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Rund um den Tod des Wissenschafters ist noch vieles unklar.

Foto: Fars News Agency via AP

Teheran – Ein hochrangiger iranischer Atomphysiker ist am Freitag in Ab-e Sard östlich der Hauptstadt Teheran getötet worden. Das iranische Verteidigungsministerium bestätigte den Tod von Mohsen Fakhrizadeh-Mahabadi, nachdem der Sprecher der iranischen Atomorganisation dementsprechende Berichte kurz zuvor noch dementiert hatte. Laut Verteidigungsministerium sei der Wissenschafter in seinem Auto von "Terroristen angegriffen" worden und später im Spital seinen Verletzungen erlegen.

Die halbamtliche Nachrichtenagentur Tasnim berichtete von "Terroristen", die nahe der Hauptstadt zunächst ein Auto in die Luft gesprengt hätten. Dann hätten sie das Feuer auf das Fahrzeug mit dem Wissenschafter und seinen Leibwächtern eröffnet. Die Nachrichtenagentur Fars meldete unter Berufung auf Augenzeugen, auch drei bis vier der mutmaßlichen Angreifer seien getötet worden.

"Ernsthafte Hinweise"

Irans Geheimdienst und die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) haben bereits die Ermittlungen nach den Attentätern aufgenommen. Die iranische Führung hat sich jedoch schon festgelegt, dass "Agenten des zionistischen Regimes hinter dem Terroranschlag stecken". Fakhrizadeh sei schon seit Jahren auf der schwarzen Liste Israels gestanden. Außerdem würde auch nur Irans Erzfeind vom Tod des Physikers profitieren. Zunächst gab es jedoch keine Klarheit, wer hinter dem Anschlag steckt.

Außenminister Mohammad Javad Zarif berichtete von "ernst zu nehmenden Hinweisen" auf eine Beteiligung Israels. Er bezeichnete die Tat als "Staatsterrorismus", den die internationale Gemeinschaft – "vor allem die EU" – verurteilen solle. Der iranische Präsident Hassan Rouhani, der ebenfalls von einer Urheberschaft Israels sprach, drohte mit Vergeltung – wenn der "richtige Zeitpunkt" dafür gekommen sei. Auch Irans oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei sagte am Samstag, dass sich der Iran für die Tötung rächen werde und dass Fakhrizadehs Arbeit fortgesetzt werde.

Es gebe "schwerwiegende Hinweise" dafür, dass Israel für die Tötung von Fakhrizadeh verantwortlich sei, heißt es auch in einem am Freitag bekanntgewordenen Schreiben des iranischen UN-Botschafters Majid Takht Ravanchi an UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Darin warnt er zugleich die USA und Israel vor "Abenteueraktionen" in der verbleibenden Amtszeit des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump. Der Iran werde "alle notwendigen Maßnahmen" zu seiner Verteidigung ergreifen, unterstrich Ravanchi.

Der syrische Außenminister Faisal Mekdad beschuldigte Israel und "jene, die das unterstützt haben" am Samstag, hinter dem "terroristischen Akt" zu stecken. Die Aktion würde noch mehr Spannungen in der Region erzeugen. Israels Minister für Siedlungswesen, Zachi Ha-Negbi, sagte bei einem Pressetermin am Samstag, er habe "keine Ahnung", wer hinter dem Anschlag stecke.

Uno fordert Zurückhaltung

Guterres hat Zurückhaltung angemahnt. Man habe Berichte über den Vorfall zur Kenntnis genommen, teilte ein Sprecher am Freitag mit. "Wir fordern Zurückhaltung und sehen es als notwendig an, dass Maßnahmen vermieden werden, die zu einer Eskalation der Spannungen in der Region führen könnten."

Zuletzt hatte es geheißen, dass die iranische Führung ihren Stellvertretergruppen in der Region – etwa den Teheran-loyalen schiitischen Milizen im Irak – die Anweisung gegeben habe, sich zurückzuhalten und auf Provokationen nicht zu antworten, um Trump vor seinem Abgang am 20. Jänner keinen Grund für einen Angriff zu bieten. Middle East Eye meldet, dass Israels Premier Benjamin Netanjahu vergangenen Sonntag bei einem Geheimtreffen mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien einen möglichen Angriff auf den Iran besprochen habe. Dieser sei dem jedoch ablehnend gegenüber gestanden.

"Vater des Atomwaffenprogramms"

Der 63-jährige Mohsen Fakhrizadeh-Mahabadi war Mitglied der Revolutionsgarden und Experte für die Herstellung von Raketen. Im Abschlussbericht der Atomenergiebehörde IAEA wurde er als einziger Wissenschafter namentlich genannt, als es 2015 um offene Fragen zu Irans Atomprogramm und die mögliche Entwicklung einer Atombombe ging. Seitdem wurde er in Medien "Vater des iranischen Atomwaffenprogramms" genannt.

Nach Einschätzung der US-Geheimdienste hat der Iran seine Atomwaffenforschung zu Beginn der Nullerjahre eingestellt. Zuletzt leitete Fakhrizadeh die Abteilung für Forschung und technologische Erneuerung im Verteidigungsministerium. Der Agentur Fars zufolge soll Israels Geheimdienst jahrelang bemüht gewesen sein, ihn auszuschalten. Das Büro von Netanjahu gab zum Tod des Wissenschafters keine Stellungnahme ab. Auch das US-Verteidigungsministerium kommentierte den Anschlag auf Anfrage von Reuters nicht.

Am 3. Jänner jährt sich die Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani und des irakischen Milizenführers Abu Mahdi al-Muhandis bei einem US-Angriff am Flughafen von Bagdad. Damals waren einer kurzfristig aufgeflammten Eskalation die Passagiere eines ukrainischen Flugzeugs zum Opfer gefallen, dass die iranische Luftabwehr in Teheran versehentlich abgeschossen hatte.

Fakhrizadeh ist auch nicht der erste iranische Atomwissenschafter, der einem Anschlag zum Opfer fällt. Wegen Spionage für Israel, als Vorbereitung für die Tötung von zwei Nuklearexperten, wurde 2017 der iranisch-schwedische Doppelstaatsbürger Ahmadreza Jalali zum Tode verurteilt. Vor ein paar Tagen wurde ihm mitgeteilt, dass die Hinrichtung bevorstehe, seitdem gibt es verstärkte internationale Bemühungen, den Iran davon abzubringen, Jalali zu exekutieren. Die Chancen für ihn sind nach dem Anschlag auf Fakhrizade wohl geringer geworden. (red, guha, 28.11.2020)