Erst das Brotgeschäft, dann der Gastgarten und dann das Hotel: Bernd Schlacher lässt sich von Corona nicht beirren.

Foto: Andy Urban

Wer in den Branchen Gastronomie und Catering tätig ist, hat schon bessere Zeiten erlebt. Für Caterer war das ganze Jahr wegen der Flaute bei Veranstaltungen ein Desaster, die Gastronomie hatte in kurzes Hoch im Sommer – quasi zwischen Lockdown I und II. Einer der mit beiden Füßen in der pandemischen Tiefebene steht, ist Bernd Schlacher.

Und was macht der Besitzer der In-Lokale Motto und Motto am Fluss sowie einer Catering-Schiene inmitten des Lockdowns? Heute, Sonntag, eröffnete seine jüngste Kreation Motto Brot auf der Mariahilferstraße. Zur Seite stehen ihm der international erfahrene Bäckerprofi Claudio Perrando und die Backschulbetreiberin Barbara van Melle.

Gastro darbt

Was bewog Schlacher zu dem Schritt? "Ich bin ein Gegner der negativen Stimmung", sagt der gebürtige Steirer, der schon als Kind das ofenfrische Brot seiner Großmutter liebte. Das Catering-Geschäft sei seit März geschlossen, seine Lokale schlossen nach dem lange ersehnten Sommer Anfang November. Das neue Projekt im sechsten Wiener Bezirk sei somit auch für ihn "eine Therapie gewesen, um über die Zeit zu kommen". Den Mitarbeitern konnte er mit dem Unterfangen eine Vision geben, dass es aufwärts geht, erzählt Schlacher. Wenngleich die nun im Austria Center werkenden Bäcker und Patissiers nur einen Bruchteil des in Kurzarbeit befindlichen Personals darstellen.

Claudio Perrando und Barbara van Melle tüfteln an Brot-Kreationen.
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Der Ort des Motto Brot ist kein Zufall. Es befindet sich im Erdgeschoß des ehemaligen Hotels Kummer, gleich an der Ecke Mahü-Neubaugasse. Das Gebäude gehört der Wertinvest von Michael Tojner, einem alten Spezi Schlachers. Der Gastronom hat das Traditionshaus gepachtet und eröffnet im Sommer nach erfolgtem Umbau ein Hotel. Zum Motto Brot kommt im März ein Gastgarten hinzu.

Viennoiserie heimisch machen

Das Sortiment ist traditionell österreichisch mit französischem Einschlag ausgelegt. Neben Haus- und Bauernbrot sind Baguette, Croissant und – unfreiwillig zu Corona passend – die kronenförmige Couronne erhältlich. Damit referenziert Schlacher auf den Einfluss Wiener Backkunst auf die französische Boulangerie. Das Croissant etwa stammt vom Wiener Kipferl ab, das der Geschäftsmann und spätere Herausgeber der Zeitung "Die Presse", August Zang, 1839 in Paris eingeführt hat.

Letzter Feinschliff am neuen Brot-Geschäft.
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Die Viennoiserie – weltweit bekannt – soll nun quasi der Heimat nähergebracht werden. Wenn der Gastgarten eröffnet haben wird, sollen die Flanierer zudem mit französischem Wein, Käse oder Flammkuchen verköstigt werden. Auch hier lautet das Motto des Motto: Paris trifft Wien. Und zwar mit gutem Service und nicht mit auf der Mahü überhandnehmender Selbstbedienung, wie der Szenewirt betont.

Kreative Bäcker boomen

Dass die Preise bei Motto Brot erheblich von jenen der Brotketten und erst recht der Supermärkte abweichen, begründet Schlacher mit biologischen Zutaten, Verzicht auf Zusätze und Handarbeit. "Wenn ein Bauer das Getreide ohne Pestizid-Einsatz anbaut, kostet das Doppelte, die biologische Butter das Vierfache." Dennoch hält er sein Angebot für leistbar, zumal sich das Brot auch entsprechend gut halte. Im Supermarkt gekauftes Brot schmecke nach drei Stunden "furchtbar", findet Schlacher.

Kämpft gegen die negative Stimmung, auch an grauen Novembertagen: Bernd Schlacher.
Foto: Andy Urban

In Wien verfestigt sich mit dem Motto Brot ein Siegeszug kreativer Bäcker, denen die Rückbesinnung auf traditionelles Handwerk gemein ist. Josef und Öfferl eröffnen Filiale um Filiale, punkten mit Qualität, die von den Kunden in Geld aufgewogen wird. Schlacher unterstützt den Trend und hofft, dass noch mehr zum traditionellen Handwerk zurückgehen.

Was sind schon ein paar Euro mehr?

Auch diesbezüglich schwärmt er von Paris. In der französischen Metropole gingen die Kunden vom Käser, zum Fleischer und weiter zum Bäcker. "Dort kauft man ein und kocht dann." Und außerdem, fügt der Gastronom hinzu: Was sind ein paar Euro mehr für ein Kilo gutes Brot im Vergleich zum Netflix- und Spotify-Abo samt neuem Handy und Tarif? Und überhaupt: Wenn er Kinder am Spielplatz mit Muffin in der einen und Gummibärli in der anderen Hand sieht, denkt sich Schlacher: Ein gschmackiges Butterbrot wäre nicht nur besser und gesünder, sondern auch noch billiger.

Bernd Schlacher kombiniert traditionelles Bauernbrot mit französischer Patisserie.
Foto: Andy Urban

Nach der Eröffnung von Motto Brot sieht Schlacher auch Licht am Tunnel für sein Stammgeschäft. Im Unterschied zum März sei wegen der Aussicht auf eine baldige Impfung wieder Land in Sicht. Die braucht er auch. Trotz Kurzarbeit verbucht er Personalkosten von 200.000 Euro im Monat. Nun hofft er, dass die Gastronomie kurz vor Weihnachten wieder aufsperrt. Natürlich mit Brot aus der eigenen Backstube. (Andreas Schnauder, 29.11.2020)