Sakhir – Wie durch ein Wunder rettete sich Romain Grosjean nach 27 Sekunden selbständig aus dem lichterloh brennenden Wrack, das einmal sein Rennwagen gewesen war. Der Haas-Ferrari des Franzosen war in zwei Teile zerborsten, das Chassis steckte in der Leitplanke fest, ein Vorderrad kullerte in die Wüstenlandschaft von Sakhir. Das Unglaubliche: Grosjean selbst blieb im Monocoque relativ gut geschützt und kam mit leichten Verletzungen und einem großen Schrecken davon. Die Verantwortlichen der Formel 1 kündigten umgehend Untersuchungen an.

In der ersten Runde des Großen Preises von Bahrain war es passiert. Während Pole-Setter Lewis Hamilton, der das Rennen später gewann, an der Spitze des Feldes davonzog, ging es hinten wild und unübersichtlich zu. Der von Rang 19 gestartete Grosjean wagte nach wenigen Kurven ein Überholmanöver, er zog hart nach rechts und übersah wohl den AlphaTauri von Daniil Kwjat. Die Räder der Boliden touchierten sich – danach war Grosjean nur noch Passagier und schoss geradeaus in die Leitplanke.

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Feuer.
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Aussteigen.
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Totalschaden.
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Reste.
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Aufräumen.

Grosjean: "Ohne Halo könnte ich nicht zu euch sprechen"

Mithilfe der Streckenposten verließ der 34-Jährige sichtlich benommen die brennende Unfallstelle und wurde per Helikopter in ein Krankenhaus gebracht, wo er über Nacht bleibt. Er erlitt lediglich Verbrennungen an beiden Handrücken und blieb von Brüchen verschont, teilte sein Rennstall am Sonntagabend mit.

Grosjean selbst meldete sich am Sonntagabend ebenfalls zu Wort. In einem Video gab zu, sich in der Vergangenheit gegen die Halo-Schutzvorrichtung ausgesprochen zu haben. "Aber ich denke, er ist das Beste, was der Formel 1 passiert ist. Ohne ihn könnte ich jetzt nicht zu euch sprechen."

Grosjean war in dicken Verbänden an beiden Händen zu sehen, konnte in seinem Krankenbett aber wieder scherzen: Er hoffe, schon bald auf die vielen Genesungswünsche antworten zu können.

"Er ist sehr erschrocken", sagte Teamchef Günther Steiner, "aber er hat nur kleinere Verbrennungen dort, wo die feuerfeste Kleidung Lücken hat. Das war Glück im Unglück, aber auch toller Einsatz von den Streckenposten, die sofort da waren." Nach der Rettung Grosjeans nahmen Streckenkräfte langwierige Reparaturarbeiten auf, damit das 15. Saisonrennen fortgesetzt werden konnte.

Hill: "Es ist ein Wunder"

Dem Formel-1-Tross steckte trotz der ersten Entwarnung der Schock in den Gliedern. Rekordweltmeister Hamilton blickte in seiner Mercedes-Garage auf die Bilder des Horrorcrashs, der zwangsläufig Erinnerungen an den Feuerunfall Niki Laudas 1976 auf dem Nürburgring weckte, und schüttelte entgeistert den Kopf.

"Es ist ein Wunder, dass er da in einem Stück rausgekommen ist", sagte Ex-Weltmeister Damon Hill bei Sky: "Es sah aus, als wäre das Chassis durch die Wand durchgegangen. Diese Bilder schaut sich niemand an und spricht danach von zu viel Sicherheit in der Formel 1." Mit Blick auf den Re-Start des Rennens sagte der Champion von 1996: "Es wird für die Fahrer schwer werden, das aus dem Kopf zu kriegen."

Ex-Pilot Jean Alesi erklärte: "Man muss der FIA (Automobil-Weltverband; d.Red.) danken, dass sie ihn so schnell rausgeholt haben." Der 56-jährige Franzose war sich sicher, dass der lange Zeit umstrittene Cockpitschutz Halo seinem Landsmann Grosjean "das Leben gerettet" hat.

"Es ist super zu sehen, dass alles funktioniert hat"

Alan van der Merwe, der Fahrer des Medical Car, erklärte: "Ich habe in zwölf Jahren nicht so viel Feuer gesehen. Romain ist alleine aus dem Auto gekommen. Das ist unglaublich. Es ist super zu sehen, dass alles funktioniert hat: die Leitplanken, der Halo, die Rettungsmaßnahmen."

Der gebürtige Genfer Grosjean, der in dieser Saison nur zwei WM-Punkte holte, muss sein Cockpit bei Haas am Ende der Saison räumen. Es scheint fraglich, ob er in den abschließenden zwei WM-Läufen starten kann.

Das Rennen wurde mit 85-minütiger Verzögerung wiederaufgenommen, nach nur einer Runde war erneut Kwjat in einen Crash involviert. Der Russe kollidierte mit Lance Stroll im Racing Point, der sich daraufhin überschlug. Stroll konnte seinen Boliden aus eigener Kraft verlassen.

Am Ende dieses ungewöhnlichen Tages gab es zumindest sportlich das gewohnte Bild: Mercedes-Star Hamilton gewann vor Max Verstappen im Red Bull, Albon wurde Dritter. (sid, red, 29.11.2020)

Endstand des Formel-1-Grand-Prix von Bahrain (57 Runden zu je 5,412 km = 308,238 km)

1. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 1:34:01,829
2. Max Verstappen (NED) Red Bull +1,254
3. Alexander Albon (THA) Red Bull +8,004
4. Lando Norris (GBR) McLaren +11,337
5. Carlos Sainz jr. (ESP) McLaren +11,787
6. Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri +11,942
7. Daniel Ricciardo (AUS) Renault +19,368
8. Valtteri Bottas (FIN) Mercedes +19,680
9. Esteban Ocon (FRA) Renault +22,803
10. Charles Leclerc (MON) Ferrari +1 Runde
11. Daniil Kwjat (RUS) AlphaTauri +1 Runde
12. George Russell (GBR) Williams +1 Runde
13. Sebastian Vettel (GER) Ferrari +1 Runde
14. Nicholas Latifi (CAN) Williams +1 Runde
15. Kimi Räikkönen (FIN) Alfa Romeo +1 Runde
16. Antonio Giovinazzi (ITA) Alfa Romeo +1 Runde
17. Kevin Magnussen (DEN) Haas +1 Runde

Ausgeschieden:

Romain Grosjean (FRA) Haas,
Sergio Perez (MEX) Racing Point,
Lance Stroll (CAN) Racing Point

Schnellste Runde: Max Verstappen (NED) Red Bull in der 48. Runde in 1:32,014