Ziviltechniker stehen zwischen Behörden und Unternehmen, sie erfüllen hoheitliche Aufgaben. In multidisziplinären Gesellschaften, fürchten manche, könnte ihre Unabhängigkeit bedroht sein.

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Viele Menschen in Österreich haben mit Ziviltechnikerinnen und Ziviltechnikern zu tun, ohne dies bewusst wahrzunehmen. Vor allem bei Bauvorhaben erweist sich die Heranziehung von Ingenieurkonsulenten meist als unumgänglich, etwa wenn die Grundstücksgrenzen genau vermessen werden müssen.

Die früher Geometer oder Landvermesser genannten Spezialisten, die ein aufwendiges Studium und eine Ziviltechnikerprüfung absolvieren müssen, kommen in jenen – infolge der vielen laufenden Baustellen – zahlreichen Fällen zum Einsatz, wenn Grundstücke, die nicht im öffentlichen Kataster aufscheinen, abgegrenzt werden müssen oder wenn Teilungsverfahren anstehen.

Es bedarf keiner näheren Begründung, dass die Unabhängigkeit dieser Berufsgruppe, die auch in zahlreichen anderen technischen Bereichen (Architektur, Lebensmitteltechnologie) eine Rolle spielt, ein hochrangiges Schutzgut darstellt. Denn die Ziviltechniker stehen in der gewissenhaften Erfüllung ihrer Beurkundungen quasi zwischen den Behörden und den Unternehmen sowie den privaten Auftraggebern.

Mitunter ersetzt die Beurkundung auf einem Einreichplan sogar weitgehend das behördliche Bauverfahren, wie nach § 70a der Wiener Bauordnung. Daher ist es auch für die Öffentlichkeit wichtig, über die jüngsten Entwicklungen im Berufsrecht der Ziviltechniker und verwandter Berufe mit hoheitlichen Aufgaben, etwa Tierärzte oder Patentanwälte, informiert zu werden.

Berufsfremde Teilhaber

Derzeit sorgt die geplante Novelle des Ziviltechnikergesetzes (ZTG) für Aufsehen: Sie soll künftig alle Arten von multidisziplinären Gesellschaften erlauben und damit den Einfluss von ausländischen und berufsfremden Teilhabern zumindest grundsätzlich, wenn auch unter gewissen Vorkehrungen ermöglichen.

Die Vorgeschichte dazu: Das derzeit geltende Ziviltechnikergesetz trat erst am 9. Juli 2019 in einer gänzlich neuen Fassung in Kraft: Es musste novelliert werden, um den Anforderungen des Unionsrechts Genüge zu tun. Doch das galt nur 20 Tage lang.

Bereits am 29. Juli 2019 (C-209/18) fällte der Europäische Gerichtshof ein Urteil gegen Österreich zur Berufsausübung der Ziviltechniker, Tierärzte und Patentanwälte, das die restriktiven Regeln dieser Berufsgruppen, vor allem die Sitzpflichten im Inland und die weitgehenden Verbote zur Bildung von Gesellschaften, umstieß.

Meinungsverschiedenheiten

Bei der nun erforderlichen Neufassung des ZTG kamen erhebliche Meinungsverschiedenheiten zutage. Die Sitzpflichten, die eine unionsrechtswidrige "Residenzpflicht" in Österreich enthielten, wurden rasch entsorgt.

Aber die Debatte fokussiert sich auf die recht umfangreichen Regeln zur Vergesellschaftung (§§ 37a-f ZTG). Auf den Entwurf des Wirtschaftsministeriums (ME 40, 27. GP) gab es im Begutachtungsverfahren unzählige kritische Stellungnahmen.

Die betroffenen österreichischen Ziviltechniker, die in einer Bundes- und vier Landeskammern vereinigt sind, sehen die Möglichkeit von "multidisziplinären" oder hybriden Gesellschaften mit großer Skepsis.

Die Konkurrenten aus dem Bereich des EWR und der Schweiz, die sich an ZT-Gesellschaften beteiligen dürfen, müssen zwar die berufsrechtlichen Voraussetzungen ihres Herkunftsstandorts erfüllen. Zudem dürfen sie nicht zu einer "ausübenden" Tätigkeit berechtigt sein, was den Einstieg von Bauunternehmern verhindern soll. Aber dennoch bleiben Unklarheiten.

Techniker versus Manager

So könnte es künftig zu Problemen führen, wenn die vertretungsbefugten Organe einer ZT-Gesellschaft den Bedenken, die befugte Ziviltechniker intern vorgebracht haben, gegenüber Behörden, Auftraggebern oder Unternehmen nicht folgen.

Es stellen sich dann schwierige gesellschafts- und zivilrechtliche Fragen, die dadurch verstärkt werden, dass eine Überstimmung dieser Experten nicht nur nach dem Gesellschaftervertrag, sondern auch nach dem Gesetz verboten ist.

Ein mulmiges Gefühl verursacht es auch manchen, wenn sich große und kapitalstarke Investoren künftig in die ZT-Gesellschaften einschalten, denen auch die Signaturrechte vom Ministerium verliehen werden. Die Führung des Titels und des Bundeswappens ist geeignet, den Anschein in der Öffentlichkeit zu erwecken, dass hier eine quasi behördliche Tätigkeit stattfindet.

Andere freie Berufe wie Rechtsanwälte und Notare haben sich bisher gegen eine multidisziplinäre Kooperation gewehrt, wobei zwar Notare als Gerichtskommissäre hoheitlich agieren, Anwälte aber meist als Parteienvertreter auftreten.

Warum die Berufsgruppe der Ziviltechniker daher künftig in so weitgehender Weise die Vergesellschaftung mit Berufsfremden erlauben soll, bedarf noch einer genaueren Begründung. (Gerhard Strejcek, 1.12.2020)