In Berlin wird gegen die Verwendung von Palmöl in Biokraftstoffen protestiert. Damit würden die Abholzung der Regenwälder und die Vernichtung der dortigen Tierarten unterstützt, so die Kritiker.

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Hat der Konsument die Macht, die Welt zum Besseren zu wenden? Zum Beispiel durch seine Entscheidungen im Supermarkt? Immerhin steht es jeder und jedem frei, jene Kekse in den Einkaufskorb zu legen, die ganz ohne das vielfach kritisierte Palmöl auskommen. Haben Konsumenten damit nicht schon ihr Scherflein zur Rettung der Regenwälder und der dort lebenden – oft bedrohten – Tierarten beigetragen? Auch zum Billig-T-Shirt gibt es mittlerweile fair produzierte Alternativen. Reicht das nicht?

Nein, die Macht der Konsumenten ist beschränkt, sagen jene, die das Thema Konzernverantwortung auf die politische Agenda heben. Hochaktuell ist die Angelegenheit in der Schweiz. Die Eidgenossen konnten bei einer Volksabstimmung am Sonntag entscheiden, ob Unternehmen künftig für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen im Ausland haften sollen. Die Initiatoren der "Konzernverantwortungsinitiative" wollten Firmen für Verstöße im Ausland vor Schweizer Gerichten belangen können.

Haftung ausdehnen

Diese sollten sich demnach nicht so leicht aus der Verantwortung stehlen können, wenn etwa Textilfirmen in Asien abbrennen und dabei auch Todesopfer zu beklagen sind. Bei einer Annahme der Initiative hätten sie für Schäden auch durch Geschäftspartner entlang der Lieferkette und Tochterfirmen haften müssen. Für die Aktion hatten sich die linken und Mitteparteien, aber etwa auch die Kirchen des Landes ausgesprochen. Das genügte schlussendlich nicht. Zwar sprachen sich 50,7 Prozent der Bürger für die Initiative aus. Die ebenfalls erforderliche Mehrheit der Kantone wurde aber verfehlt. Es ist das erste Mal seit rund 60 Jahren, dass eine Volksabstimmung, die mehrheitlich von der Bevölkerung durchgewinkt wurde, aus diesem Grund scheiterte. Den Schweizer Großunternehmen bleibt damit eines der schärfsten Lieferkettengesetze der Welt erspart.

Teurer Abstimmungskampf

Im Zuge des teuersten Abstimmungskampfes in der Geschichte des Landes hatten gleich 15 Präsidenten von Schweizer Konzernen – darunter der Großbanken UBS und Credit Suisse, der Pharmaunternehmen Roche und Novartis sowie des Lebensmittelkonzerns Nestle – für eine Ablehnung des Vorhabens geworben. Sie hatten zwar beteuert, die Ziele der Initiative zu unterstützen, angesichts der Haftungspflicht aber eine Klagewelle und höhere Kosten befürchtet.

Auch die Schweizer Regierung hatte die Vorlage in der vorgeschlagenen Form schon zuvor abgelehnt. Das gehe zu weit. "Die Initiative schießt übers Ziel hinaus", sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter (Liberale/FDP). An sich begrüßte sie aber das Anliegen, Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferketten zu stoppen. Man fürchte aber um kleine und mittelständische Unternehmen, die etwaigen Klagen nicht gewachsen seien, hieß es. Die Befürworter argumentierten, es gehe nur um große Konzerne. Nun dürfte ein wesentlich sanfterer Gegenvorschlag in Kraft treten, der die Firmen nur verpflichtet, über das Verhalten von Tochterunternehmen Bericht zu erstatten.

Lieferkettengesetz

Das Thema treibt aber nicht nur die Schweizer um. Auch in Deutschland wird über ein sogenanntes Lieferkettengesetz diskutiert. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag von 2018 vorgenommen, einer unternehmerischen Sorgfaltspflicht per Gesetz nachzukommen, sofern nicht die Mehrheit der deutschen Konzerne entsprechende Prozesse freiwillig veranlasst. Konkrete Formulierungen gibt es noch nicht. Auch die EU-Kommission will 2021 auf EU-Ebene Vorschläge präsentieren.

Nationale Initiative

Auch in Österreich stoßen die Anliegen der Befürworter auf offene Ohren. Sebastian Bohrn Mena, Initiator des Tierschutzvolksbegehrens, trommelt für eine Initiative nach deutschem Vorbild, die 2021 richtig loslegen will. Zahlreiche Unterstützer habe er schon auf seiner Seite, sagt Bohrn Mena und zählt Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, Klimaaktivistin Lena Schilling, Kulturwissenschafterin Judith Kohlenberger und Ökonomin Katharina Mader dazu. Es reiche nicht, hier nur auf entsprechende EU-Initiativen zu setzen, so der Ex-Politiker. Man müsse für das Thema auch auf nationalstaatlicher Ebene Mitstreiter finden und Bewusstseinsbildung betreiben. (Regina Bruckner, 29.11.2020)

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