Ein Schweinebetrieb ist kein besonders schöner Ort – vor allem dann nicht, wenn es um die große Produktion geht.

Foto: Jakob Pallinger

Wer hineinwill, muss sich vorbereiten: ausziehen, duschen, in einen Overall schlüpfen, Patschen anziehen und eine weiße Haube aufsetzen. "Damit Keime und andere Viecher draußen bleiben", erklärt Franz Reinisch, "und wir weniger Impfungen und Medikamente brauchen." Er öffnet die Tür ins Innere des Schweinebetriebs: ein langer dunkler Gang, mit dutzenden Türen auf beiden Seiten und einem beißenden, säuerlich-süßen Gestank in der Luft. "Hier sind die Mütter", sagt Reinisch und entriegelt eine der Türen: vierzig Schweineboxen mit vierzig Schweinemüttern, mit hunderten Ferkeln. Landwirtschaftliche Idylle ist das nicht, eher industrielle Effizienz. "Nur wenn man es groß macht, macht es Sinn", sagt Reinisch.

Tatsächlich gehört der Schweinebetrieb in Hainsdorf in der Südsteiermark zu den größten in Österreich. Rund 100.000 Ferkel züchtet Reinisch jedes Jahr. Ab einem Gewicht von 30 Kilogramm verkauft er sie an andere Bauernhöfe in Österreich weiter. Tierschützer laufen gegen Betriebe wie jenen von Reinisch schon seit Jahren Sturm, kritisieren Haltungsbedingungen, Futtermittel- und Medikamenteneinsatz und versuchen den Betrieben so den Garaus zu machen.

"Ist der Geruch schlimm?", fragt Franz Reinisch kurz vor dem Eintreten in seine Schweinezucht. Anrainer hätten sich bei ihm jedenfalls noch nie beschwert.
Foto: Jakob Pallinger

Seit der Corona-Pandemie, den Krankheitsausbrüchen in deutschen Schlachthöfen und der Tötung von Millionen Nerzen in Dänemark ist die Kritik an der Massentierhaltung international laut geworden. Das führt mitunter sogar zu politischen Spannungen: Erst vor kurzem soll sich in der ostchinesischen Stadt Tianjin ein Lagermitarbeiter mit Coronaviren an der Oberfläche eines tiefgefrorenen Schweinskopfs aus Nordamerika angesteckt haben.

Die Fälle rücken nicht nur den globalen Fleischexport, sondern auch die Tierproduktion und das Tierwohl in den Fokus, gleichzeitig geht die Angst vor neuen Krankheiten in der Massentierhaltung um – und das, obwohl sich nur sehr wenige Tiere direkt mit dem Coronavirus anstecken können. Müssen wir das Verhältnis zu den Schweinen, Rindern und Hühnern auch in unserem Land überdenken?

Wo die Tiere leben

Fährt man mit dem Auto oder Zug durch Niederösterreich, Oberösterreich oder die Steiermark, dann sind Kühe, Schweine oder Hühner ein eher seltener Anblick. Und noch seltener begegnet man auf der Strecke den Almrindern, glücklich suhlenden Schweinen oder frei gackernden Hühnern, die uns jeden Tag von den Milch-, Eier- oder Wurstpackungen im Supermarkt entgegenlächeln. Denn die meisten Tiere leben nicht auf der Weide, sondern in Ställen oder Zuchthallen – vor allem dann, wenn es um die großen Betriebe geht, die die meisten Schnitzeln, Liter Milch oder Eier beisteuern.

"In Österreich gibt es einen eindeutigen Trend zur Konzentration", sagt Martin Schlatzer, Ernährungsökologe an der Universität für Bodenkultur in Wien. "Es gibt immer weniger Betriebe, die dann aber immer mehr Tiere halten." So halten elf Prozent der Schweinebetriebe in Österreich rund 68 Prozent aller Schweine mit mindestens 400 Tieren im Betrieb. 17 Prozent aller Rinderbetriebe halten rund die Hälfte aller Rinder mit mindestens 50 Rindern. Und 1,3 Prozent beziehungsweise 707 Betriebe hielten im Jahr 2013 rund 83 Prozent aller Legehennen mit mehr als 2.000 Tieren.

"Im Vergleich zu Holland oder Dänemark ist das immer noch wenig. Aber weil die Bauern bei uns im internationalen Wettbewerb stehen, müssen sie mit dem Wachstum mithalten", sagt Schlatzer. Wer groß ist, bekommt mehr Förderungen aus der EU, kann mehr automatisieren und damit billiger produzieren. "Es herrscht ein enormer Preisdruck, kleinere Betriebe bleiben oft auf der Strecke."

Krankheiten bei Stress

"Ob ich 1.000 oder 10.000 Schweine füttere, macht bei den Mehrkosten keinen so großen Unterschied", sagt Schweinezüchter Franz Reinisch. Freilich greife er dafür neben Getreide und Mais auch auf "Soja aus Übersee" zurück – Futter, das jeden Tag über einen Hebel von einem der dreizehn Mitarbeiter in die Schweinehallen gekippt wird. Dann zappeln und quieken die Mutterschweine aus jedem der Räume entlang der Produktionshalle. Schön ist das alles nicht, die dunklen Räume, die Gitterboxen, die Spaltenböden und vielen Schweine auf vergleichsweise engem Raum.

"Umso mehr die Tiere auf Leistung gezüchtet sind und umso mehr Stress sie haben, desto anfälliger sind sie für Krankheiten aller Art", sagt Madeleine Petrovic, Präsidentin vom Verein Tierschutz Austria.

Seit Monaten macht der Verein mobil gegen die "Gefahr", die von der Intensivtierhaltung ausgehen soll. Der Fall der dänischen Nerze hat den Tierschützern nun noch mehr Auftrieb verschafft. Durch die "genetischen Verarmung" der Tiere und das Zusammenleben auf engem Raum werde es immer häufiger zu Krankheitsausbrüche kommen, so Petrovic. Das betreffe nicht nur das Coronavirus, sondern auch viele andere Erkrankungen.

"Den Schweinen geht es gut"

Allerdings sollte man groß nicht mit schlecht gleichsetzen, sagt Schlatzer. Mit guter Betreuung und Haltungsbedingungen könne auch in großen Betrieben auf das Tierwohl, die Gesundheit der Mitarbeiter und Umwelt geachtet werden. Und auch anderen Experten zufolge können in der Intensivtierhaltung Krankheiten größtenteils vermieden werden, indem geimpft wird, mehr Platz vorhanden ist und der Kontakt mit Wildtieren vermieden wird.

"Für die Tierschützer ist es leicht, mich als böse hinzustellen", sagt Reinisch. "Es kann jeder herkommen, um sich das anzuschauen, und mir sagen, was ich besser machen soll." Ohnehin gehe es den Schweinen bei ihm gut. "Ein Schwein will im Dunkeln sein und seine Ruhe haben." Die Boxen, in denen die Muttersauen für ein paar Wochen mit den Ferkeln liegen, würden verhindern, dass die Mütter die Ferkel erdrücken. "Wenn die Schweine zu viel Platz und Licht haben, gibt es mehr Kämpfe und Probleme", sagt er.

Die sogenannte Kastenstandhaltung ist in Österreich grundsätzlich verboten, allerdings dürfen bestehende Anlagen in einer Übergangsfrist bis 2033 weiterbetrieben werden.
Foto: Jakob Pallinger
Laut Produzenten wie Reinisch soll die Haltung das Erdrücken der Ferkel verhindern, da die Sauen nur liegen und aufstehen können. Tierschützer widersprechen dem Argument.
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Milchbetrieb der Superlative

Rund 300 Kilometer weiter, in Pfaffing in Oberösterreich, macht Johann Konrad gerade einen Kontrollgang durch seinen Betrieb. Er muss schauen, ob die Melkroboter richtig funktionieren. Drei dieser Roboter hat der Landwirt auf seinem Hof, sie sind ununterbrochen im Einsatz und überwachen nebenbei den Gesundheitszustand der Kühe. 360 Milchkühe, 350 Maststiere und insgesamt tausend Tiere leben in seinem Betrieb, 2,6 Millionen Liter Milch produziert Konrad im Jahr – für österreichische Verhältnisse ein Hof der Superlative. Dabei arbeiten auf dem Betrieb lediglich noch seine Frau, sein Sohn und ein anderer Mitarbeiter.

Jeden Tag um halb fünf steht Johann Konrad auf, um den ersten Kontrollgang zu machen. Fast jeden Morgen wartet eine neue Kalbgeburt.
Foto: Jakob Pallinger

Die Kühe sind in mehreren Ställen aufgeteilt, ohne eigene Weide, dafür an der frischen Luft und nicht angebunden. Es gibt einen eigenen Stall für trächtige Kühe, rund 450 Kälber kommen bei dem Milchbauern jedes Jahr zur Welt. Die Milch verkauft Konrad an Salzburg-Milch, die Maststiere an einen Schlachthof aus dem Ort, sagt er.

Jeder Melkroboter schafft rund 70 Kühe am Tag. Die Tiere werden mit Futter ins Innere gelockt, der Roboter prüft, ob mit der Kuh und ihrer Milch alles in Ordnung ist.
Foto: Jakob Pallinger

Bio braucht zu viel Fläche

"Früher gab es noch viele kleine Milchbauern in der Umgebung, heute bin ich einer der wenigen, die übriggeblieben sind", sagt Konrad. In den letzten dreißig Jahren hat er den Betrieb immer weiter vergrößert, getrieben von neuen Investitionen und dem Kostendruck, der von den Supermärkten vorgegeben werde – "ein Teufelskreis", so Konrad. Er könne zwar als Vollerwerbsbauer von seinem Betrieb leben, reich werde er davon aber nicht. "Das ganze Geld muss ohnehin wieder in den Betrieb gesteckt werden."

Warum er nicht biologisch produziert? "Bei so großen Betrieben ist bio schwierig", sagt er. Er zeigt zu den bewaldeten Hügeln rund um seinen Bauernhof: "Das müsste dann alles Weidefläche sein." Zehn Hektar mehr bräuchte er dafür.

Der Stall bei Johann Konrad ist offen, und die Tiere können sich dort frei bewegen. Aber für Bio reicht das noch lange nicht.
Foto: Jakob Pallinger

"Die Konsumenten wollen billiges Fleisch"

Rund 18 Prozent der österreichischen Milchkühe, zwei bis drei Prozent der Schweine, rund elf Prozent der Legehennen und etwa 2,4 Prozent der Masthühner im Land werden biologisch gehalten. Jedes Jahr importiert Österreich mehr als 300.000 Tonnen Fleisch von überall auf der Welt.

In der Südsteiermark sieht Schweinezüchter Reinisch das Problem bei den Kunden: "Fleisch ist halt billig. Das wollen die Konsumenten." Daran könnten auch die Corona-Pandemie und der Aufruhr um die deutschen Schlachthöfe vorerst wenig ändern. "Der Konzentrationsprozess in der Tierhaltung wird voraussichtlich auch in den nächsten Jahren weitergehen", sagt Schlatzer.

Neue Konzepte für die Zukunft

Aus rein ökologischer Sicht wäre eine Landwirtschaft mit weniger Tieren wohl die schonendste Lösung. Aber solange das Fleisch noch nicht aus Zellkulturfabriken kommt, müsste dann jeder größtenteils auf Fleisch und tierische Produkte verzichten – nicht nur in Österreich, sondern weltweit.

Aus dem jungen Kalb am Betrieb in Pfaffing soll bald die nächste Milchkuh werden.
Foto: Jakob Pallinger

Eine Entwicklung, die viele Experten derzeit noch in weiter Ferne sehen. Stattdessen erproben Landwirte gemeinsam mit Tierschützern neue Formen der Tierhaltung, die sowohl das Tierwohl als auch den Umweltschutz im Blick haben sollen. In Deutschland entwickelte ein Landwirt beispielsweise einen "Offenstall" für 2000 Schweine. Die Tiere sind an der frischen Luft, haben mehr Platz, einen Strohbereich und können eigenständig auf Futtersuche gehen. Und auch mobile Ställe könnten in Zukunft nicht nur bei der Hühner-, sondern auch bei der Schweinehaltung zum Einsatz kommen. Diese können alle paar Wochen auf der Weide versetzt werden, sodass sich die Schweine dort frei bewegen können. Im Supermarkt müssen die Kunden für diese Produkte dann aber wohl auch mehr Geld in die Hand nehmen.

Welche Tierwohlstandards Gütesiegel und gesetzliche Vorgaben bei der Schweinehaltung erfüllen. Grün = erfüllt; Gelb = teilweise erfüllt; Orange = nicht erfüllt.
Foto: AK Oberösterreich, Vier Pfoten, Stand: Mai 2020

Resistentere Züchtungen

Dafür müssten Hochleistungsrassen aber auch resistenteren Züchtungen weichen, die weniger Medikamente brauchen und auch außerhalb des Stalls vor Krankheiten geschützt sind, sagt Tierschutz-Austria-Präsidentin Madeleine Petrovic. Zudem brauche es ganz allgemein mehr Transparenz bei der Herkunft und Haltung der Tiere.

"Ich habe nichts zu verbergen. Jeder kann herkommen und sich den Betrieb anschauen", sagt Johann Konrad aus Pfaffing. Seit einigen Jahren hat er seinen Hof auch für Besichtigungen von Schulklassen geöffnet. Und immer wieder würden auch Menschen vorbeikommen, um ihm Haustiere oder andere Nutztiere zu überlassen, die im Tierheim oder anderen Höfen keinen Platz mehr haben.

Die Hochlandrinder am Betrieb von Johann Konrad werden nicht geschlachtet. "Sie sind einfach schön anzuschauen", sagt er.
Foto: Jakob Pallinger

Auch deshalb leben auf seinem Hof mittlerweile zwei Dutzend Katzen, Ziegen, Schweine, Schafe, mehrere Hochlandrinder und Hühner. Die Ziegen und Schafe laufen frei über den Hof, für die Schweine hat Konrad einen eigenen Strohbereich angelegt. "Das ist ein reines Hobby von mir, mich mit diesen Tieren zu beschäftigen", sagt Konrad. "Und sie lassen mich andere Sorgen für kurze Zeit vergessen." (Jakob Pallinger, 29.11.2020)