Peter Stöger bereut es nicht, als Trainer bei der Austria eingesprungen zu sein. Wobei die Resultate ausbaufähig sind.

Foto: imago images/Kirchner-Media/Noah Wedel

Derby-Ticker: Rapid vs. Austria, So., 17 Uhr

Wien – Corona, sagt Peter Stöger, sei auch eine Frage des Zugangs. "Wir haben beschlossen, froh zu sein, dass wir spielen und trainieren dürfen." Gewinnen wäre im Profifußball sinnvoll, die Wiener Austria zählt aber nicht zur Spezies der Seriensieger. Platz acht nach acht Runden mit neun Punkten ist ausbaufähig. Immerhin wurde im Cup-Achtelfinale Hartberg 5:3 geschlagen, für Trainer Stöger "ein Lichtblick und Rückenwind".

Es seien herausfordernde, fast finstere, jedenfalls ungewisse Zeiten. Zweimal in der Woche wird auf Corona getestet, das ist gewiss, Routine. "Eine belastende Routine. Die Buam warten auf Ergebnisse." Die Fragen sind wiederkehrend. "Bin ich eh negativ?" "Muss ich jetzt in Quarantäne?" Der 54-jährige Stöger selbst würde, sollte er positiv sein, dies öffentlich kundtun. "Datenschutz ist zwar wichtig. Aber die Leute täten sich wundern, wenn ich nicht auf der Bank sitze. Denn ein Schnupfen wird wohl nicht der Grund gewesen sein." Bei der Austria hat es bereits Fälle gegeben. "Gott sei Dank praktisch ohne Symptome. Es ist interessant, wie die einzelnen Spieler damit umgehen. Die Reaktionen gehen quer durch den Gemüsegarten."

Es ist die Zeit des Anpassens, sagt Stöger. "Du musst einen Mittelweg finden. Corona verlangt nach mehr Empathie." Ihm selbst fehle, wie jedem anderen, das Stillen normaler Bedürfnisse, etwa mit Bekannten auf ein "Glaserl" gehen. "Seit März habe ich meine Mutter nicht umarmt." Da ihm Selbstmitleid fremd ist, "leide ich mit anderen. Mit befreundeten Menschen aus der Gastronomie, der Reisebürobranche. Die stehen vor den Trümmern ihrer Existenzen." Lebenspartnerin Ulrike Kriegler ist Schauspielerin, Kabarettistin, ihre Bühnen sind abgebaut. "Sie trifft es weit härter als mich, sie hat Berufsverbot."

Die Westentasche

Ad Austria: Stöger kennt den Verein mindestens so gut wie die eigene Westentasche. Es die Geschichte von Anspruch und Wirklichkeit, die nicht zusammenfinden. "Weil die Ansprüche falsch sind." Die Wirklichkeit schaut so aus: Drei Klubs, Red Bull Salzburg, der LASK und Rapid, stellen den Anspruch, die Meisterrunde zu bereichern. Sechs andere kämpfen um die restlichen drei Plätze. "Unser Anspruch ist, zu diesen sechs zu zählen. Und den werden wir erfüllen."

Stöger, seit 1. August 2019 Sportvorstand, hat sich ja notgedrungen zu Saisonbeginn aufs Bankerl gesetzt. Christian Ilzer hatte um die Vertragsauflösung ersucht, er fühlte sich bei Sturm Graz besser aufgehoben. Aus Kostengründen musste eine interne Lösung her. Stöger, eh schon da, erbarmte sich, wohlwissend, dass die Perspektiven nicht ausufernd sind. Er sagt: "Ich bereue es nicht."

Kritik an den bisherigen Leistungen sei angebracht, "obwohl es immer knappe Ergebnisse waren. In beide Richtungen. Aber ich bin kein Fan von Ausreden." Die Mannschaft benötige Zeit, die jungen Spieler aus der Akademie müssten reifen, sich ans Niveau gewöhnen. "Auch Ballbesitz muss man erst lernen." Das Schlagwort bei der Austria lautet: Einsparen. Corona sorgte für eine Verschärfung. Stöger: "Man kann nicht planen, weiß nicht, ob und wann es wieder Zuseher gibt, ob sich ein Großsponsor meldet. Visionen sind abgesagt." Womit Stöger wieder bei den Ansprüchen ist. "Man setzt den Sparstift an und soll sportlich durch die Decke schießen. Da muss ich fast lachen."

Nichts abbeißen

Mit Saisonende laufen 13 Verträge aus, etwa jene von Christoph Monschein und Alexander Grünwald. Der Trainer/Sportvorstand plädiert für mehr Realismus. "In den vergangenen 30 Jahren war die Austria nur viermal Meister, davon zweimal unter dem ungeliebten Frank Stronach. Von Tradition kann man sich nichts abbeißen."

Am Sonntag steigt bei Rapid das 331. Derby, das erste während der Pandemie. In der Vorsaison kam es nicht dazu, die Austria hatte das Meister-Playoff verpasst. "Rapid ist leichter Favorit, aber ich denke, es ist ziemlich offen." Dass ein Derby eigene Gesetze hat, wollte Stöger weder bestätigen noch dementieren. "Rapid hat es zuletzt gut gemacht. Sie sind auf die Füße gekommen, waren geduldig, sind durchgetaucht." Er erinnert an Trainer Didi Kühbauer, der ja zunächst die Meisterrunde verpasst hatte. "Trotzdem setzte man auf Kontinuität." Kühbauer ist übrigens wieder genesen und am Sonntag im Einsatz.

Stöger befürchtet, "dass es nicht das letzte Corona-Derby sein wird". In den Chor jener, die singen, dass Fußballer überbelastet sind, stimmt er nicht ein. "Ein Robert Lewandowski hat seit 15 Jahren englische Wochen." Im Frühjahr, das Mitte Jänner startet, werde sich das aber ändern. "Für jene, die international engagiert sind, wird es richtig hart." Davon ist die Austria befreit.

Stöger freut sich also auf Rapid. "Weil wir spielen dürfen." Blickt er weiter voraus, wird ihm ein bisserl bange: "Durch Corona geht die Schere noch weiter auf. Einige Reiche werden reicher, viele Arme ärmer. Das wird nicht nur den Fußball nachhaltig treffen." (Christian Hackl, 28.11.2020)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen zur Bundesliga am Sonntag:

SK Rapid Wien – FK Austria Wien (Wien, Allianz Stadion, 17.00 Uhr, SR Weinberger). Saisonergebnisse 2019/20: 3:1 (a), 2:2 (h).

Rapid: Gartler – Stojkovic, Hofmann, Barac – Schick, Knasmüllner, Grahovac, Ritzmaier, Ullmann – Fountas, Kara

Ersatz: Strebinger – Sonnleitner, Greiml, Schuster, Ibrahimoglu, Demir, Arase, Kitagawa

Es fehlen: D. Ljubicic (Bänderriss), Petrovic (krank), Schobesberger, Dibon, Velimirovic (alle rekonvaleszent)

Austria: Pentz – Teigl, Handl, Palmer-Brown, Suttner – Zwierschitz, Ebner – Sarkaria, Fitz, Pichler – Edomwonyi

Ersatz: Kos – Schösswendter, Martschinko, Jukic, Wimmer, Monschein, Turgeman

Es fehlen: Grünwald (gesperrt), Madl (Sehnenbandriss im Knie), Demaku (nach Schulter-OP)