Steigbügelhalter

Ein Vorteil von Weinbergers Methode ist, dass man ganz von selbst zu diesen Erkenntnissen gelangt. "Ein Sommer in Amerika" von 2019 ruft so nicht nur die Lager für Migrantenkinder in Erinnerung oder die Diffamierung der progressiven Linken um Alexandria Ocasio-Cortez, sondern etwa auch die Allianz von Mitch McConnell mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska – Ersterer ist bekanntlich nach wie vor einer der mächtigsten US-Republikaner.

Schon in dem noch George Bush Jr. gewidmeten, ersten Teil des Buches fühlt Weinberger der Grand Old Party mit seinem Prosagedicht "Die Republikaner" an den faulen Zahn, am Ende steht das Leugnen des Fiaskos in der Eindämmung von Covid-19.

Trump mag politisch am Ende sein, dieses Buch bezeugt, dass es seine Steigbügelhalter noch lange nicht sind. (Dominik Kamalzadeh, 19.12.2020)