Raab macht sich für die letzte Verhandlungswoche "oder so" bereit.

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London – In der Endphase der Gespräche über einen Handelsvertrag nach dem Brexit hat der britische Außenminister Dominic Raab die EU zu Zugeständnissen aufgerufen. Die Staatengemeinschaft müsse bei den besonders umstrittenen Regeln für die Fischerei akzeptieren, dass sie für die Briten "eine Sache des Prinzips" sei, sagte Raab am Sonntag im Sender Sky News.

"Wenn sie [die EU] Pragmatismus, guten Willen und Vertrauen zeigen, wie es in den letzten Runden der Gespräche der Fall war – und wir haben auch unsere Flexibilität gezeigt -, dann denke ich, dass ein Deal zustande kommen kann", sagte Raab. Die Gespräche gehen Raab zufolge nun "in die letzte Woche oder so". Die Zeit drängt, da ein Handelspakt noch ratifiziert werden müsste.

Nach einer vorsorglichen Corona-Quarantäne hatte der EU-Unterhändler Michel Barnier am Samstag die Verhandlungen mit Großbritannien in London persönlich wieder aufgenommen. Auf britischer Seite leitet Chefunterhändler David Frost die Runde. Während Barniers einwöchiger Selbstisolation waren die Gespräche per Video gelaufen.

Nicht viel Zuversicht von EU

Große Zuversicht herrschte auf EU-Seite vor Beginn der Runde nicht. "Dieselben erheblichen Differenzen bestehen weiter", schrieb Barnier am Freitag auf Twitter. Bei den drei wichtigsten Streitpunkten blieben tiefe Gräben: faire Wettbewerbsbedingungen, Fischereirechte und Instrumente gegen eine Verletzung des künftigen Abkommens.

Frost twitterte, man werde weiter intensiv an einer Einigung arbeiten. Ein Deal müsse aber "uneingeschränkt die Souveränität Großbritanniens respektieren". Großbritannien ist Ende Jänner aus der EU ausgetreten, verlässt aber erst zum Jahresende auch den Binnenmarkt und die Zollunion. Ohne ein Anschlussabkommen drohen Zölle und zusätzliche Handelshemmnisse.

"Alles andere wäre ein Desaster"

"Eine Einigung über ein neues Handelsabkommen in letzter Sekunde muss kommen. Alles andere wäre ein Desaster", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" in der Samstag-Ausgabe. Die enge wirtschaftliche Verzahnung der Länder mache einen Kompromiss dringend notwendig – nur so könne Planungssicherheit entstehen.

Auch in Großbritannien ist der Druck immens: Die nordwalisische Fischindustrie exportiere 90 Prozent ihrer Produkte in die EU, sagte der Regierungschef von Wales, Mark Drakeford, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Ohne Handelsvertrag könne es zu Lieferproblemen kommen, und die Ware könne verderben. "Verzögerungen im Ablauf könnten das Ende dieser Industrie bedeuten", sagte Drakeford. (APA, 29.11.2020)