Neues Wiener Journal vom 10. Dezember 1913

Ohne Strümpfe 
Die neueste Pariser Damenmode

Der hauchdünne Seidenstrumpf, das Entzücken der Damen und auch der Herren, hat das Vorrecht seiner Herrschaft verloren. Die Dame der eleganten Mode zeigt sich in diesem Winter – der Jahreszeit durchaus angemessen! – ohne Strümpfe; der Schuh gibt die Kombination von Strumpf und Schuh insofern, als man den Schuh allein über den nackten Fuß zieht, die Kreuzbänder aber über das Bein hinaufschnürt und über dem Knie zu einer Schleife zusammenbindet. Der Anblick des so geschmückten Beines muss den Damen der Mode wohl sehr zusagen, denn kaum brachte ein Modehaus den Vorschlag, als er auch schon von allen Damen, die tonangebend sind, mit Begeisterung aufgenommen wurde. Man kann nicht in Abrede stellen, dass die Mode bei den Damen, die sie mit der entsprechenden Grazie zu tragen wissen, etwas für sich hat. Dass sie aber vom hygienischen Standpunkt durchaus zu verwerfen ist, wird wohl niemand bestreiten. Natürlich findet sie ebenso viele Feinde wie Freunde, und eine Dame der Hocharistokratie in Paris lud kürzlich alle ihre Freundinnen ein, um ihnen das Wort abzunehmen, diese Mode nicht etwa mitzumachen. Es soll dabei zu allerhand erregten Meinungsverschiedenheiten gekommen sein.

Vorläufig beginnt diese Mode sich Bahn zu brechen, und wer als gewissenhafter Chronist eines abends, was der Pariser Abend nennt, also zwischen elf Uhr nachts und ein Uhr morgens, vor einem der eleganten Hotels Aufstellung nimmt, der wird das zierliche Frauenbein strumpflos sich aus dem Wagen recken sehen. Nur die schwarzen oder farbigen Kreuzbänder der Schuhe deuten an, dass man hier ehedem einen Strumpf trug. In dem kleinen und allerliebsten Schuh selbst ist natürlich, unsichtbar für die Mitwelt, ein Strumpf versteckt. Richtiger gesagt, die Andeutung eines Strumpfes. Nur so weit der Schuh reicht, ist ein kleiner seidener Fußbekleidungsgegenstand vorhanden. Er wird mit dem Schuh zugleich angelegt. Den Augen der Mitwelt bleibt er für ewig verborgen.

Nun sind nicht alle Damen in der Lage, auch haben nicht alle Damen den Wunsch, sich durch das unbekleidete Bein die Erkältungen der Saison zu verschaffen, und so tragen die Vorsichtigen gern fleischfarbene Seidenstrümpfe, die in so vorzüglichen Ausführungen hergestellt sind, dass nur das schärfste Auge sie von der Haut unterscheiden kann. Es werden in der Hinsicht geradezu Wunder an Gebilden hergestellt. Für alle Teintarten gibt es die "Imitations", so genannt, weil sie die Haut nachahmen wollen. Für Blondinen rosenfarbene, für Brünette solche, die in das Gelbliche leuchten. Selbst die Fußarmbänder sind bei den modernsten Strümpfen nicht vergessen, sie werden eingewebt, bilden entweder einen goldenen Reifen oder aber eine Kette, bei der die Brillanten und die Perlen nicht vergessen sind. 

So ist in Paris der Strumpf Trumpf geworden, insofern, als man ihn nicht mehr sieht. Achtete man früher zuerst auf die Toilette der Dame, auf die Art, wie ihr Kleid gemacht war, so setzt man jetzt in erster Linie die Aufmerksamkeit auf den Fuß, respektive das Bein. Nur wenn es unbekleidet ist oder scheint, meint die Pariserin, zu der ersten Modedame gezählt werden zu dürfen.

Salzburger Wacht vom 10. Dezember 1913

Der Herr Pfarrer Kepplinger

in Itzling scheint nicht nur ein Hasser der "Sozi" sondern auch ein sehr gemütvoller Herr zu sein. Jedenfalls ist er ein sehr merkwürdiger Christ. In der Vorwoche starb ein Friseurlehrling, der Sohn eines Eisenbahners. Ein Eisenbahner ist ein "Sozi", denkt Herr Kepplinger, was kann sein Sohn anders sein? Und Herr Kepplinger ist ein Christ und Pfarrer dazu. Also sprach er zu den Kleinen in der Itzlinger Volksschule, ohne der Worte des Heilands zu gedenken, dass man Kindern kein Ärgernis geben solle:
"Es ist gut, dass er gestorben ist, er wäre ohnedies ins gegnerische Lager..."
Ein merkwürdiger Seelsorger und Pädagog. Die Itzlinger sind wirklich zu beneiden.

Illustrierte Kronen Zeitung vom 10. Dezember 1913

Fescho-Form wirkt enorm!

Streng reell. Kein Hängebusen mehr.
ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

(Kurt Tutschek, 10.12.2020)

Tutscheks Zeitreiseadventkalender