Der Sound von Sharktanks "Bad Energy" riecht nach Meerwasser auf der Haut.

Foto: Rea Djurovic

Sharktank: Bad Energy

Den in der Mitte kennt man doch! Es ist Marco Kleebauer, einer der umtriebigsten Produzenten und Feinschleifer des Landes und auch Teil des Duos Leyya. Wo er seine Finger im Spiel hat, soll man jedenfalls hinhören. Sein neuestes Projekt heißt Sharktank, und es entstand aus einer Zusammenarbeit mit dem Rapper Mile, der in Nigeria geboren und der Steiermark aufgewachsen ist. Kurz darauf stieß die junge Sängerin und Gitarristin Katrin Paucz aus Wien dazu und komplettierte das Trio, das nun mit "Bad Energy" seine überzeugende Debüt-EP vorlegt.

Der Sound ist gut, geschliffen, geschmeidig. Ein echter Kleebauer eben. Er riecht nach Meerwasser auf der Haut und leicht melancholischen Sonnenuntergängen am Strand. Die Rap-Parts der Marke innerer Monolog von Mile – wichtig ist dem Musiker, dass es nicht um Hip-Hop-Klischees wie Materialismus und Angeberei geht – fügen sich harmonisch in den samplelastigen Indiepop ein. Darüber schwebt Paucz’ verträumte Stimme.

Sharktank passen gut zu den Entwicklungen, die sich auch im Mainstreampop der letzten Jahre beobachten lassen: Genres brechen auf, Eklektizismus wird gelebt, man zitiert sich mittels des Einsatzes von allen Effekten, die der Computer hergibt, durch die Jahrzehnte, Kollaborationen zwischen Künstlerinnen und Künstlern aus verschiedenen Ecken bringen frischen Wind ins Geschäft.

"Washed Up", die erste Nummer der EP, verzeichnet bereits 300.000 Streams auf Soundcloud, das Trio arbeitet an seinem ersten Album. (abs)

Sharktank - Topic

Clara Luzia: 4+1

Pop als Identifikationsfläche und Multiplikator von Gefühlen funktioniert natürlich für Musiker genauso. Fremde Songs, die einen berühren, die einen fühlen lassen: Yesss, genau so! Die Wiener Band Clara Luzia mit der mit diesem Namen identifizierbaren Chefin veröffentlicht auf "4+1" vier solche Gefühlsäußerungen aus fremden Federn – und legt eine Eigenkomposition obendrauf.

Foto: Peter Paul Aufreiter

Zwei der Lieder stammen von befreundeten Bands wie Veronika J. Koenig alias Farce, deren "Socialite" Luzia covert, vom Electronic-Duo HVOB ist es der Song "2nd World". Beides sind eher introvertierte Stücke, denen Luzia Gefühligkeit und Schwere verleiht: mit melancholischen Bläsern ebenso wie mit einer beherrscht jaulenden Gitarre. Zur Mitte, wie als Trennlinie gezogen, folgt das feingliedrige "This World," das mit seinem Ich-bin-auf-dem-falschen-Planeten-Vibe wohl für jeden irgendwann Sinn ergibt.

Von ihren Konzerten her bekannt ist Luzias Vorliebe für den Pet-Shop-Boys-Song "It’s a Sin". Die melancholische Discohymne interpretiert die Wiener Band mit dem Grundton einer Sehnsucht, wie sie sich am Ende einer langen Clubnacht oft wie die Ernüchterung vor dem Kater einstellt.

Das mündet in dem letzten Song, in dem sich Clara Luzia einer Katharsis unterziehen und sich einer Version von PJ Harveys "Victory" von deren Debütalbum Dry hingeben. Trocken und krachend versenkt es die Band am Ende dieser EP – so wie es dem Expressionismus seiner Schöpferin geschuldet ist. (flu)

Clara Luzia - Topic

Naked Cameo: Insomnia

Aus den Zutaten Selbstzerfleischung und Weltschmerz produziert die Band Naked Cameo nach überlieferten Rezepten ihre zart betrübten, dabei euphorischen Popsongs. Die Euphorie ist dem Talent geschuldet, noch in den Momenten eingängige Ohrwürmer zu fabrizieren, in denen der natürliche Schmollmund ins Botoxische übergeht. Auf dem Grat zwischen echten und inszenierten Gefühlen gehen die fünf Songs der EP "Insomnia" voll auf.

Foto: Katrin Schmirler

Naked Cameo tauchten vor zwei Jahren mit dem suprigen Debütalbum "Of Two Minds" auf. Darauf bewiesen sie ihren Instinkt für tolle Melodien, die sie an der Grenze von Synthiepop und Charakteristika aus dem zeitgenössischen R ’n’ B zusammenführten, ohne in einen Stil zu weit abzudriften. "Insomnia" zeigt, dass sich das Trio zwischen diesen Stühlen gut eingerichtet hat. Seine ökonomisch und irgendwie vintage produzierten Titel erfreuen mit verspielten Rhythmen und dem Gesang von Lukas Maletzky, der in einem Song wie "Dead Weight" gar ein wenig ins Expressionistische kippt, was der ansonst recht beherrschten Stimmung gut ansteht.

Stärker als auf dem Debüt ist die Gitarre präsent, jedoch nicht im rockistischen Sinn. Aber sie verleiht der Band an den richtigen Stellen mehr Kante und fungiert als höflicher Störenfried. Das ergibt in Summe fünf lässige Songs ohne Hänger. Womöglich trifft "Insomnia" perfekt die aktuelle Stimmung: Partymusik ohne Party, weil das ja gerade nicht geht. Aber es wird ja wieder besser. (flu)

Naked Cameo

Onk Lou: Quarterlife

Wer sich sein Brot als Straßenmusiker erarbeitet, muss sich besonders ins Zeug legen. Onk Lou kennt und weiß das aus eigener Erfahrung. Hinter dem Namen steckt der aus der niederösterreichischen Popmetropole Ollersdorf stammende Lukas Weiser.

Foto: Carina Antl

"Quarterlife" ist sein zweites Album – und seine Vergangenheit als singende Randsteinschwalbe, die in Europa von ganz links unten bis ganz rechts oben gespielt haben soll, vermeint man, der Musik anzuhören.

Nicht formal, aber Onk Lous Musik verströmt Optimismus bis unter die Mütze. Als per se nicht nachgefragter Straßenmusiker muss man sich sein Publikum ja erst erspielen, ihrem Alltag entreißen. Onk Lou macht das mit einer süffigen Version aus zeitgenössischen Pop-Versatzstücken, die auf dem internationalen Parkett reüssieren könnten.

Er spielt eingängige, handgemachte Popmusik, mit hübschen Melodien und Texten, beseelt, oft im Falsett dargeboten, deren Reflexionen wohltuend unsicher sind. Die Welt hat genug Topchecker.

Stellenweise resultiert das Schielen auf den Markt jenseits der Landesgrenzen in Schablonen, die die Aufmerksamkeit auf Publikumsseite eintrübt: Songs wie Natural High würden im Set keiner Boy-Group in Pastellfarben schlechte Stimmung machen.

Authentischer wirkt der bärtige Onk, wenn er verspieltere Songs wie das nette Rubenesque produziert, in dem er die Rhythmen strandkompatibel und Reggae-nah schunkeln lässt. (flu)

Karmarama

(abs, flu, 30.11.2020)