Udo Wachtveitl (li.) und Anna Schudt müssen im Jubiläums-"Tatort" erst einmal zusammenfinden.

Anna Schudt ermittelt im "Tatort" in Dortmund.

Foto: ORF/ARD/WDR/Frank Dicks

Batic (li.) und Leitmayer sind im "Tatort" ein zusammen gewachsenes Team.

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Und das schon seit langer Zeit.

Es wird ein üppiger Geburtstag. Zum 50-Jahr-Tatort-Jubiläum gibt es nicht die üblichen 90 Minuten, sondern einen zweiteiligen Krimi, der am 29. November und am 6. Dezember ausgestrahlt wird. Und auch die Ermittlerteams verdoppeln sich. Die Münchner Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) wollen in Dortmund einen Mann aus dem Mafiamilieu verhaften, weil er in München einen Mord begangen hat. Doch das Team der Dortmunder Kommissare Martina Bönisch (Anna Schudt) und Peter Faber (Jörg Hartmann) ist selbst an ihm dran, weil es endlich ein Drogenkartell zerschlagen möchte.

STANDARD: Ist es für Sie beide eine Ehre, bei diesem Jubiläums-"Tatort" dabei zu sein?

Wachtveitl: Eine Ehre, klar, aber damit ist auch eine Last verbunden, weil man ja weiß, da wird viel Augenmerk darauf gelegt, also muss es besonders gut sein. Stolz wäre mir ein zu großes Wort. Aber wenn die Münchner nicht dabei gewesen wären, dann hätten wir uns vermutlich schon gefragt: Warum andere und nicht wir? Auf jeden Fall fühle ich mich geachtet.

Schudt: Ich sehe es genauso. Während der Dreharbeiten war vom Jubiläum nichts zu spüren, wir haben ganz normal gedreht und wollten ein gutes Ergebnis liefern. Aber wir haben uns schon vorher sehr gefreut und geehrt gefühlt, als wir gehört haben, dass wir diese Jubiläumsfolge machen dürfen. Mit Udo (Wachtveitl, Anm.) habe ich vorher auch noch nie gedreht.

STANDARD: Gab es Konkurrenz? Es ist ja ein besonderer "Tatort".

Wachtveitl: Wir hatten natürlich das Problem, dass jeder ganz gern vorkommt. Und wenn in einem Tatort, der sowieso nur 90 Minuten lang ist, dann statt zwei plötzlich – wie in unserem Fall – sechs Kommissare dabei sind und jeder zum Zug kommen will, dann ist es ein zeitliches und logistisches Problem.

Schudt: Ich glaube, es ist gut gelungen, in diesem Tatort zu zeigen, dass jede Figur ihre Haltung hat. Das war ja schwierig, das mit sechs Kommissaren hinzubekommen, denn man durfte ja den Episodenfiguren auch nicht zu viel Raum wegnehmen.

Wachtveitl: Ich gebe hiermit meinem Bedauern Ausdruck, dass du in der zweiten Folge nicht nach München kommen konntest.

Schudt: Ich bedaure es auch sehr.

Wachtveitl: Da hätte ich dir gezeigt, wo man ein schönes Bier trinken kann.

Schudt: Es wäre eh zu kalt gewesen. Und es war eine Entscheidung des Autors. Aber klar, ich hätte mit Faber schon einmal gern München unsicher gemacht.

STANDARD: Ist das eigentlich ein "Tatort"? Oder nicht eher ein Mafia-Epos?

Wachtveitl: Der Tatort ist als Plattform so breit, dass er verschiedene Experimente verträgt – wenngleich ich unseren Jubiläums-Tatort nicht unbedingt als Experimentalfilm bezeichnen würde. Aber verschiedene Ausweitungen des Genrekerns sind schon zu beobachten. Das hat ihn auch über die Jahre frisch gehalten. Man wird oft gefragt: Warum ist der Tatort so erfolgreich? Da spielt unter anderem der geniale Sendeplatz am Sonntag um 20.15 Uhr eine Rolle. Der Zuschauer sollte sich darauf verlassen können, dass seine berechtigte Erwartung auf einen spannenden Krimi erfüllt wird und er gleichzeitig etwas Neues, Frisches gezeigt bekommt. Diese Balance ist entscheidend für den Tatort.

Schudt: Die einen wollen nichts Experimentelles, andere freuen sich darüber. Ich persönlich finde es super, was in den letzten Jahren passiert ist, dass dieser Sendeplatz auch einmal dazu benutzt wird, etwas Neues zu probieren – wenngleich das natürlich kein Arthouse-Kinofilm ist, den kein Schwein sieht. Den Jubiläums-Tatort sehe ich übrigens als im besten Sinne konventionellen Film mit einem starken Thema. Es geht um das Thema Zugehörigkeit, das ist eigentlich ein antikes Drama.

STANDARD: Er ist recht trostlos. Die Ermittler versagen auf ganzer Linie, die Familie als Kernzelle der Gesellschaft versagt auch.

Wachtveitl: Wir Münchner haben immer versucht, auch die helleren und heiteren Seiten zu zeigen. Bei der ersten Drehbuchbesprechung war es mir ein Anliegen, nicht immer in Trübnis zu verfallen. Als wir besprachen, worin der Unterschied zwischen den Münchnern und den Dortmundern besteht, habe ich gesagt: "Wir in München haben wenigstens ab und zu einmal gute Laune." Da hat der Jörg (Hartmann,Dortmunder Kommissar Faber, Anm.) laut gelacht und gerufen: "Du hast ja so recht! Immer muss ich so griesgrämig sein!"

STANDARD: Frau Schudt, beneiden Sie die Münchner manchmal? Faber in Dortmund ist ja recht schwierig.

Schudt: Die Entscheidung, dass man genau in dem Team ist, wurde eben so getroffen. Und es ist ja nicht mein reales Leben. Mit dem Herrn Faber von morgens bis abends, sieben Tage die Woche – das wäre grauenhaft. Obwohl: Es gibt auch in Dortmund Humor, allerdings nicht in diesem Jubiläumsfall. Da durfte meine Figur die schlechteste Laune von allen haben, was jedoch passt. Grundsätzlich dürfen andere Tatort-Kommissare mehr Spaß haben als mein Team in Dortmund. Aber Spaß beim Drehen haben auch wir.

STANDARD: Diesmal gerät Kommissarin Martina Bönisch sehr hart mit Faber aneinander.

Schudt: Im Gegensatz zu sonst nimmt sie eine sehr extreme Gegenposition zu Fabers Ermittlungspraktiken ein. Sie entscheidet recht früh, dass sie ihn diesmal nicht mitzieht und ihn schützt. Am Ende entscheidet sie zwar konsequent, was zu tun ist, aber da nimmt die Katastrophe schon ihren Lauf.

STANDARD: Und wie gefiel es dem Münchner Gewächs Franz Leitmayr in Dortmund, Herr Wachtveitl?

Wachtveitl: Die Stadt ist wohnlich, also wenn es dunkel ist. Und die Mieten bezahlbar, auch wenn es hell ist. Der Franz Leitmayr heißt jetzt dort "datt Franzl". Und im Präsidium gibt es schon eine Delle an der Wand, weil da alle immer mit der Faust dagegenhauen. Steht inzwischen unter Denkmalschutz, glaub ich. Anfangs dachten die Münchner ja auch, sie bleiben nur ein, höchstens zwei Nächte und haben natürlich nix mitgenommen. Gut, dass Mutti Batic dabei ist.

STANDARD: Welches sind Ihre persönlichen ersten Erinnerungen an den "Tatort"?

Wachtveitl: Ich war zwölf oder dreizehn, als ich den ersten angesehen habe. Eigentlich war es mir nicht erlaubt, aber ich fand es großartig. Schimanski habe ich natürlich auch mitbekommen, den mochte ich aber nur teilweise, weil mir jeglicher Kitsch auf den Wecker geht, also auch Männerkitsch. So viele Verdienste Schimanski hat, weil durch ihn vieles aufgebrochen wurde – es war schon manchmal grotesk, wenn er beim Kauf der Zeitung gleich den ganzen Kiosk zusammentreten musste. Dass ich selbst einmal beim Tatort dabei sein würde, habe ich mir natürlich damals nie und nimmer vorgestellt.

Schudt: Ich hatte überhaupt keine Tatort-Erfahrung, weil wir in der Familie keinen Fernseher hatten.

Wachtveitl: Ihr habt vermutlich Rilke-Gedichte gelesen.

Schudt: Klar! (lacht) Und wir saßen immer im Theater. Nein, ernsthaft: Mir ist der Tatort zum ersten Mal über den Weg gelaufen, als ich selbst in einem mitgespielt habe (2004, Tatort Ludwigshafen), ich hatte vorher keine Beziehung. Und dann war ich total überwältigt, was das für eine Welle auslöst. Ich wusste nicht, dass da so viele Leute sonntags gucken. Und ich bin ja, im Gegensatz zu Udo, die totale Kitschnudel. Wir haben sehr viel Sissi-Filme geschaut, das war toll.

Wachtveitl: Das ist ja auch eher Kulturgeschichte.

STANDARD: Apropos Österreich: Würden Sie gern einmal mit Bibi Fellnerund Moritz Eisner in Wien ermitteln?

Wachtveitl: Ja, sehr gern. Wien ist ja den Münchnern nicht nur geografisch näher, sondern auch vom Lebensgefühl her.

Schudt: Adele Neuhauser und ich würden uns sehr gut verstehen. Und mit Harald Krassnitzer könnte ich zum Dreh nach Wien fahren. Der wohnt ja bei mir in der Gegend (Nordrhein-Westfalen, Anm.).

STANDARD: Werden wir auch noch das 60er-Jubiläum beim "Tatort" feiern?

Wachtveitl: Natürlich. Was mit 50 Jahren gut ist, kann mit 60 noch besser sein. Ich kann das sagen, ich bin jetzt ungefähr 60 Jahre alt.

Schudt: Nach 50 kommt 60. Das ist völlig klar. Es geht immer weiter.

Anna Schudt (46) stammt aus Konstanz. Sie spielte Theater an den Münchner Kammerspielen, der Berliner Schaubühne und am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit 2012 ist sie im Dortmunder Ermittlungsteam des "Tatort". Udo Wachtveitl (62) ist Münchner und gehört zu den "Tatort"-Urgesteinen. Er ermittelt seit 1991 in der bayerischen Landeshauptstadt. Er spielte schon als Kind in Fernsehfilmen mit und hat zudem zahlreiche Filme synchronisiert. (Birgit Baumann, 29.11.2020)

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