Die Methode des Raucher-Screenings ist sinnvoll, doch die Krankenkassen zahlen sie einstweilen nicht.

Foto: Getty Images / iStock / Thomas Lauridsen

Lungenkarzinome werden in der medizinischen Praxis zu spät erkannt. Das liegt an den anfänglich symptomlosen Verläufen der Krankheit. Dabei ist gerade die Früherkennung für eine Heilung essenziell.

Eine rechtzeitige Erstdiagnose kann die Lungenkrebssterblichkeit massiv verringern. Rauchen ist die häufigste Ursache für die Entstehung von Lungenkrebs. 90 Prozent der Karzinome sind auf Tabakkonsum zurückzuführen.

Die Realität sieht so aus: Krebs wird fast immer zu spät entdeckt. Lediglich ein Fünftel bis ein Sechstel der Betroffenen ist fünf Jahre nach der Diagnose noch am Leben. "Dieses Karzinom hat ein besonders ungünstiges Verhältnis von Fallzahl und Sterblichkeit", sagt Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler-Universitätsklinikum in Linz. 50 Prozent aller Erstdiagnosen betreffen bereits metastasierte Stadien.

"80 Prozent der Betroffenen haben dabei aber keinerlei Symptome", verdeutlicht Gerhard Mostbeck, Facharzt für Radiologie, den Ernst der Lage. "80 Prozent davon können wir zwar kurativ heilen, 20 Prozent aber nicht", gibt er zu denken. Wenn man den Krebs also nicht verhindern kann, warum ihn dann nicht zumindest so früh wie möglich erkennen?

Ein Kostenfaktor

Moderne Strahlenbehandlung, kostenintensive Immuntherapie und verhältnismäßig günstige Chirurgie können das Ruder aber nicht herumreißen. Den Experten zufolge muss man deshalb künftig ganz gezielt auf Prävention setzen: "Weg von der Reparaturmedizin, hin zur Früherkennung", benennt es Lamprecht.

Ein systematisches und vor allem gängiges Screening auf Lungenkrebs existiert in Österreich nicht. Auch die sogenannte Low-Dose-Computertomografie (LD-CT) zählt derzeit noch nicht zum Leistungsumfang der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).

Dabei kann die radiologische Untersuchung mittels LD-CT Lungenkrebs früh erkennen und Rauchern so das Leben retten. Darüber hinaus wird bei der LD-CT, anders als bei üblichen Computertomografien, nur mit einem Fünften der Strahlendosis gearbeitet und so das Strahlungsrisiko zusätzlich minimiert.

Dass das Screening also "prinzipiell funktioniert und die Sterblichkeit signifikant reduziert", ist Lamprecht zufolge längst bekannt. Jetzt gehe es vielmehr darum, dieses Screening bestmöglich in das Versorgungssystem zu implementieren. Auch die EU fordert diesbezüglich ein flächendeckendes System von regelmäßigen CT-Untersuchungen.

Bis 2020 wollte man dieses Ziel eigentlich erreichen. Wirklich nähergerückt ist man ihm aber kaum. "Initiativen seitens der Pneumologen- oder Röntgengesellschaft gibt es genug", betont auch Gerhard Mostbeck. Schwierig sei es aber vor allem, die Stakeholder aus Politik und Krankenkasse zu überzeugen und ins Boot zu holen, sagt er.

Pilotversuche laufen

Bernd Lamprecht nimmt die Krankenkassen fürs Erste "aber noch in Schutz", wie er im STANDARD-Gespräch erklärt. Eine Lungenkrebs-Screening-Taskforce, bestehend aus Onkologen und Radiologen, sei mit der Erarbeitung einer Strategie nämlich schon betraut worden, um solche Tests sinnvoll zu etablieren. "Es braucht aber erste Pilotversuche", meint der Lungenfacharzt. Die seien schon angerollt, beispielsweise an der Universitätsklinik Innsbruck und am AKH Wien. Jetzt gelte es "die Zielpopulation und Abstände zwischen den Untersuchungen festzulegen".

Mit der Umsetzung rechnet Lamprecht binnen der nächsten fünf Jahre. In den USA hätte man das zumindest geschafft und ein offizielles Raucher-Screening-Programm etabliert. Langjährige Raucher zwischen 55 und 80 Jahren können am Screening teilnehmen, Kostenersatz inklusive.

Die Ergebnisse von acht randomisierten, kontrollierten Studien mit mehr als 90.000 Probanden belegen jedenfalls den Nutzen von LD-CT-Screenings bei aktiven, aber auch ehemaligen Raucherinnen und Rauchern. "Ein LD-CT-Screening kann etwa fünf von 1000 Personen innerhalb von etwa zehn Jahren davor bewahren, an Lungenkrebs zu sterben", bestätigt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Sterblichkeit verringern

Im Jahr 2011 erbrachte die US-amerikanische "National Lung Screening Trial"-Studie (NLST) mit 53.000 Teilnehmern den Nachweis, dass die Sterblichkeit beim Bronchialkarzinom bei Rauchern, die über mindestens 30 Jahre hinweg täglich mindestens eine Schachtel Zigaretten geraucht haben, durch das Screening um 20 Prozent verringert werden konnte.

Ein belgisch-niederländisches Wissenschafterteam bestätigte 2018 die Resultate der US-Forscher in Form der Nelson-Studie. Sie wurde 2020 veröffentlicht. 69 Prozent der Karzinome wurden im Frühstadium entdeckt, elf Prozent in bereits fortgeschrittenen Stadien, erzählt Lamprecht. Entscheidend für den Erfolg ist die Auswahl der Patienten.

Es gilt zwar möglichst viele Personen mit frühem Lungenkrebsstadium zu identifizieren, andererseits aber auch möglichst wenige Gesunde mit falscher Verdachtsprognose zu beunruhigen. Das funktioniert, indem Personen mit möglichst hohem oder sehr hohem Risiko (siehe Kasten) regelmäßig zu solchen CT-Untersuchungen verwiesen werden. Am besten wäre: dass sie zu rauchen aufhören. (Julia Palmai, 30.11.2020)