Krebskranke Menschen sollten sich besonders streng an die allgemein bekannten Abstands- und Hygieneregeln halten.

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Wer aktuell an Krebs erkrankt ist, zählt zur Corona-Risikogruppe. Zunächst hat das mit den Therapien zu tun, mit denen Krebs behandelt wird. Sie können immunsuppressiv sein, also das Immunsystem schwächen – das ist bei manchen Chemotherapien der Fall.

Ein erhöhtes Risiko haben demnach Patienten, die in den letzten zwei bis vier Wochen eine solche Therapie erhalten haben. "Auf sie muss man nun besonders achtgeben", sagt Matthias Preusser von der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Medizinischen Universität Wien.

Doch was genau passiert bei einer Chemo? "Krebszellen teilen sich und wachsen. Eine Chemotherapie stört die Erbsubstanz in den sich teilenden Zellen, um den Tumor zu bekämpfen", erklärt Preusser. Da aber auch anderswo Zellen wachsen, etwa im blutbildenden System, das Teil des Immunsystems ist, wird dieses ebenfalls geschwächt.

Viele Unklarheiten

Dass die Krebstherapie dem Immunsystem schadet, ist aber nicht immer der Fall. Eine andere Krebsbehandlungsform ist die Immuntherapie, bei der die körpereigene Abwehr so verstärkt wird, dass sie Tumorzellen besser erkennt. Das Immunsystem könnte theoretisch sogar besser funktionieren.

Ob dem tatsächlich so ist, also wie sich diese Art der Therapie bei einer Covid-19-Erkrankung auswirkt, ist bislang aber noch unklar. "Leider wissen wir insgesamt noch viel zu wenig", sagt Preusser. Aktuell laufen mehrere Forschungsprojekte, bei denen auch krebskranke Covid-19-Patienten einbezogen werden, um die vielen offenen Fragen zu beantworten.

Lungenkrebs und Leukämie

Auch die Art der Krebserkrankung kann eine Rolle spielen. So weiß man mittlerweile, dass bei Lungenkrebs oder hämatologischen Erkrankungen wie Leukämie das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf erhöht ist. Bei Karzinomen der Lunge ist das möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sie häufig bei Rauchern auftreten und die Lunge somit bereits vorgeschädigt ist.

"Wir wissen, dass Rauchen insgesamt mit einem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe einhergeht", so Preusser. Patienten mit Leukämie sind wohl deshalb stärker gefährdet, weil die Therapie sowie die Erkrankung selbst das Immunsystem schwächen. Denn einige Formen von Krebs haben auch direkt einen negativen Einfluss auf die körpereigene Abwehr.

Außerdem kann sich ein aktiv wachsender Tumor negativ auf das Corona-Risiko auswirken, ebenso wie ein höheres Stadium der Krebserkrankung. Zudem sind Krebspatienten im Schnitt älter und leiden häufig auch an anderen Erkrankungen, was das Risiko für schwere Covid-19-Verläufe zusätzlich erhöht. Genauso wie die Tatsache, dass Krebspatienten häufig ins Spital bzw. zum Arzt müssen.

Therapien fortführen

"Insgesamt sehen wir an unserer Abteilung allerdings nicht sehr viele Fälle von Covid-19 und Krebs", so Preusser. Schon nach dem ersten Lockdown haben die Experten eine Untersuchung publiziert, die gezeigt hat, dass Krebspatienten, die im AKH behandelt werden, kein höheres Risiko hatten, sich anzustecken, als die Normalbevölkerung.

"Im Spital sind viele Kontakte natürlich vorprogrammiert, doch wir sind extrem darum bemüht, das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Patienten werden regelmäßig getestet, es gibt Zutrittsbeschränkungen für Begleitpersonen, das Personal arbeitet in Teams, die sich nie treffen, und alle Hygienemaßnahmen werden eingehalten", so der Onkologe.

Seine wichtigste Botschaft an die Patienten lautet daher auch: Krebstherapien müssen auch während der Pandemie fortgeführt werden. "Wenn die Therapie nicht weiterläuft, könnte die Krebserkrankung aus dem Ruder laufen", so Preusser.

Sterblichkeit nicht erhöht

Im AKH wird daher alles daran gesetzt, den Betrieb ohne Einschränkungen am Laufen zu halten – was bisher scheinbar auch funktioniert hat: "Wir hatten keine Patienten, bei denen die Therapie aus Angst vor einer Covid-Erkrankung abgesagt werden musste. Auch die Mortalität, gesehen über drei Monate, hat sich im Vergleich zu den Vorjahren nicht erhöht", so Preusser.

Obwohl das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, insgesamt durch eine Krebserkrankung erhöht wird, steht ebenfalls fest, dass es auch unter Krebspatienten Menschen mit einem niedrigen Risiko gibt, etwa wenn sie noch jünger sind und ihre Gesamtkonstitution gut ist.

Besonders zählen dazu auch jene Menschen, bei denen die Krebserkrankung bereits einige Zeit zurückliegt. "Das ist zwar nicht gut untersucht, aber ich würde annehmen, wer den Krebs bereits hinter sich hat und als gesund anzusehen ist, hat wahrscheinlich kein erhöhtes Risiko", so die Einschätzung des Onkologen.

Und wie können sich aktuell krebskranke Menschen schützen? Der Experte empfiehlt vor allem jenen Patienten, die sich gerade einer Krebstherapie unterziehen, sich besonders streng an die allgemein bekannten Abstands- und Hygieneregeln zu halten – "aber das würde ich als Mediziner in der aktuellen Situation auch allen Gesunden raten". (Bernadette Redl, 28.11.2020)