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Valentin Inzko, hier auf einem Archivbild aus dem Jahr 2016, wurde von Milorad Dodik, Chef der SNSD, als "Krimineller" und "Monster" bezeichnet.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

STANDARD: Wie wurde das Treffen vor dem UN-Sicherheitsrat organisiert, bei dem der Chef der SNSD Milorad Dodik und der Chef der HDZ in Bosnien-Herzegowina, Dragan Čović vor dem UN-Sicherheitsrat auftreten konnten?

Inzko: Russland hat als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats zu einem informellen Treffen eingeladen, das den Auftritt von verschiedensten Teilnehmern ermöglicht. Die Russische Föderation wollte als Kontrastprogramm zu meinem Bericht vom 5. November vor allem Dodik und Čović die Möglichkeit geben, sich vor den Mitgliedern es UN-Sicherheitsrats zu präsentieren. Der Chef der größten bosniakischen Partei, SDA, Bakir Izetbegović hat kritisiert, dass Vertreter der konstitutiven Völker eingeladen wurden, hat die Einladung nicht angenommen und stattdessen vorgeschlagen, alle Staatspräsidiumsmitglieder einzuladen, nicht nur Dodik. Ich war als Teilnehmer ursprünglich nicht vorgesehen, ich berichtete ja bereits am 5. November, aber die europäischen Staaten im UN-Sicherheitsrat haben gewünscht, dass ich auch komme.

STANDARD: Dodik hat Sie massiv attackiert. Was denken Sie darüber?

Inzko: Dodik sprach 30 Minuten oder länger und hat uns beide, den ehemaligen Hohen Repräsentanten Lord Paddy Ashdown und mich, als "Kriminelle" bezeichnet. Mich hat er auch "Monster" genannt. Alle Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitrats kritisierten jedoch die Verherrlichung von Kriegsverbrechern, etwa die Platte für den Kriegsverbrecher Radovan Karadzić in Pale. Dodik schlug vor, dass wir beide zusammen diese Karadzić-Tafel entfernen. Mir fällt aber nicht im Traum ein, die Gedächtnistafel zu Ehren des zu lebenslanger Haft verurteilten Kriegsverbrechers Karadzić gemeinsam mit Milorad Dodik zu entfernen oder auszutauschen. Zuallererst muss das relevante Gesetz oder die Verordnung betreffend die Anbringung der Karadzić-Aufschrift geändert werden und in der Folge auch die Gedenktafel ausgetauscht oder entfernt werden. Dies sollte jedoch jene Person besorgen, die sie montiert und feierlich enthüllt hat, nämlich: Milorad Dodik!

STANDARD: Welche Konsequenzen dürfte die Veranstaltung im UN-Sicherheitsrat haben?

Inzko: Noch niemals in elf Jahren habe ich so viel Solidarität erfahren wie diesmal. Insbesondere von Deutschland und den USA, aber wirklich von fast allen. Die belgische Delegation regte auch die Verabschiedung eines Gesetzes an, dass die Leugnung von Kriegsverbrechen wie den Genozid unter Strafe stellt. .Jedenfalls ist den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats klar vor den Augen geführt worden, wie es vor Ort ausschaut.

STANDARD: Wie geht es jetzt weiter mit der Tafel in Pale? Und was wird mit dem Gesetz zur Leugnung von Kriegsverbrechen und Verherrlichung von Kriegsverbrechern geschehen?

Inzko: Die lokale Politik soll noch einmal die Möglichkeit haben, das Gesetz zu erörtern. Erst dann sollten weitere Schritte überlegt werden. Das gleiche gilt für die Karadzić-Tafel, wenn diese nicht entfernt oder ausgetauscht werden sollte. Ich habe eine Frist von sechs Monaten festgesetzt. Das Einreiseverbot für Dodik in die EU wäre dann das nächste Ziel.

STANDARD: Offensichtlich mischt sich Russland auch vermehrt an der Seite von Dodik ein. Welche Position nimmt Serbien ein?

Inzko: Russland will eine Schließung des Amtes des Hohen Repräsentanten und befindet sich damit mit Dodik auf einer Linie. Die Reden von Serbien am 5. November, aber auch kürzlich, sind immer auf das Abkommen von Dayton bezogen und sehr sachlich. (Adelheid Wölfl, 29.11.2020)