Foto: Screenshot Oe24

Die Plattform oe24.at der Fellner-Mediengruppe hat nach Ansicht des Presserats mit einem Video, auf dem ein Mann vor einem Supermarkt von der Exekutive erschossen wird, den Ehrenkodex für die österreichische Presse verletzt. Videos von tödlichen Schüssen zeigte oe24.tv zuletzt auch vom Terroranschlag in Wien. Dazu gibt es eine Sondersitzung des Presserats.

Nach Meinung des Senats 2 des Presserats verstößt der Beitrag "Mann wird erschossen, nachdem er einen Cop mit Messer bedroht", erschienen am 31. Juli 2020 auf oe24.at, gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse. Die Fellner-Mediengruppe habe sich an dem Verfahren vor dem Presserat nicht beteiligt.

Notruf und Polizeivideo

Die Plattform verwendete laut Presserat für den Beitrag Ton- und Videomaterial der Polizei. Darunter der Notruf einer Supermarktmitarbeiterin, ein betrunkener Mann mit einem Messer sei im Supermarkt und bedrohe Kunden. Videoaufnahmen zeigten den Polizeieinsatz. Darauf sei der Mann mit dem Messer vor dem Supermarkt zu sehen; er sei deutlich erkennbar, betont der Presserat. Eine Polizistin fordere ihn mehrmals auf, das Messer wegzulegen. Der Mann wirke aufgewühlt, schreie wiederholt "Shut up!" und gehe auf die Polizistin zu. Anschließend werde er von der Polizistin erschossen.

Berichte über Polizeieinsätze mit tödlichem Ausgang seien für die Öffentlichkeit grundsätzlich von Interesse, erklärt der Presserats-Senat. Ein Bericht über die Bedrohung einer Polizeibeamtin mit einem Messer und dem Schusswaffeneinsatz der Polizistin sei für die Öffentlichkeit relevant. Aber: "Aus dem öffentlichen Interesse an einer derartigen Berichterstattung ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz des verstorbenen Mannes missachtet werden darf."

Aufnahmen vom Moment des Todes verletzen Würde

Die Senate des Presserats haben mehrfach festgestellt, dass Aufnahmen vom Moment des Todes neben der Würde auch die Intimsphäre des Betroffenen beeinträchtigen können. Im Sinne der bisherigen Entscheidungspraxis erachtet der Senat die Veröffentlichung des Videos, auf dem ein Mann vor einem amerikanischen Supermarkt erschossen wird, als grobe Missachtung der Menschenwürde und des Opferschutzes. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass es sich beim betreffenden Vorfall um einen Polizeieinsatz handelte, der im öffentlichen Raum erfolgte.

"Medienethisch nicht zu rechtfertigen"

Nach Ansicht des Senats wurde das drastische Videomaterial "wohl nur deshalb verwendet, damit sich der Beitrag stärker im Internet verbreitet". Dafür spreche, dass das Video ohne jegliche Einordnung gezeigt worden sei. Der Beitrag hinterfrage auch nicht, ob der Polizeieinsatz gerechtfertigt war. "Insofern wurde das Medium seiner Filterfunktion nicht gerecht", findet der Presserat. Die Veröffentlichung und Weiterverbreitung sei daher aus medienethischer Sicht nicht zu rechtfertigen.

Der Presserat hat die Medieninhaberin von oe24.at aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten. (red, 27.11.2020)